Evangelische in Litauen: ehrliche Zahlen

Evangelische in Litauen: ehrliche Zahlen

Die großen Kirchen in Deutschland schrumpfen. Die Landeskirchen wissen ziemlich genau, wie viele Mitglieder sie haben und wie viele sie in der Summe jedes Jahr verlieren. Auch die Freikirchen haben in der Regel recht genaue Statistiken über ihre Mitgliedsentwicklung.

Ganz anders sieht dies in Litauen aus – im Hinblick auf die genaue Statistik. Denn auch hier schrumpfen die Kirchen, nur weiß man es nicht so genau. Ein Kirchensteuersystem wie in Deutschland gibt es nicht. Standesämter und Meldestellen wissen nichts über die Religion der einzelnen Bürger. Bei der letzten Volksbefragung im Jahr 2011 wurden die Bürger zuhause besucht und auch nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt. 77% der Einwohner rechneten sich damals der römisch-katholischen Kirche zu.

Im kommenden Jahr wird das Litauische Amt für Statistik erneut die Mitgliedszahlen der Religionsgemeinschaften ermitteln. Dieses Mal wird jedoch ein ganz anderes Prinzip zur Anwendung kommen: jeder einzelne Bürger kann sich dann im Internetportal des Amtes registrieren und seine Religion bzw. Konfession deklarieren. Viele Litauer, die meist noch getauft, aber nur noch kulturell katholisch geprägt sind und denen die Kirche im Leben kaum etwas bedeutet, werden sich nicht registrieren. Es gilt daher als sehr wahrscheinlich, dass die Zahl der Katholiken im Land – statistisch gesehen – deutlich zurückgehen wird.

Die dominierende katholische Kirche wird dies wohl nicht sehr stören. Sie geht ja weiterhin von dem theologischen Grundsatz aus, dass alle einst katholisch Getauften ihr angehören – was auch immer sie deklarieren. Schließlich ist ein Kirchenaustritt auch nach dem reformierten Kirchenrecht von 1983 immer noch nicht vorgesehen. Aber selbst wenn man nur die Getauften zählt – die Taufregister der Kirchen in Litauen sind mitunter sehr unvollständig. Vor dem letzten Krieg übten in der Litauischen Republik Pfarrer (und Rabbiner) die standesamtlichen Funktionen aus, so dass exakte Zahlen vorlagen. Durch den letzten Krieg und vor allem die Jahrzehnte in der Sowjetunion gingen viele Dokumente und damit der genaue Überblick verloren.

Den Evangelischen liegt die konkrete Mitgliedschaft in einer Ortsgemeinde näher am Herzen als den Katholiken (nach ihrer Gemeinde gefragt, kommen nicht wenige Katholiken Litauens ins Schwimmen und wissen kaum zu antworten). Die im Baltikum allgemein nicht sehr großen evangelischen Kirchen können dabei teilweise durchaus den Umständen enstprechend genaue Angaben zu ihrer Mitgliedschaft machen. Die beiden nördlichen Länder haben es schon vorgemacht.

Die evangelisch-lutherische Kirche Estlands hat 160.000 Kirchenmitglieder, davon sind in den 167 Gemeinden insg. 29.000 zahlende Mitglieder. Ähnlich differenzieren auch die Letten. In der lutherischen Kirche des Landes gibt es 42.000 registrierte Mitglieder in fast 300 Ortsgemeinden. Als Vollkirchenmitglieder zählen nur konfirmierte (also nicht nur getaufte) Gemeindeglieder, die einen finanziellen Beitrag entrichten und in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal am Abendmahl teilgenommen haben.

Die evangelisch-lutherische Kirche Litauens hat mit 54 Gemeinden eine deutlich kleinere Größe als die Lutheraner in den Nachbarländern. Bei der letzten Volksbefragung bezeichneten sich etwa 18.400 Litauer als Lutheraner. Die Kirche spricht bis heute regelmäßig von rund 20.000 Kirchenmitgliedern. Dies dürften aber sicher nicht tatsächliche Gemeindemitglieder sein wie die 42.000 in Lettland und die 29.000 in Estland. Geht man von den Gemeindegrößen der Lutheraner in Estland und Lettland aus, käme man auf 9-10.000 echte Mitglieder, also nur die Hälfte der bisher angegebenen Zahl.

Über viele Jahre hinweg hat unsere Kirche, die evangelisch-reformierte, von 7000 Mitgliedern im Land gesprochen. Schon seit einer Weile ist jedoch allen Verantwortlichen in der Kirche klar, dass diese Zahlen nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen (2011 bezeichneten sich 6.700 als reformierte Christen, aber auch schon damals waren viele davon nur aus einer reformierten Familie stammend, nicht Mitglied einer Gemeinde).

Im vergangenen Winter beschloss daher die Kirchenleitung, die eigene Mitgliederstatistik auf Vordermann zu bringen. Als tatsächliche Mitglieder gelten – ganz ähnlich wie bei den lettischen Lutheranern – konfirmierte Christen, die einen (frei bestimmbaren) Mitgliedsbeitrag zahlen und wenigstens einmal im Jahr am Abendmahl teilnehmen (wie in Lettland wird auch in Litauen die Teilnahme bei Lutheranern und Reformierten registriert). Das Ergebnis lag pünktlich zur Synode im Juni vor: Gerundet kann nun von 900 refomierten Gemeindemitgliedern gesprochen werden; insg. weiß die Kirche von 1.700 reformierten Christen im Land (meist einst Getaufte, häufig auch Konfirmierte, die sich aber zu keiner Gemeinde mehr halten). Dies sind deutlich nüchterne, dafür aber ehrliche Zahlen, die die Wirklichkeit besser als bisher wiederspiegeln.

Lettland und Estland sind historisch protestantisch geprägt, Litauen war ab etwa 1700 ein weitgehend katholisches Land. So sind auch andere evangelische Kirchen und Gemeindeverbände im Norden des Baltikums besser aufgestellt. Die Baptisten sind mit jeweils gut 6.000 Mitgliedern in Estland und Lettland deutlich stärker vertreten als in Litauen, wo es innerhalb und außerhalb des Baptistenbundes weniger als eintausend Mitglieder gibt. Freie Christen und Methodisten bringen es jeweils auf einige Hundert Mitglieder.

Recht stark sind in Litauen die Siebten-Tags-Adventisten (um die eintausend Mitglieder). Der charismatisch geprägte Bund evangelischer Gemeinden Litauens, mit dem unsere Kirche freundschaftlich verbunden ist, kommt auf etwa 1.500 Mitglieder in rund 30 Gemeinden. Eine ähnliche Größe dürfte der litauische Pfingstbund haben. Insgesamt zählen alle Evangelischen zusammen deutlich unter 20.000 und damit rund etwa 0,7% der Gesamtbevölkerung. – Der Anteil der Evangelischen ist in Litauen somit einer der geringsten in ganz Europa. Litauen ist und bleibt daher Missionsland!

(Bild o.: in der reformierten Kirche in Biržai, auch Tagungsort der Synode)