Die Ausstrahlung Jesu
Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wird von manchen der Social-Media-Bischof genannt. Regelmäßig postet er auf Facebook. Am 1. September nutzte er im Beisein von zwei Journalisten einen ersten Live-Video-Chat auf dem sozialen Netzwerk dazu, um mit der Social-Media-Gemeinde über Kernfragen des Glaubens live ins Gespräch zu kommen.
Bedford-Strohm schrieb vorher dazu: „Jetzt will ich das unter der Moderation von Johannes Minkus und Claudia Dinges mal versuchsweise umsetzen. Wie können wir als aufgeklärte Menschen heute überhaupt noch von Gott reden? Was soll man heute mit Kreuz und Auferstehung Jesu Christi anfangen? Woher kommt Hoffnung? Warum lässt Gott Böses zu? Stellen Sie mir diese und ganz andere Fragen zum christlichen Glauben!“
„idea“ gab einen Überblick zu dem Chat von gut einer Stunde. Bischof, Team und viele User waren allgemein zufrieden mit dem Ablauf, weshalb es weitere Live-Chats geben soll. Warum auch nicht? Tatsächlich bekommt so ein breites Publikum direkt mit, wie der oberste EKD-Repräsentant theologisch tickt.
„Was ist Erlösung?“
Eingangs wird der Bischof gefragt, ob Gott ein Geistwesen sein. Es scheint, dass dieser Begriff eine gewisse dunkle Note in Bedford-Strohm angeschlagen hat, denn er antwortet mit keinem Nein und keinem Ja. Vielmehr unterstreicht er gleich, dass Gott der ganz Andere sei, der in keine Kategorie passt und sich mit solchen Begriffen auch nicht angemessen erfassen lässt.
So kommt man schon zu Beginn ins Stutzen, denn Gott wird in der Bibel ja eindeutig als Geistwesen beschrieben, das eben keinen Körper wie die antiken Gottheiten besitzt. Wie so oft heute flieht man bei fast schon jeder Gelegenheit in eine Art theologischen Agnostizismus, macht also dort keine klaren Aussagen, wo wir sie aufgrund der Offenbarung Gottes durchaus machen können und sollten.
„Was ist Erlösung? Wovon sind wir erlöst? Welches Menschenbild steht hinter dem Gedanken der Erlösung?“ So lautet eine weitere Frage, die auf Grundlagen des Glaubens abzielt. Dies sei ein „ganz wichtiges Thema“, so Bedford-Strohm mit Nachdruck. Er sieht dahinter aber eine Art Gefühl oder eine Befürchtung, die der Bischof so umschreibt: „Wenn wir über Sünde reden, dann wird der Mensch schlecht gemacht.“ Daher betont er noch einmal, dass dies ein „ganz wichtiger Punkt“ sei, „darüber [sei] mal zu reden“.
Der Theologe unterstreicht, dass das Reden über Sünde alles andere als ein Kleinmachen von Menschen sei. Bedford-Strohm nennt Luthers Charakterisierung der Sündhaftigkeit des Menschen als „in sich selbst verkrümmt“ sein; auch die lateinische Version darf nicht fehlen. Dies ist tatsächlich eine gute Veranschaulichung des existenziellen Aspekts der Sünde; der Begriff ist verbunden mit egoistischer Selbstliebe, Blindheit und Verschlossenheit gegenüber Gott und dem Nächsten.
Bedford-Strohm gibt zu verstehen, dass der sündige Mensch nicht klein und schlecht, sondern eben in sich selbst verkrümmt ist. Letzteres klingt heute natürlich irgendwie besser. Leider hört man von dem Lutheraner nichts aus Luthers Schriften zur radikalen Verdorbenheit des Menschen und völligen Unfähigkeit der Selbstrettung. Ist in sich selbst verkrümmt sein etwa nicht „schlecht“?
