Wer sind die geringsten Brüder?

Wer sind die geringsten Brüder?

Vor einigen Tagen kritisierte die Leitung der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) in einem offenen Brief das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. In „Warum die migrationspolitische Abschottung Europas ein Irrweg ist. Ein Zwischenruf zur aktuellen Flüchtlingspolitik“ heißt es:

„Die europäische Identität, Europas ‘Seele’, war bisher mit einer klaren humanitären Haltung und einem Bekenntnis zu den Menschenrechten existenziell verbunden. Das ist durch die Vereinbarung mit der Türkei in Frage gestellt. Europa droht seine humanitäre Identität zu verlieren! Als Christinnen und Christen in evangelischen Freikirchen sind wir der Überzeugung, dass es für Europa unverzichtbar ist, Menschen in ihrer existenziellen Not Schutz zu bieten.“

Am Schluss fordern die Kirchenleiter, „dass die einzelnen europäischen Nationalstaaten und die Staatengemeinschaft in Europa sich beherzt den Menschen in Not öffnen und mehr Verantwortung übernehmen, um der bedrohten Menschen und der eigenen Humanität willen. Abschottung und nationaler Egoismus sind für uns keine Optionen europäischer Identität. Wir wollen mit unseren Gemeinden und Möglichkeiten den Menschen in Not helfen, weil wir uns verpflichtet wissen durch das Wort Jesu: ‘Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.’ Matthäus 25,40“.

Auch in der Einleitung der Gerechtigkeitsbibel wird im ersten Satz Matthäus 25,40 zitiert. Offensichtlich wird an die Rede vom Weltgericht in Mt 25 angeknüpft, wenn es ein paar Absätze später heißt: Jesus „sagt, dass wir in den Hilfsbedürftigen ihn selbst erkennen können… Wenn wir heute in ein hoffnungsloses Gesicht in der Fußgängerzone sehen oder Bilder von Menschen in Flüchtlingslagern – wir sehen Jesus.“

Tobias Faix, einer der Mitherausgeber der Gerechtigkeitsbibel, schreibt im Vorwort vom gerade erschienenen Schrei nach Gerechtigkeit: „Jesus identifiziert sich in seiner großen Rede vom Weltgericht ganz praktisch mit den Ausgegrenzten und Entrechteten, wenn er sagt: ‘Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht’ (Mt 25,42). Das fordert uns heraus und stellt unser Leben, unser Handeln und unsere Gottesbeziehung infrage. Hören wir die Schreie der Unterdrückten noch? Oder sind wir zu sehr mit den Stimmen der Konsumgesellschaft beschäftigt?“

Faix gibt also zu verstehen, dass die „geringsten Brüder“, mit denen Jesus sich identifiziert, die Ausgegrenzten und die Entrechteten sind. Weiter heißt es im Vorwort:

„Papst Franziskus hat in seiner historischen Rede im Washingtoner Kapitol [Sept. 2015] die amerikanischen Politikerinnen und Politiker ermahnt, in den Flüchtlingen nicht nur eine wirtschaftliche oder kulturelle Herausforderung zu sehen, sondern in jedem einzelnen einen Menschen, ja eine Schwester oder einen Bruder zu erkennen. Dabei greift er auf das Gleichnis vom Weltengericht zurück. Dort wird deutlich, dass wir in den Hungernden, Dürstenden, Fremden, Nackten, Kranken und Gefangenen Jesus selbst begegnen (Mt 25,31-46). Die Gottesebenbildlichkeit, die uns von der Schöpfung her zuerkannt ist, gilt allen Menschen – nicht nur den Gesunden, sondern auch denen, die hungrig, durstig, nackt, fremd, krank oder gefangen sind.“

Christen in Not

Die „geringsten Brüder“ sind die Armen – und zwar alle Hilfsbedürftigen. Diese Ansicht ist heutzutage recht weit verbreitet. Auf Mt 25,31f nahm z.B. auch der damalige internationale „Compassion“-Leiter Wess Stafford im Film „58“ bezug: Die „entscheidende Botschaft“ des Abschnitts, die Jesus uns mitteilen will: „die Armen bedeuten mir wirklich etwas“; „Hier geht es um die Armen [also alle Armen] und wie extrem wichtig sie für mich sind“; „Wenn es um die Armen geht, müssen wir etwas tun.“

Diese Aussagen erweisen sich jedoch in der vorgebrachten Eindeutigkeit und Pauschalität als überzogen, und das ist noch milde ausgedrückt. Es geht in der Rede vom Weltgericht nicht um die Armen als solche, sondern „die geringsten Brüder“ sind höchstwahrscheinlich eben genau dies: Gläubige in Not. Jesus wollte in dem Abschnitt sicher nicht zu einem allgemeinen Aktivismus gegen alle Formen der Armut aufrufen.

