Familienfeier: Konfirmation und Taufe

Familienfeier: Konfirmation und Taufe

In diesem Jahr wird die evangelische Konfirmation 480 Jahre alt. Ihre Anfänge gehen zurück auf die Ziegenhainer Kirchen- bzw. Zuchtordnung (Ordnung der christlichen Kirchenzucht im Fürstentum Hessen) aus dem Jahr 1539. Damals wurde in Deutschland noch nicht zwischen Lutheranern und Reformierten unterschieden. Hessen-Kassel ging erst 1605 eindeutig zur reformierten Prägung des evangelischen Glaubens über. Es ist aber kein Zufall, dass reformierte Glaubensväter wie Martin Bucer den Anstoß zur Konfirmation gaben. (Einen guten Überblick zu Bucer, seinem Wirken und dem Anlass zur Konfirmation gibt hier Thomas Jeising vom Bibelbund.)

Bucer hatte wie die meisten anderen Reformatoren an der Kindertaufe festgehalten. Er sah aber auch in Straßburg und anderswo, dass die Anliegen der Täufer in vielen Punkten berechtigt waren.  Die Taufe von Säuglingen allein genügt nicht, so Bucer. Nötig ist ein persönliches Glaubensbekenntnis im reifen Jugendalter, das einen ernsten Willen zu einem bewussten christlichen Leben ausdrücken soll.

Im 20. Jahrhundert äußerte sich auch Karl Barth in diese Richtung. „Die Kindertaufe schreit geradezu nach einer solche Ergänzung“, so der reformierte Theologe.  Es geht bei der Konfirmation darum, dass die einst Getauften „in die Lage versetzt werden, verantwortlich dazu Stellung zu nehmen und also verbindlich zu erklären, dass sie selber und von sich aus Christen sein möchten“. Daher gilt: „Wer die Kindertaufe bejaht, darf die Konfirmation auf gar keinen Fall bagatellisieren.“ (Kirchliche Dogmatik, IV,4 )

Nach evangelischem Verständnis ist die Konfirmation kein Sakrament. Die katholische Firmung hingegen stärkt durch sakramentale Gnade Glauben, der schon seit der Taufe vorhanden ist. Nach reformierter Theologie sind Getaufte zwar schon Mitglied der Kirche, der die glaubenden Eltern angehören, doch der eigene Glaube  muss erst noch gewonnen werden.  Ein wichtigstes Mittel hierzu ist der Konfirmandenunterricht.

In der Ziegenhainer Zuchtordnung heißt es zur Konfirmation, dass „die Ältesten der Kirche samt den Dienern des Wortes“ es so einrichten sollen, „dass alle Kinder, wenn sie des Alters wegen fähig sein können, zu dem Katechismus-Unterricht geschickt werden.“  Die Ältesten und Prediger sollen auch darauf achten, „dass die Kinder, die nun durch den Katechismus-Unterricht im christlichen Verständnis so weit gebracht sind, dass man sie billig zum Tisch des Herrn zulassen sollte, auf ein hohe Fest wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten vor aller Gemeinde den Pfarrer an dazu verordnetem Ort von ihren Eltern und Paten vorgestellt werden; dabei sollen die Ältesten und alle anderen Diener des Wortes um ihn stehen. Da soll der Pfarrer diese Kinder über die wichtigsten Stücke des christlichen Glaubens befragen. Und nachdem die Kinder darauf geantwortet, sich da auch öffentlich Christus dem Herrn und seiner Kirche ergeben haben, soll der Pfarrer die Gemeinde vermahnen, den Herrn für diese Kinder um Beständigkeit und Mehrung des heiligen Geistes zu bitten und solches Gebet mit einem Kollektengebet beschließen. Nach dem allen soll dann der Pfarrer diesen Kindern die Hände auflegen und sie so im Namen des Herrn konfirmieren und zu christlicher Gemeinschaft bestätigen, sie darauf auch zum Tisch des Herrn gehen heißen, mit angehängter Vermahnung, sich im Gehorsam des Evangeliums treulich zu halten und christliche Zucht und Strafe von allen und jeden Christen, vor allem aber von den Seelsorgern allezeit gutwillig aufzunehmen und ihren gehorsam Folge zu leisten.“

Martin Luther sah mit recht großer Skepsis auf diese neue Einrichtung in Hessen; der Reformator sah in der Konfirmation eine indirekte Abwertung der Taufe – wozu müsse diese noch ergänzt werden? Dennoch setzte sich die Konfirmation als sinnvolle pädagogische Einrichtung nach und nach auch bei den Lutheranern durch.

