Slowakei, Ungarn und Portugal überholt
Vor einigen Wochen wurde der „Human Development Report 2014“ herausgegeben. Darin wird der „Human Development Index“ (HDI; deutsch Index für menschliche Entwicklung) für die einzelnen Länder dieser Welt aufgeführt. Der HDI ist ein Wohlstandsindikator für ganze Staaten und wird seit 1990 jährlich im Rahmen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) veröffentlicht.
Laut Wikipedia wurde der HDI „im Wesentlichen von dem pakistanischen Ökonomen Mahbub ul Haq entwickelt, der eng mit dem indischen Ökonomen Amartya Sen sowie dem britischen Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Meghnad Desai zusammenarbeitete.“
Der HDI beruht auf Werten für Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard. Er nimmt Werte zwischen Null und Eins an. Die Länder werden je nach HDI in Staaten mit sehr hoher (2014 bis Rang 49), hoher, mittlerer und geringer menschlicher Entwicklung unterteilt. Die Spitzengruppe ist schon einige Jahre so gut wie unverändert: Norwegen führt mit 0,944 die Reihe an (nicht zufällig das Land, in das nun viele litauische Gastarbeiter strömen), es folgen Australien, Schweiz, Niederlande, USA, Deutschland, Neuseeland, Kanada, Singapur und Dänemark.
Unter den postkommunistischen Ländern sind Slowenien (25) und Tschechien (28) am weitesten nach vorne gelangt; beide Länder rahmen gleichsam Italien und Spanien ein. Gleich nach Zypern folgt als erste Ex-Sowjetrepublik Estland auf Platz 33, das sicher noch Griechenland (29) einholen wird und es bis zum großen Nachbarn Finnland (24) auch nicht mehr weit hat.
Litauen hat ebenfalls erstaunliche Fortschritte gemacht und belegt mit Polen (beide haben einen HDI von 0,834) Platz 35. Das baltische Land liegt damit weiterhin vor Portugal (41), hat nun aber auch die Slowakei (37) und Ungarn (43) überholt. Auch Kroatien und die südlicheren Balkanländer liegen hinter den beiden baltischen Staaten Estland und Litauen (aus der Reihe tanzt hier nur Lettland auf Rang 48).
Die baltischen Staaten ernten nun die Früchte kontinuierlicher Reformarbeit. Natürlich profitieren sie auch von der EU-Mitgliedschaft, die alleine (wie Portugal und Griechenland zeigen) aber auch kein Entwicklungsgarant darstellt. Es zeigt sich nun, dass alte historische und kulturelle Bindungen sehr wichtig sind – die Balten kehren nun endlich in den europäischen und skandinavisch-baltischen Raum zurück, von dem sie 50 Jahre künstlich abgeschnitten waren. Es wird noch etwas dauern, Jahrzehnte womöglich, aber langfristig werden die Balten ähnlich leben wie viele Skandinavier. Und sie werden sicher ganz Südeuropa hinter sich lassen. (Übrigens machen zahlreiche asiatische Länder eine noch rasantere Entwicklung durch. Allein Südkoreas Fortschritt ist ja geradezu atemberaubend – und trotzdem und vielleicht gerade deswegen von so manchen ‘Nebenwirkungen’ begleitet wie einer hohen Selbstmordrate.)
Die Entwicklung des HDI zeigt schließlich die Wichtigkeit von politischen und wirtschaftlichen Institutionen. So ist der ganze Westen und Norden der Ukraine historisch eng mit Polen verbunden, aber die Ukraine liegt auf einem bescheidenen Rang 83, Welten hinter dem slawischen Nachbarland im Westen. Auch der durchgeschüttelte Balkan südlich von Slowenien hat es nicht leicht: Mazedonien auf Platz 84, und Bosnien (86) hat immer noch nicht die funktionierenden Institutionen, die das Land aufblühen lassen könnten. Hier ist auch noch Moldawien zu nennen, kulturell sehr eng mit den benachbarten Rumänen verbunden, aber Schlusslicht in Europa mit Platz 114 – irgendwo vergessen zwischen EU und dem Putin-Block. Die Balten hatten demgegenüber das Privileg, auf Mitgliedschaft in EU, Nato und Euro-Klub zusteuern zu können. Dies brachte einen großen Reformdruck mit sich. Und parallel machte man dort seine Hausaufgaben, etablierte recht stabile politische Systeme. Gerade die Ukraine braucht nun ähnliche Perspektiven, um endlich aus dem Keller steigen und zu den alten Partnern Polen und Litauen aufschließen zu können.