Die gefallene Mensch muss erkennen, „dass sein Heil gänzlich außerhalb seiner eigenen Kräfte, Absichten, Bemühungen und seines eigenen Willens, seiner Werke liegt und ganz und gar von der Entscheidung, der Absicht, vom Willen und Werk eines anderen abhängt, nämlich Gott allein“, so Luther in Vom unfreien Willen. Erst dann ist er „vollständig gedemütigt“. Böse Zungen würden sagen: völlig klein gemacht. Der Mensch darf sich nicht einreden, „dass er auch nur ein klein wenig zu seinem Heil beitragen kann“, denn sonst „bleibt er im Vertrauen auf sich selbst und verzweifelt nicht vollständig an sich, demütigt er sich nicht vor Gott.“ In diese Richtung geht auch die 18. These der Heidelberger Disputation des Reformators: „Es ist gewiss, dass ein Mensch von Grund aus an sich verzweifeln muss, damit er geeignet wird, die Gnade Christi zu erlangen.“
An sich selbst verzweifeln? Vollständige Demütigung? Und dann auch noch in diese kategorische Sprache gepackt? Mit dem Bild vieler Kirchen als eine Art großer Selbstwertmanufaktur ist das gewiss kaum zu vereinbaren. Doch Luther würde sicher antworten: Was wollt ihr? Ich mache den Menschen nicht klein und schlecht; ich beschreibe nur die tiefe Gefallenheit der menschlichen Natur.
Luther gebraucht den Begriff „in sich selbst verkrümmt“ schon in der Römerbriefvorlesung von 1515/16. Die Selbstverkrümmung zeigt sich vor allem auch darin, dass die gefallene Natur des Menschen ihre Gottwidrigkeit nicht erkennt. Der Mensch ist mit geistlicher Blindheit geschlagen, so in Vom unfreien Willen, „dass er glaubt, er sei frei, selig, erlöst, mächtig, gesund und lebendig.“ Daher ist das Gesetz Gottes gegeben, „um dem Menschen sein Elend offenbar zu machen“. Die Unfähigkeit zum vollkommenen Gehorsam soll ihn zur Erkenntnis seiner selbst führen, um die so „Zerbrochenen und Verwirrten zur Gnade zubereiten und zu Christus zu schicken“.
„Wie groß meine Sünde und mein Elend ist“
Kommen wir nun zur Antwort des Bischofs auf die Frage, was Erlösung ist: „Erlösung heißt, dass wir durch diesen tiefen Glauben, dass Gott mich annimmt – mit meinen dunklen Seiten, mit all dem, womit ich mich immer wieder von Gott entferne; dass ich bedingungslos angenommen bin; dass ich in einem tiefen Frieden mit mir selbst und Gott leben darf.“
Bedford-Strohm sagt hier sicher viel Wahres, doch es fehlt der nüchterne Unterbau, die knallharte Analyse Luthers; es fehlt im Zusammenhang der ganzen Frage (zu der eben auch „wovon sind wir erlöst?“ gehört) die Spannung von Gesetz und Evangelium. Der Bischof springt gleichsam direkt hinein in das Evangelium und vor allem seine Folgen (Frieden mit Gott) und überspringt das Gesetz; oder mit dem Heidelberger Katechismus gesprochen: Teil 1 über das „Elend“ des Menschen (Luthers Verzweiflung) wird ignoriert und gleich zum ‘netteren’ Teil 2 von der Rettung des Menschen übergegangen. Frage 2 über das, was man wissen „muss“ (!), um den Trost des Evangeliums zu genießen, nennt jedoch an erster Stelle: „Wie groß meine Sünde und mein Elend ist“.
Der Bischof drückt sich als Theologe auch in einem Live-Chat natürlich gewählt aus und präsentiert kein simples „Ich bin okay, so wie ich bin“-Evangelium (hier mehr), aber die Zuhörer werden die Unterschiede wohl eher nicht bemerken. Schließlich klang der Kern der Guten Nachricht auch bei Vorgänger Nikolaus Schneider schon so: „Du bist ein von Gott geliebter Mensch… Gott ist in allen Höhen und Tiefen des Lebens an deiner Seite.“
Gott und der Tsunami-Knopf
Eine weitere Frage der User zielt auf den Kern des Christentums: „Was soll man heute mit Kreuz und Auferstehung Jesu Christi anfangen?“ Bedford-Strohm bekräftigt, dass Kreuz und Auferstehung das „Zentrum des Glaubens“ sind, ihretwegen ist er Christ. Sogleich umreißt er sein Gottesbild und betont: Gott führt die Welt nicht wie Marionetten; er ist auch nicht solch ein Gott, „der auf einen Tsunami-Kopf drückt und sagt: nun möchte ich mal ein bisschen Flut sehen“. An diesen Gott glaubt er keinesfalls. „Ich kann nichts mit einem fernen Gott anfangen“, so Bedford-Strohm. Jesus ist für ihn vor allem „ein Gott, der uns unheimlich nahe ist“.
