Paulusbriefe – eine Neue ökumenische Übersetzung

Paulusbriefe – eine Neue ökumenische Übersetzung

Mitte Januar steht in vielen Gemeinden die Einheit der Christen oben auf der Tagesordnung. Vom 10. bis zum 17. Januar fand in diesem Jahr die Gebetswoche der Evangelischen Allianz statt. In Litauen gibt es bislang leider keine nationale Allianz. Seit vielen Jahren werden aber gemeinsame Veranstaltungen im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen durchgeführt, bei der in Litauen die römisch-katholische Kirche federführend ist. Diese Gebetswoche wird zwischen dem 18. und 25. Januar begangen.

Ökumene ist in Litauen ein nicht ganz einfaches Thema. Vielsagend ist, dass es selbst einen Ökumenischen Kirchenrat nicht gibt. Umso positiver ragt die Arbeit der Litauischen Bibelgesellschaft heraus, in der seit 30 Jahren Vertreter der orthodoxen, katholischen und verschiedener evangelischer Kirchen erstaunlich gut zusammenarbeiten. Direktor der Bibelgesellschaft war über viele Jahre der 2012 verstorbene reformierte Christ Mykolas Mikalajūnas.

Am 14. Januar verließ nun ein neues Produkt der Bibelgesellschaft die Druckerei: eine neue Übersetzung der Paulusbriefe des Neuen Testaments. Wieder hat ein ökumenisches Team fruchtbar zusammengearbeitet. Nun ist mit diesem neuen Bibelübersetzungsprojekt des Neuen Testaments ein wichtiger Schritt nach Vorne gelungen, denn es gab auch einen großen Rückschlag.

2016 und 2017 brachte die Bibelgesellschaft das Markus- bzw. Matthäus-Evangelium in neuer Übersetzung heraus (s. hier) – Start des ambitionierten Projekts einer Neuen ökumenischen Übersetzung (NÖÜ, lit. „Naujas ekumeninis vertimas“, NEV). Allerdings konnte sich die Bibelgesellschaft mit den Übersetzern Ingrida Gudauskienė und Danielius Dikevičius in wichtigen Fragen wie auch der rechtlichen Verwertung doch nicht einigen. Die Kooperation mit diesen beiden Fachleuten im Rahmen der NÖÜ wurde wegen nicht überbrückbarer Differenzen nicht fortgeführt (in diesem Fall hat dies keine konfessionellen Gründe – Direktorin der Bibelgesellschaft Vilhelmina Kavalauskienė und die genannten Übersetzer sind alle Katholiken).

Ein herber Rückschlag, doch die Übersetzungsprinzipien, die bei den Evangelien Anwendungen fanden, hatten auch für die Paulusbriefe Geltung. An dem NÖÜ-Projekt wird also festgehalten. Auch diese neue Übersetzung der meisten Briefe des NTs will dem griechischen Text möglichst treu sein. Es soll aber auch der Sinn ganzer Sätze möglichst klar kommuniziert werden. Auch bei den Paulusbriefen kommen die Eigenarten des Autors deutlicher zur Geltung als in den bisherigen Übersetzungen. Die NÖÜ will also dicht am griechischen Text bleiben, dies aber mit möglichst großer Verständlichkeit verbinden. Insofern läßt sich die litauische NÖÜ mit der Neuen Genfer Übersetzung vergleichen. Wie in dieser sind z.B. sinngemäß ergänzte Worte, die sich im Urtext nicht finden, als solche gekennzeichnet.

Wie schon in den beiden Evangelien finden sich unten auf den Seiten in den Fußnoten zahlreiche Kommentare zu einzelnen griechischen Begriffen. Vor allem Pastoren und Prediger erhalten hier Hintergrundinformationen, die in Litauen sehr wertvoll sind. Schließlich besitzen hier Wortverkündiger nur wenige exegetische Hilfsmittel wie Nachschlagewerke und Wörterbücher zur griechischen Sprache. Allgemein zeugt der Fußnotenapparat von der großen Fachkenntnis des Redaktionsteams. Dort arbeitete auch der langjährige Dekan des Evangelischen Bibelinstituts in Šiauliai, Romualdas Babarskas aus Klaipėda, mit.

Keine Übersetzung ist vollkommen, und gerade in einem ökumenischen Team müssen nicht zu selten Kompromisse gemacht werden. So wird z.B. das gr. Wort „episkopos“ mit „vyskupas“, Bischof, übersetzt, was natürlich der katholischen Kirche entgegen kommt. Leider wurde nicht „prižiūrėtojas“, Aufseher, gewählt. Neuere Übersetzungen ins Deutsche wie die NGÜ haben an den Stellen „Gemeindeleiter“.

Dicht am Text unter den modernen litauischen Übersetzungen ist bisher nur die des evangelischen Theologe Algirdas Jurėnas (1919–2007), der nach dem letzten Krieg in die USA ausgewandert war. Sein Neues Testament wurde 1961 in London von der Bibelgesellschaft veröffentlicht; 2000 erschien die gesamte Bibel. Sie ist nicht mehr im Handel und hat die Schwäche, dass das Litauische an vielen Stellen nicht der heutigen Normsprache entspricht.

Daher müssen litauische Leser heute zwischen zwei (bzw. drei) Gesamtbibelausgaben wählen. Den Text des Methodisten Kostas Burbulys (1903–2001) übernahm die „Wort-des-Glaubens“-Kirche (heute „Bund ev. Gemeinden Litauens“). 1995 gab sie nach vielen Jahrzehnten erstmals eine komplette Bibel in litauischer Sprache heraus. Die Burbulys-Bibel wurde mehrfach überarbeitet und wird vom Verlag der Kirche bis heute in verschiedenen Ausgaben verlegt; in Kürze erscheint wieder eine Neuauflage. Nicht wenige baptistische und charismatische Gemeinden nutzen sie bevorzugt.

1999 erschien die Gesamtbibelausgabe der Bibelgesellschaft: NT übersetzt von Česlovas Kavaliauskas (1923–1997), AT von Antanas Rubšys (1923–2002). Wie Burbulys und Jurėnas wirkte Rubšys im westlichen Exil; Kavaliauskas, ebenfalls katholischer Priester wie Rubšys, lebte in der litauischen Sowjetrepublik. Die katholische Bischofskonferenz hatte schon 1998 ihre Version der Rubšys/Kavaliauskas-Bibel abgesegnet; deren Text unterscheidet sich etwas von der ökumenischen Version von 1999. Natürlich enthalten die katholischen Ausgaben auch die Apokryphen oder Spätschriften des AT.

Die Freude über die neue Übersetzung wird nur durch eins gedämpft: Hauptübersetzer ist ausgerechnet Giedrius Saulytis (Jg. 1966), der nun in Palanga lebt. Vor Jahren hatte die „Wort-des-Glaubens“-Kirche ihren bisherigen Bundesleiter und Pastor in Vilnius aller Ämter enthoben (s. hier). Er meinte, man könne – wie es heute heißt – polyamourös leben. Die bisherige Ehe, aus der drei erwachsene Söhne hervorgingen, ist inzwischen geschieden. Saulytis, mit allen Wassern gewaschen, ist aber weiter in der christlichen Szene aktiv, unterhält einen Blog und organisiert Konferenzen und Seminare zu geistlichen Themen. Durch seine Ausbildung in den USA ist der Doktor der Theologie tatsächlich ein guter Griechisch-Experte.