Adolf Schlatter meinte: „Wir dürfen nicht sagen, diese Brüder Jesu seien nur die Jünger oder die Christenheit“ (Das Evangelium nach Matthäus). Und auch Eduard Schweizer sieht im Text eine „Verheißung an alle Armen“ (Matthäus, NTD). J. Jeremias und U. Wilckens äußerten sich ähnlich. Es muss aber festgehalten werden, dass von den Kirchenväter über die Reformatoren bis ins 19. Jahrhundert die Sichtweise dominierte, dass Jesus den Menschen in den Jüngern begegnet und mit den Brüdern in dem Kapitel – ganz entsprechend Mt 10,40–42 – sie gemeint sind. Auch Mt 12,49 sagt eindeutig aus, dass die Jünger Jesu die Brüder sind. Erst im 20. Jahrhundert kamen zahlreichere Stimmen wie die oben genannten auf. Nicht zuletzt Mutter Teresa erhob immer wieder die Forderung, man solle Jesus in jedem Menschen und vor allem in den Armen erkennen.

Interessant ist auch die Parallele zu 1 Kor 4,9f: „Denn ich denke, Gott hat uns Apostel als die Allergeringsten hingestellt… Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst und Blöße und werden geschlagen und haben keine feste Bleibe… Wir sind geworden wir der Abschaum der Menschheit, jedermanns Kehricht, bis heute.“ Die Aufzählung hier entspricht fast wörtlich der Aufzählung in Mt 25: „Ich bin hungrig…, durstig…, ein Fremder…, nackt…, krank…, im Gefängnis gewesen…“.

Gerhard Maier resumiert: „Mit J.A. Bengel, K.F. Harttmann u.a. ist deshalb daran festzuhalten, dass es sich bei den ‘Brüdern’ in Matth 25,40 wirklich um die Jünger Jesu handelt.“ (Matthäus-Evangelium 2. Teil) Schon Theodor Zarn hielt in seinem Kommentar zu Matthäus fest: „Mit Jüngern Jesu sind die zu Richtenden in Berührung gekommen“. Der reformierte Pastor und Autor Kevin DeYoung: Die „geringsten Brüder“ bezieht sich „auf Christen in Not, und in besonderer Weise auf wandernde christliche Lehrer, die auf Gastfreundschaft der Glaubensfamilie angewiesen sind“ (What Is the Mission of the Church?).

Schließlich im Bibelkommentar von Moyter und Guthrie über die Identität der Brüder: „Damit sind Israel und die Glaubenden in der Trübsalszeit gemeint…“ Diese Sicht wird bekräftigt von evangelikalen Exegeten wie D.A. Carson, C. Keener, R.T. France u.a. Auch Die Bibel in heutigem Deutsch mit Erklärungen („Die gute Nachricht“) von 1983 erklärt zu Mt 25,31f: „Die Stellen 10,40-42; 12,48-50; 28,10 legen nahe, an die Jünger Jesu zu denken, die in der ganzen Welt die Verkündigung auszurichten haben (24,14; 28,18-19) und weltweit verfolgt und misshandelt werden (24,9).“

Interessanterweise sprach ja auch der Papst in Washington im Zusammenhang von Mt 25 von Schwestern und Brüdern; in gewisser Weise bestätigt dies diese hier geschilderte Lesart: die dort Genannten sind Christen in Not, nicht alle Armen und Unterdrückten. Nur erweitert Franziskus die Gruppe der Schwestern und Brüdern auch auf Jesus nicht bekennende Menschen. Dazu gleich mehr.

Bevorzugte Option für die Armen?

Jeder Mensch als Ebenbild Gottes spiegelt in gewisser Weise den Schöpfer wider. Auf diese Gottesebenbildlichkeit wird in den zitierten Büchern gerne hingewiesen. Natürlich gilt sie allen Menschen. Warum wird dann aber daraus gefolgert, Gott identifiziere sich in besonderer Weise mit den Armen? Es stimmt, Gott stellt sich in mancher Hinsicht vor allem an die Seite der Notleidenden, weil sie Opfer von Unrecht, Verfolgung und Gewalt wurden. Es ist jedoch noch ein logischer Schritt von Hilfe und Beistand zur besonderen Identifikation. Und noch ein weiterer Schritt ist es, aus so einer Identifikation gar konkrete Handlungsanweisungen für die Politik abzuleiten.

Gott identifiziert sich in besonderer Weise nur mit seinem Volk, Christus nur mit seinem Leib, der Kirche. Das heißt natürlich nicht, dass ihm die Armen, alle Armen, egal wären. Jesus leidet mit den Leidtragenden, Verfolgten und Gequälten auf der ganzen Welt. Christen haben sich deshalb gegen „jede Form der Unterdrückung“ (Lausanner Verpflichtung, 5) und für Linderung von Not einzusetzen. Doch die theologische Überfrachtung der Armenhilfe ist unnötig. Sie ist, so scheint es, nun aus der Befreiungstheologie und der These von einer „[bevorzugten] Option für die Armen“ (oder der „Vorrangstellung der Armen“) in die evangelikale Bewegung eingesickert.