Was soll man mit solch einer Theologie anfangen? Sicherlich ist Gott uns in Jesus in besonderer Weise nahe gekommen. Aber bedeutet das im Rückschluss, dass wir mit einem nichtinkarnierten Gott nichts anfangen können? Bekanntlich ist Jesus auf Erden nicht der einzige Gott und das Einzige, was wir vom dreieinen Gott sagen können. Warum wischt der Bischof den Schöpfer, Erhalter und Lenker der Welt mal eben so vom Tisch – und das in diesem Ton?
Natürlich können wir begrenzten Menschen mit einem allmächtigen und transzendenten Gott in gewissem Sinne weniger anfangen als mit einem Zimmermann aus Galiläa. Aber was soll das konkret heißen: An diesen transzendenten Gott keine Gebete mehr richten? Sich nur noch an Jesus wenden (der nun aber auch im Himmel ist)? Dass Gott in Jesus in besonderer Weise nahe gekommen ist, bedeutet doch keineswegs, dass der ferne Gott abzulehnen sei. Ist es nicht vielmehr so, dass Gott uns bis zur Vollendung des Heils in der Zukunft und im Jenseits wegen der bleibenden Sünde immer ein Stück weit fern bleiben wird?
Es scheint, dass Bedford-Strohm hier populäres Denken bedient und die Allmacht Gottes mal eben schreddert. Dabei gehört die umfassende Kontrolle Gottes, gegen die er so polemisiert, doch gerade zum Kreuz, ja zum ganzen Kommen von Jesu hinzu! Dies Kommen auf Erden war von Gott vorhergesagt und geplant. Und diese Planung beinhaltete eine genaue Steuerung, die er mit dem Marionettenvergleich lächerlich macht. Sie schloss auch böse Absichten ein, wie bei der Verurteilung Jesu ja offensichtlich ist. Gott richtete es so ein, dass die moralisch verwerfliche Hinrichtung eines Unschuldigen durch die Handlungen des Judas, Pilatus usw. Teil des Rettungsplans wurde.
Es ist ja eben nicht so gewesen, dass Gott im Himmel nach den Ereignissen von Golgota gedacht hätte: Upps, da ist was schief gelaufen; da habe ich den Menschen meinen Sohn geschickt, und dann bringen die ihn um! Haben wir noch einen Plan B? – Nein, Gott hat die Vorgänge gelenkt. Denn es ging ihm auch, aber noch nicht einmal in erster Linie um die physische Nähe zu den Menschen (die konnte und kann Er auf verschiedenste Weise ausdrücken und herstellen). Gott hat den Tod seines Sohnes um des Heils der Menschen willen geplant. In der Konsequenz von Bedford-Strohms Sätzen liegt, dass das Kreuz – der Tod – ein Betriebsunfall war. Nahe kommen, auch im Leiden nahe kommen – wenn es vor allem darum geht, warum dann aber unbedingt ein Tod am Kreuz?
„Tiefe Weisheit“ des Fegefeuers
Ein Teil der Fragen betrifft den Zustand der evangelischen Kirchen heute. Eine ordentliche Prise Schärfe hat diese: „Wieso hat man in der evangelischen Kirche nicht mehr das Gefühl, in einer Kirche zu sitzen, sondern in einer Gruppentherapie mit dem wöchentlichen Motto ‘Habt euch lieb!’?“ Und weiter: „Wieso bekomme ich von der evangelischen Kirche nie zu hören, was ich im Jenseits zu befürchten habe, wenn ich mich falsch verhalte?“
In seiner Antwort lehnt Bedford-Strohm einen Kuschelgott ab. Wir müssen einmal Rechenschaft ablegen, und wir müssen auch vom Gericht Gottes reden. Es sei aber nicht gut, wenn „fundamentalistische Prediger den Eindruck erwecken, als wäre ihnen nichts wichtiger als, erstens, dass es die Hölle gibt und dass da auf jeden Fall auch jemand drin ist. Das ist nicht die Ausstrahlung Jesu Christi, die ich spüre.“ Jesus sei es immer darum gegangen, Menschen zu gewinnen. „Ich glaube, dass Gott niemanden aufgibt“, und er hofft und fragt sich, ob Gott nicht auch den „schlimmsten Verbrecher“ noch zu sich ziehen könnte.
