Melkanlage

Putin kontra Käse

Litauen gehört seid bald zehn Jahren zur EU (und zur Nato), also zum politischen Westen. Doch die geographische Lage des Landes ist ja bekannt: mitten in Europa, aber am Außenrand der Union. Die drei baltischen Staaten haben lange gemeinsame Grenzen mit Russland im Osten. Das bringt Vorteile mit sich, denn der osteuropäische Markt ist nahe, Sprachbarrieren gibt es kaum. Besonders die in Litauen starke Lebensmittelindustrie exportiert viel gen Osten. Beliebt ist dort eigentlich alles aus dem Baltikum: Bier und Brot, Fleisch und Fisch, Milch und Käse.

Problematisch ist jedoch, dass Litauen vom russischen Gas abhängig ist. Seit langem wird das Problem gesehen; inzwischen diskutiert man auch hier über Fracking (Chevron wird im Westen Litauens nach Vorkommen suchen). Der Flüssiggasterminal in Klaipėda ist aber noch nicht fertiggestellt. Erst im kommenden Jahr gibt es dann wenigstens eine alternative Importquelle für den Energierohstoff. So zahlt Litauen imer noch einen überteuerten Gaspreis (mit den höchsten in ganz Europa!) an den halbstaatlichen Riesen Gazprom.

Nun wird wieder um den Gaspreis gepokert. Die letzte Regierung Litauens hatte Gazprom vor einem Schiedsgericht verklagt. Dennoch war Konzertchef Miller letzten Monat in Vilnius, um neue Vertäge auszuhandeln. Parallel kommen die Daumenschrauben zum Einsatz: Die russische Lebensmittelkontrolle („Rospotrebnadzor“) nimmt nun, Anfang Oktober, plötzlich die litauschen Milchprodukte extrem genau unter die Lupe – pure Schikane, denn von einer angeblich schlechten Qualität kann keine Rede sein. Eine offizielle Beschwerde liegt bei den litauischen Stellen auch gar nicht vor. Und in die USA, die sowieso immer streng kontrollieren, wird ohne Probleme exportiert. Jonas Milius, oberster Lebensmittelkontrolleur Litauens, beklagt, dass die Vorwürfe aus Moskau ständig wechseln: heute Antibiotika, morgen mikrobiologische Verunreinigungen, mal falsche Kennzeichnung, dann wieder verbotenes Milchpulver usw.  – Willkür, wo man hinschaut. Nun droht am siebten Oktober sogar eine Importeinschränkung.

Die Milchschikane ist nichts Neues. Auch das Fleisch aus Litauen traf es schon mehrfach, bis hin zum kompletten Einfuhrverbot. Mit solchen Nadelstichen zeigt Putin seine Macht. Hart trifft es seit einigen Wochen auch die litauischen Spediteure: Die Lkws aus Litauen müssen eine Art Totalkontrolle am russischen Zoll über sich ergehen lassen. Gewaltige Verzögerungen sind die Folge. Die Beschwerden der Verbände bringen nur wenig – schließlich hat man es nicht mit einem demokratischen Gegenüber zu tun.

Langsam  werden die litauischen Politiker nervös. Außenminister Linkevičius, eigentlich ein sehr erfahrener und  angesehener Diplomat, ließ sich zu dieser öffentlich Drohung an die Adresse Russlands hinreißen: Wir können ja auch noch den Transit von Russland ins Kaliningrader Gebiet (über litauisches Territorium) etwas behindern… Der kleine Psychokrieg im Osten wird weitergehen. Das einzig Positive: die litauischen Unternehmer sind inzwischen recht abgehärtet; kaum noch etwas kann sie schocken.

Bild: Kühe von Rimas Onkel Juozas werden gemolken.