(Dies ist natürlich vor allem ein ‘Verdienst’ von Jim Wallis, der z.B. in Die Seele der Politik behauptet, sie sei „offenkundig“. Warum wurde das Offensichtliche dann in der Vergangenheit nicht gesehen? Hier muss Wallis auf Verschwörungstheorien zurückgreifen: die Vorrangstellung der Armen sei zu einem „bestgehüteten Geheimnis“ gemacht worden, das erst nun „gelüftet“ wird. Belege für diese steile These wie so oft bei Wallis – Fehlanzeige.)

Daher muss eindeutig festgehalten werden: Es gibt keine klare biblische Begründung für die kategorisch formulierte Aussage, dass wir tatsächlich in jedem Armen Jesus sehen. Zwar hören wir heute oft wie schon mehrfach von Papst Franziskus, dass Gott in jedem Menschen sei, er in jedem zu finden sei und wir ihn dann natürlich dort auch sehen können, doch ich wage zu bezweifeln, dass das Wort Gottes uns so eine eindeutige Zusage macht.

Bruder in Christo

Es gibt auch keine klare biblische Begründung für die Aussage, alle Menschen seien unsere Brüder und Schwestern wie im Zitat des Papstes. Hier sei nur Kurt Hennigs Beitrag aus „idea“ (3/1982) zitiert:

„Bruder ist Bruder in Christus und sonst niemand. ‘Ihr sollt nicht mit einem zu schaffen haben, der sich läßt einen Bruder nennen und ist ein Unzüchtiger oder ein Geiziger oder ein Götzendiener… ’ (1 Kor 5, 11). In diesem Sinne wird der Begriff auch in Röm 14, 10 verwandt oder in 1 Kor 15, 6; 2 Kor 11, 26 (‘falsche Brüder’, vgl. Gal 2, 4); dann Gal 6, 18; Phil 4, 1; 1 Thess 4, 6; 2 Thess 3, 15 usw. Die übrigen neutestamentlichen Schriften bestätigen, soweit sie den Bruderbegriff verwenden, daß es keine Ausnahme von der Regel gibt: Bruder ist ‘Bruder in Christo’, oder es ist eben kein Bruder, sondern – und dies ist keineswegs dasselbe! – es ist ein Nächster. Der Nächste ist jeder; Bruder ist nur der Bruder im Glauben und in der Gemeinschaft der Gläubigen. Diesen dezidierten Gebrauch des Begriffs ‘Bruder’ belegen beispielsweise noch 1 Pt 2, 17; 3, 3; 1 Joh 2, 9 und laufend im 1 Joh; Heb 13, 1; Off 1, 9; 6, 11 usw. In 2 Pt 1, 7 wird dabei die brüderliche Liebe und die allgemeine Liebe zu allen Menschen betont unterschieden.“

In Deutschland mangelt es inzwischen nicht mehr an evangelikalen Ausbildungsstätten mit Hochschulstatus – die vom Verband des VEF-Präsidenten Ansgar Hörsting gehört auch dazu. Demnach sollte das theologische Wissen allen Ortens zunehmen, doch offensichtlich wird nur zu oft im Umgang mit Gottes Wort geschludert. Und dabei geht es um wichtige Fragen, nämlich wozu wir als Christen wirklich verpflichtet sind. Hier sind von Kirchenleitern und für die theologische Lehre Verantwortlichen sorgfältige  Begründungen zu erwarten.

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

Auch die Leiter der VEF sollten sich endlich an ihre sozialethischen Hausaufgaben setzen. Es genügt eben nicht, einzelne Bibelverse einzustreuen und sich sonst auf Sätze wie „Menschen in ihrer Not Schutz zu bieten, muss eine Selbstverständlichkeit sein“ zurückzuziehen. Dies wird nur Gähnen bei allen Verantwortlichen in der Bundesregierung auslösen.

Lernen könnten Hörsting, Wenner und Jörgensen von Richard Schröder, Theologieprofessor und langjähriges Bundestagsmitglied (für die SPD). Jüngst in der „Welt“:

„Die Kirchen können von ihren Mitgliedern mehr Barmherzigkeit verlangen. Von Barmherzigkeit, vom Herz für die Elenden kann es nicht genug geben. Der Staat aber darf nicht barmherzig sein. Der Staat muss gerecht sein. Er hat nach Regeln zu handeln und er hat die Folgen zu bedenken. Der Barmherzige fragt nicht viel, er hilft. Er sieht in die Augen der Kinder von Idomeni und sagt, “Kinderaugen lügen nicht”, und will sie hierher holen. Den Politiker mögen die Kinderaugen genauso rühren, er aber muss fragen: Was passiert, wenn ich heute 10.000 Menschen hierherhole? Dann nämlich sind morgen weitere 10.000 Menschen da, die auch nach Deutschland wollen. Kurzum: Wenn der Staat barmherzig wäre, wäre er korrupt, denn er würde Ausnahmen machen. Der Barmherzige darf das.“

(Schröder gibt hier Gedanken wieder, die schon eineinhalb Jahrhunderte zuvor Frédéric Bastiat [1801–1850] formulierte, hier mehr.)