Gewiss kann Gott auch den schlimmsten Verbrecher zu sich ziehen. Noch zu sich ziehen? Noch im Jenseits verändern und umdrehen? Geht Gott auch im Jenseits Menschen noch nach und gibt sie nicht verloren? Bedford-Strohm grenzt sich von einem Kuschelgott ab, ersetzt ihn aber, so scheint es, durch einen kaum wirklich andersartigen Am-Ende-wird-alles-gut-Gott. Der Seitenhieb auf die Fundamentalisten ist natürlich billig und überflüssig. Diese Prediger wollen nur wiedergeben, was Jesus selbst gesagt und gepredigt hat, und bekanntlich hat dieser im NT am meisten von der Hölle gesprochen. Oder sind diese Sätze schon historisch-kritisch entsorgt? Irgendwie kann ich nicht erkennen, dass Jesus immer nur Menschen gewinnen wollte. Bedford-Strohm verwechselt hier Jesus mit dem Dalai Lama.
„Es kommt drauf an, wie wir leben“, so der Bischof ganz richtig. Aber anstatt eine reformatorische Lehre vom ewigen Schicksal der Gläubigen und Ungläubigen in grober Skizze vorzulegen, durchbricht er auf einmal gleichsam die evangelischen Leitplanken und meint doch tatsächlich, im Fegefeuer „steckt eine tiefe Weisheit drin“. Nun präsentiert Bedford-Strohm natürlich nicht direkt die katholische Lehre der Läuterung und jenseitigen Buße in einem Zwischenzustand. Ihm gefällt aber der Gedanke, dass dann alles wie die Wahrheit über unser Leben auf den Tisch kommt und jeder durch solch eine Reinigung hindurch muss. Moltmann wird als Autorität genannt: Das Feuer der Liebe Gottes könne verbrennen, was zwischen Gott und den Menschen steht.
Wie auch schon in früheren Veröffentlichung (s. auch hier) deutet Bedford-Strohm das jenseitige Gericht vor allem als Scham: Man wird sich für seine Untaten und seine unterlassenen Taten in einem Maße schämen, das man sich nicht vorstellen könne; das mag dann die Hölle sein. „Durch dieses Stadium müssen wir durchgehen.“ Daraus folge aber nicht, dass wir verloren sind. Er vertraut darauf: „Gott möchte das Leben und nicht den Tod“; dieser will auch nicht ewige Verdammnis. Die biblischen Gerichtstexte deutet der Bischof als Warnschilder.
Auf einmal ist die Hölle leergehofft
Was soll man zu solchen Ausführungen des obersten Repräsentanten des deutschen Protestantismus im Jubiläumsjahr der Reformation sagen? Hätte ich am Live-Chat teilgenommen, wäre mein Kommentar an den lutherischen Bischof nur ein kurzes „WWLS“ gewesen – What would Luther say? Was würde der Reformator dazu sagen? Ist es irgendwie mit evangelischer Lehre vereinbar, dass Menschen, die gerettet werden, nach dem Tod noch irgendwelche negativen Erfahrungen, und sei es eine Art heilende Scham, zu befürchten haben? Wir, d.h. die tatsächlich Gläubigen, müssen durch gar kein „Stadium“ mehr durchgehen! (Wir lassen hier einmal die Diskussion um ein Gericht über die Werke der Christen beiseite; eine Art von Bewertung wird es wohl geben, aber noch einmal: dies wird keine leidvolle Erfahrung sein.)
