Wieder in Wilna

Wieder in Wilna

Im Sommer 1915 eroberten die Armeen des Deutschen Reichs überraschend zügig das Gebiet des heutigen Litauens. An der Ostfront kippte der Erste Weltkrieg zu deutschen Gunsten, das Zarenreich war angezählt. Im September des Jahres besuchte der Kaiser persönlich seine Truppen im besetzten Vilnius oder deutsch Wilna (s.o. Foto). Über drei Jahre lange blieben die deutschen Besatzer. Ein Zuckerschlecken war die Zeit nicht, da das Land für die Kriegsanstrengungen ausgesaugt wurde. Zu einem litauischen Königreich als deutschem Vasall kam es dann nicht mehr, da das Kaiserreich den Weltkrieg verlor.

Nun sind die deutschen Militärs wieder zurück, doch dieses Mal auf Wunsch der Einheimischen. Den Anfang machte vor zwanzig Jahren die Luftüberwachung der baltischen Staaten ab 2004 durch NATO-Jets. Für jeweils einige Monate sind u.a. am Flughafen Zokniai bei Šiauliai auch Kampfflugzeuge der Luftwaffe stationiert. Seit 2017 sind nun auch deutsche Heereseinheiten ständig in Litauen anwesend. Damals startete die NATO im Rahmen der „verstärkten Vornepräsenz“ (EFP) mit der Verlegung von Einheiten nach Polen und in die baltischen Staaten. Die multinationale Truppe in Litauen wird von Deutschland geführt, das die Hälfte der Einheiten stellt (rund 800 Soldaten). Personal und Material dieses Verbandes rotieren im halbjährlichen Rhythmus.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kamen besondern in Polen und dem Baltikum alte Ängste vor dem mächtigen Nachbarn im Osten hoch. Die baltischen Staaten sind seit 2004 in der NATO und baten dringend um ständige Truppenpräsenz der Verbündeten an der Ostflanke. Im Sommer des Jahres, kurz vor dem NATO-Gipfel in Vilnius, kündigte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius an, ab 2024 schrittweise mit der Aufstellung einer deutschen Brigade in Litauen zu beginnen.

Die neue „Brigade Litauen“ soll im Kern aus zwei Kampftruppenbataillonen sowie der EHP-Battlegroup, die bereits in Litauen im Einsatz ist, bestehen. Jeweils ein Panzerbataillon aus Bayern (Oberviechtach) und Nordrhein-Westfalen (Augustdorf) mit um die 5000 Personen sollen in Litauen ab 2025/26 fest stationiert werden. Wie die Finanzierung auf deutscher Seite aussehen soll, ist unklar. Und auch für Litauen ist die die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur für Material, Truppen und deren Familien  mit erheblichem Aufwand verbunden. Ortschaften in der Nähe des Großstädte Vilnius und Kaunas sind im Gespräch. „Es ist ein so bisher nie da gewesenes Projekt für die Bundeswehr“, kommentierte die „Süddeutsche“. Erstmals wird eine dauerhafte Militärbasis mit allem Drum und Dran im Ausland aufgebaut.

Litauen und Deutschland haben sich gegenseitig Versprechen gegeben, aber es bleibt angesichts vieler Herausforderungen abzuwarten, ob die Brigade Litauen wirklich zu einem „Leuchtturmprojekt“ (Pistorius) der Bundeswehr werden wird. Auf der litauischen Seite hat man eigentlich sogar noch die Verfassung gegen sich: Art. 137 untersagt „Militärbasen von ausländischen Staaten“. Schon vor einigen Jahren gab es Urteile des litauischen Verfassungsgerichts, die diese an sich klare Formulierung uminterpretiert haben: über die NATO und dadurch die litauische Beseteiligung seien solche Basen gar keine ausländischen. Mit solchen Kunstgriffen lässt sich ein Paragraph vielleicht wegdeuten, aber nicht Tausende Deutsche und ihre Familien unterbringen.

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Am „Tag der Armee“ marschierten Ende November auch Einheiten der Bundeswehr über den Verfassungs-Prospekt in der litauischen Hauptstadt