PS: Ein Nachtrag am 13. Juni. „SMD transparent“ Nr. 2/2016 ist der Flüchtlingsthematik gwidmet. Prof. em. Hermann Sautter, 2002–2013 Vorsitzender der SMD, ordnet dort in einem ersten Artikel („In der Klemme!“) die Flüchtlingssituation in Deutschland ein. Eingangs heißt es, dass „die relevante Frage“ laute, was „Recht und Moral“ gebieten und was „politisch machbar und geboten“ sei. Sautter lobt „die Humanität des deutschen Sonderweges“; dieser Weg verdiene „unsere Anerkennung“.  Der von der Kanzlerin „verfolgte Kurs ist ein seltenes Beispiel dafür, wie christliche Überzeugungen umgesetzt werden in praktizierte Politik. ‘Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich beherbergt’, spricht Christus, der Weltenrichter, am Ende der Tage (Matth. 25,35). Die Echtheit des christlichen Glaubens ist auch daran zu messen, ob er umgesetzt wird in einer praktizierte Willkommenskultur und Willkommenspolitik für Flüchtlinge.“

Sautter schildert dann, dass unsere christliche Identität vor allem im Jenseits liegt, wir auch dort verwurzelt sind und unsere Loyalität „für unser Land“ mit „Weltoffenheit“ einher gehen muss. Er nennt den Aspekt der Mission und schildert anschließend die „realpolitischen Bedenken“: „Eines ist jedenfalls sicher: Deutschland kann nicht jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen und ‘integrieren’. […] Deutschland steht deshalb vor der schwierigen Aufgabe, seine Aufnahmebereitschaft zu begrenzen.“ Ein paar Sätze weiter: „Verantwortungslos wäre aber auch in unzähligen Fällen eine Zurückweisung von Flüchtlingen.“ Sautter sieht ein Dilemma, aus dem es auch kein rechtes Entkommen gibt. Dem Dilemma sei sich zu stellen und letztlich der „Weg des geringsten Übels zu wählen“.  Sautter endet mit einem Blick auf Christen und Gemeinden und zitiert noch einmal den Vers aus Matthäus, anschließend sein letzter Satz: „Er begegnet uns tausendfach in den Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind und noch kommen werden.“

Mt 25 verpflichtet also die in Regierungsverantwortung und die Christen in Gemeinden. Ist das die Beantwortung der „relevanten Frage“ nach Moral und Recht? Wenn uns Jesus, der Herr, tatsächlich „tausendfach“ in den Flüchtlingen begegnet, dann hätten Christen tatsächlich die geradezu absolute Pflicht, alles in ihrer Kraft stehende zu tun, um ja nicht ihren Herrn tausendfach zurückzuweisen. Nun glaube ich aber nicht, dass uns die Verse in Mt 25 wirklich dazu verpflichten, und die Herrschenden in Regierungen schon gar nicht. Was ist ihnen denn moralisch geboten? Was sollen sie in der Situation wirklich tun? Ist eine Regierung moralisch verpflichtet, möglichst so viele Asylsuchende/Flüchtlinge/Migranten/Einwanderer zu integrieren, wie bis zur Grenze der „schwerwiegenden inneren Verwerfungen“ möglich ist? Wenn Jesus in dem „Fremden“ (Flüchtling?) erkannt wird, wäre das doch konsequent.

Ich kann nicht erkennen, dass es Sautter geglückt wäre, die Brücke zu schlagen von biblischen Normen über klar begründete sozialethische Prinzipien hin zu unserer aktuellen Problemsituation. Was soll ich als politische Verantwortlicher tun? Wozu bin ich von Gott verpflichtet? Was wird mir denn biblisch wirklich geboten? Merkels Entscheidung vom vergangenen Sommer kommt gut weg, aber warum eigentlich? Ich würde gar nicht bezweifeln, dass sich die Kanzlerin vom Glauben motiviert sah. Aber hätte sie auch anders entscheiden können? Nehmen wir an, Seehofer hätte sich durchgesetzt – und damit dann die realpolitische Seite gegen die moralische? Und haben etwa die Österreicher mit ihrer Grenzschließung weniger christlich oder gewiss nicht „aus christlicher Überzeugung“ gehandelt?