Vielsagend ist außerdem das Jonglieren des Bischofs mit Gewissheiten und Ungewissheiten. Auf einmal weiß er genau: Eine ewige Verdammnis will Gott nicht. Wer hat ihm das geflüstert? Wieso ist er sich da so sicher? Haben Christen und Theologen und Kirchenväter und Reformatoren das über Jahrtausende hinweg etwa ganz falsch gesehen? Und dann kommt dann wieder dieser elende Agnostizismus dazwischen: Woher wissen wir, so die Denke von Bedford-Strohm, dass Gott nach dem Tod nicht doch noch Möglichkeiten, das ewige Schicksal des Einzelnen zu verändern? Wir wissen über das Jenseits so wenig, also mag Gott vielleicht, nein: wahrscheinlich vielen noch eine zweite Chance geben. Auf dieser Linie argumentiert ja auch Rob Bell (Christina Brudereck und so manch andere ebenfalls). Und auf einmal ist die Hölle leergehofft.
Die Lehre vom Fegefeuer kam erst im Mittelalter auf und wurde vor rund 600 Jahren dogmatisiert. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Ablasslehre und muss schlicht als anti-ökumenisch bezeichnet werden. Für Katholiken dient sie keineswegs dazu, die ewige Verdammnis überflüssig zu machen, denn ins Fegefeuer kommen ja nur Christen; Verworfene gelangen direkt in die Hölle.
Bedford-Strohm übernimmt den Gedanken, dass mit dem Tode die Würfel eben noch nicht ganz gefallen sind; und er erweitert die Vorstellung in liberaler Weise: die Hölle verschwindet gleichsam, es bleibt eine Läuterung für alle. Und am Ende wird alles gut –für jeden. Das ist die bischöfliche Vorstellung von Gerechtigkeit und Gericht. Ich kann nicht erkennen, was daran christlich, geschweige denn evangelisch sein soll. Aber für diese unbequemen Einwände hat der Münchener Bischof ja die Fundamentalisten-Keule parat…
Gerechtigkeit ist bekanntlich auch in den Kirchen heute ein großes Thema. Überall soll man sich für sie einsetzen, Kampf gegen Ungerechtigkeit ist zum Kern evangelischer Sozialethik geworden. Vieles scheint direkt bei Oxfam und politischen Parteien abgeschrieben zu sein. Ab und an sollte man aber auch bei Martin Luther nachschlagen. Gegen Ende von Vom unfreien Willen geht der Reformator auf die Erfahrung ein, dass es in dieser Welt ungerecht zugeht und selbst die vorbildlich Frommen von Ungerechtigkeit versucht werden. Warum geht es den Gläubigen oftmals schlecht und den Bösen wunderbar?
Diese Ungerechtigkeit Gottes, so wie es im „Licht der Natur“ erscheint, wird „ganz leicht aufgehoben durch das Licht des Evangeliums und die Erkenntnis des Gnade. Durch sie werden wir gelehrt, dass die Gottlosen zwar körperlich blühen, an der Seele aber zugrunde gehen. Und die kurze Lösung dieser unlösbaren Frage besteht in einem einzigen kleinen Wort, nämlich: Es gibt ein Leben nach diesem Leben, in dem alles, was hier nicht bestraft und belohnt wird, dort bestraft und belohnt werden wird. Denn dieses Leben ist nichts als ein Vorlauf oder vielmehr: ein Anfang des zukünftigen Lebens.“ Luther war auch ein Media-Theologe und konnte sich klar ausdrücken; er hätte sich auch bei Facebook wacker geschlagen.
„Wieso bekomme ich von der evangelischen Kirche nie zu hören, was ich im Jenseits zu befürchten habe?“ Bedford-Strohms Antwort lautete also: Weil es da nichts zu befürchten gibt! Und zwar für niemanden. Es wird dort aber für alle peinlich, alle werden sich schämen.
Wahrscheinlich muss man lange Theologie studiert haben, um auf so elegante Weise die Vorstellung vom Gericht zu entsorgen. Die vielen Worte ändern nichts daran, dass man sich als Lutherfan für so einen Leiter einer lutherischen Kirche und der EKD noch dazu nur schämen kann. Außerdem ist es nur ärgerlich, dass sich ein Theologe die Ausstrahlung Jesu subjektiv zurecht biegt. Zur Vereinnahmung und Umdeutung der katholischen Fegefeuer im Jahr der Reformation fehlen mir einfach die Worte. Ich befürchte, dass Bedford-Strohm in Zukunft so viel chatten mag er will, den Niedergang der EKD-Kirchen wird er so wohl kaum aufhalten.