Beim „Super“ und im Land der Seen

Beim „Super“ und im Land der Seen

Ausflüge der ganzen Familie in den Osten Litauens sind immer etwas besonderes. Schließlich ist Vilnius über 200 Kilometer entfernt. Für Benjamin mussten wir am 25. Juli einen neuen deutschen Pass beantragen und dafür beide Elternteile in der Botschaft erscheinen. Die Formalitäten dort sind schnell erledigt. Vorbei sind ja auch zum Glück die Zeiten, als sich an der Visa-Abteilung riesige Schlangen bildeten – seit über zehn Jahren brauchen Litauer für die Bundesrepublik kein Visum mehr.

In Vilnius schlenderten wir noch über den Gediminas-Prospekt, die Prachtstrasse der Hauptstadt, benannt nach dem Gründer der Stadt und der ersten litauischen Fürstendynastie. Der Prospekt führt bis zur Kathedrale mit ihrer klassizistischen Fassade. Daneben steht nun der wiederaufgebaute Fürstenpalast aus dem 17. Jahrhundert. Das gerade eröffnete Museum darin werden wir ein anderes Mal besuchen. Dahinter schliesst sich der Burghügel mit dem Gediminas-Turm an, nun wie historisch ganz ohne Bäume am Hang. Auf dem Turm wurde 1988 zum ersten Mal nach Jahrzehnten Verbot die litauische Trikolore gehisst.

Anschließend ging es auf den inzwischen gut ausgebauten Ausfallstraßen gen Norden, zuerst zum geographischen Zentrum Europas. Viel zu sehen gibt’s dort nicht, aber wenn man schon mal vorbei kommt…

Viel interessanter: der Hügel von Dubingiai, eine knappe Autostunde nördlich von Vilnius. Dubingiai liegt malerisch am längsten litauischen See (etwa 22km, s. Foto o.), auf der alten Burganlage stehen nun alte Baumriesen. Vor vierhundert Jahren war das heutige kleine Kaff ein Zentrum der Refomierten, und die protestantische Linie des Fürstengeschlechts der Radvila ist nach Dubingiai benannt. Auf dem Hügel stand eine ev.-refomierte Kirche, die im Rahmen der Gegenreformation im 18. Jahrhundert schließlich ganz verfiel. Heute sind nur noch die Mauern des Gebäude markiert, und in einer Gruft unter der Kirche haben einige der Fürsten ihre letzte Ruhe gefunden. Auf dem grossen Gedenkstein über der Gruft werden die Radvila in höchsten Tönen gelobt, kein Wort jedoch davon, dass sie evangelischen Glaubens waren…

Weiter fuhren wir durch das Land der Seen im Kreis Molėtai bis zum Sommerhaus von Familie Šernas, geradezu versteckt im Dickicht. Tomas Šernas ist seit 2010 Generalsuperintendent der reformierten Kirche Litauens und damit oberster Geistlicher von einem Dutzend Gemeinden. Mit dem Präsidenten des Konsistoriums (immer ein Laie) bildet der Vilniuser Pfarrer die Doppelspitze der Kirche. Der erste Beruf des 1962 Geborenen ist Tiermediziner (nach seinem Wehrdienst arbeitete Šernas eine Weile im Zoo von Kaunas). Ganz Patriot meldete er sich Anfang 1991 als einer der ersten zum Dienst beim Zoll des jungen Staates Litauen. Als am 31. Juli eine russische Spezialeinheit den litauischen Grenzposten bei Medininkai überfiel und ein Massaker anrichtete, überlebte Šernas schwerverletzt als einziger. Die für den nächsten Tag (!) geplante Hochzeit wurde um 699 Tage verschoben. Über 20 Jahre ist Šernas nun an den Rollstuhl gebunden, konnte aber Dank intensiver Rehabilitation 1997 ein Studium der ev. Theologie in Klaipėda beginnen. 2001 ordinierte die reformierte Kirche ihm zum Diakon, ein Jahr später zum Pfarrer. Seitdem wohnt und arbeitet der Vater von Tochter Gertrūda mit Frau Rasa (einer Musiklehrerin) in Vilnius. Wegen seiner demütigen, freundlichen, humorvollen und offenen Art ist der Geistliche in Gemeinde und Kirche sehr beliebt. Im Land ist er sicher der bekannteste Evangelische, mit seinen zahlreichen Auszeichnungen zweifellos auch der angesehenste.

Unsere Kinder tobten über den Hof und badeten im Teich, wir Eltern tauschten uns mit Ehepaar Šernas über Aktuelles in der Kirche aus und lernten uns besser kennen. Rima berichtete von ihren Erfahrungen in der Bibelstunde in Šiauliai. Tomas wie Rasa drückten den Wunsch aus, wir sollten doch nach Vilnius oder Kaunas ziehen.

Am folgenden Tag schauten wir noch kurz bei der Sternwarte von Molėtai und in der Kreisstadt selbst vorbei. Über Anykščiai und Panevėžys führte der Weg zurück nach Šiauliai – immer vorbei an sehenswerten Gutshöfen.

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Auf dem Gediminas-Prospekt

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Die Kathedrale von Vilnius

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Der Fürstenpalast mit Renaissance-Fassade

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Wahrzeichen der Stadt: der Gediminas-Turm

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Aufgang zum Burghügel von Dubingiai
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Reste der refomierten Kirche; unter der Granitplatte die Gruft der Radvila

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Blick auf den Asvėja-See

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Sommerhaus von Familie Šernas im Kr. Molėtai (Tomas mit Betreuer)

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Frühstück bei Familie Šernas

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Amelie, Benjamin und Ludvic

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Natur pur im Kreis Molėtai

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Ehemals jüdische Geschäftszeile in Molėtai

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Sternwarte Molėtai

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Gut Alanta, Kr. Molėtai