Unsere beiden ältesten Kinder, Isabelle (geb. 1998) und Benjamin (geb. 2000) wurden am vergangenen Pfingstsonntag in der reformierten Gemeinden in Vilnius konfirmiert. Über einige Jahre hinweg war Holger zuvor mit ihnen den Glaubensgrundkurs „Christsein entdecken“ (Christianity Explored) durchgegangen. Es folgten der New City-Katechismus, der seit 2015 auf Litauisch vorliegt, sowie Teile von Timothy Kellers The Reason for God (der Bestseller des Pastors aus New York wurde auch in die litauische Sprache übersetzt). Im vergangenen halben Jahr nahmen Benjamin und Isabelle meist am Sonntagmorgen per „Skype“ am Konfirmandenunterricht mit Pfarrer Raimondas Stankevičius aus Vilnius teil. Von ihm wurden sie u.a. in die  Ordnungen der Kirche eingewiesen.

Bis Ende 2008 waren wir Mitglied der Freien christlichen Gemeinde in Šiauliai waren, die lange zum Baptistenbund gehörte und ebenfalls nur die sog. Glaubenstaufe (von Erwachsenen bzw. Jugendlichen) praktiziert. Daher ist keines unserer Kinder im Säuglingsalter getauft worden. Da wir auch nicht das lutherische Taufverständnis haben, das die Taufe bei (Klein)Kindern als unbedingt durchzuführen ansieht, haben wir dann in der reformierten Kirche dies den Kindern selbst zur Entscheidung überlassen. Vor dem eigentlichen Konfirmationssegen, den unser Generalsuperintendent Tomas Šernas durchführte, wurden Isabelle und Benjamin daher getauft. In den reformierten Kirchen befinden sich keine Taufsteine, so dass die Taufe durch Besprengen mit einer großen Schale durchgeführt wird.

Traditionell wird in den beiden evangelischen Kirchen zu Pfingsten konfirmiert. Allgemein sind die Zahlen der Konfirmanden in den letzten Jahren jedoch stark zurückgegangen. In Vilnius kamen in diesem Jahr nur zwei zusammen, in den größten Gemeinde in Biržai empfingen nur ein halbes Dutzend junge Menschen den Segen des Ortspfarrers. Hier und da werden auch noch Erwachsene konfirmiert – Neuzugänge, die früher der katholischen Kirche oder anderen evangelischen Gemeinden angehörten (wobei reformierte und lutherische Kirchen ihre Konfirmationen gegenseitig anerkennen), oder ältere reformierte Christen, die in der Sowjetunion nicht konfirmiert werden konnten. In der reformierten Kirche sind Konfirmanden in der Regel etwa sechzehn Jahre alt,  bei den Lutheranern deutlich jünger, vierzehn oder dreizehn.

Die lutherische Kirche gab vor einigen Jahren ihr Konfirmandenbuch (Konfirmantų knyga) heraus. In … Kapiteln wird darin ein Überblick zur lutherischen Lehre gegeben. Unsere reformierte Kirche hat ihrer Jugend und neuen Mitgliedern noch nichts dergleichen zu bieten. Daher werde wir die Übersetzung von John Stotts Your Confirmation (in deutsch erschienen als Unser christlicher Glaube) in Angriff nehmen. Es ist allgemeiner gehalten als das lutherische Konfirmandenbuch, d.h. es kann auch ohne Probleme von anderen Kirchen benutzt werden. Stotts evangelikaler Glaube wird im Buch deutlich, er bleibt dabei aber im traditionellen Rahmen, behandelt die Zehn Gebote, Sakramente usw. Die Kirchenleitung hat dies Projekt genehmigt; die Lippische Landeskirche wird es voraussichtlich unterstützen.

Unsere beiden Großen haben auch ohne diese Bücher ausreichend Informationen erhalten, aber sie sind natürlich in gewisser Weise privilegiert. Wir sind sehr dankbar, dass sie – wie im Fall Isabelles – nach einigem Zögern und so mancher Skepsis gegenüber dem Glaubens selbstverantwortet diesen Weg nun gehen. Benjamin  wird wohl ab Herbst in Vilnius an einer Fachhochschule studieren und dann vor Ort in der reformierten Gemeinde sein. Ende Juni beendet Isabelle in Šiauliai ihre zweijährige Ausbildung als Innenraumgestalterin und wird anschließend ein Freiwilliges soziales Jahr (FSJ) in Deutschland ableisten.

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Taufe

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Isabelle bei der Lesung der Zehn Gebote

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Konfirmationssegen

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Erster Abendmahlsempfang

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Giedrius (Leiter des Kirchenvorstandes) und seine Frau Rūta gratulieren im Namen der Gemeinde

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Benjamin und Isabelle zwischen Ortspfarrer Raimondas und Generalsuperintendent Tomas

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Ludvic singt im Gemeindechor

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Familienfoto

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Mit Gästen und Gottesdienstbesuchern