Steinerne Zeugen

Steinerne Zeugen

In der Altstadt von Vilnius steht fast an jeder Ecke eine Kirche. Dass „Wilne“ einmal ein Zentrum des osteuropäischen Judentums war, erahnt man nur. Von den fast einhundert Synagogen des „Jerusalems des Ostens“ stehen nur noch wenige, eine einzige dient als Gebetshaus. Viele wurden während der deutschen Besatzung 1941–44 zerstört oder dann, schwer beschädigt, von den Sowjets abgerissen (wie die Große Synagoge in Vilnius, auf deren Gelände heute eine KiTa steht, oder die „Weiße Schwan“ genannte in Šiauliai). Die meisten jiddisch als „Schul“ bezeichneten Gebäude funktionierten diese in Lager, Sporthallen oder Fabriken um.

Heute sind im ganzen Land von einst mehreren Hundert noch 88 Synagogen erhalten, davon 16 hölzerne. Viele sind halbverfallen, so dass man sie kaum noch erkennt.  Wie auch die Kirchen wurden sie häufig den früheren Besitzern zurückgegeben. Doch die rund 250.000 Juden Litauens sind im Krieg fast alle ermordet worden. Gerade 5000 Juden rechnen sich zur Jüdischen Gemeinschaft Litauens, davon wohnt die große Mehrheit in Vilnius. Und auch diese Zahl sinkt – viele wandern aus gen Westen oder Israel. Gottesdienste gibt es nur noch in der Hauptstadt sowie in Kaunas und Klaipėda. Ganz anders als bei Katholiken oder Lutheranern gibt es keine Gemeinden vor Ort, die die Synagogen brauchen und sich um ihren Erhalt kümmern.

„Rote“ Synagoge in Joniškis

Wiederaufgebaute „Rote“ Synagoge in Joniškis

Ohne öffentliche Gelder und eine Umfunktionierung  der Synagogen würde das große jüdische Erbe wohl ganz verfallen, denn Geld für die meist aufwendige Restaurierung hat die Religionsgemeinschaft selbst nicht. Vor acht Jahren brach die „Rote Synagoge“ in Joniškis, direkt neben der „Weißen“ stehend, einfach zusammen. Sie wurde u.a. mit europäischen Fördermitteln wieder aufgebaut und dient nun als Museum und Ausstellungsraum. Dieser Ausweg ist auch in Kėdainiai zu sehen. Dort wurde die (früher beheizte) „Wintersynagoge“ in eine Kunstschule umgewandelt; in der benachbarten „Sommersynagoge“ wurde ein Kulturzentrum eingerichtet.

Sommer- und Wintersynagoge in Kėdainiai

Sommer- und Wintersynagoge in Kėdainiai

Neben den Synagogen sind die alten jüdischen Friedhöfe Zeugen einer vergangenen Kultur. Die Städte Litauens hatten früher, um 1900, oft einen jüdischen Bevölkerungsanteil von einem Drittel oder sogar der Hälfte. Die Häuser im Zentrum der Orte gehörten meist Juden, Handwerkern und Händlern. Ihre Toten musste die Religionsgemeinschaft jedoch meist vor den Toren der Siedlungen begraben. Längst nicht alle dieser Gräberstätten haben den letzten Weltkrieg und die Sowjetzeit überstanden. Der größte jüdische Friedhof von Vilnius wurde in den 60er Jahren beseitigt, ähnlich lief es in Šiauliai und anderen Orten. Unberührt blieben viele Gräber in der Provinz.

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Jüdischer Friedhof in Vilnius, vor etwa 50 Jahren zerstört

So auch in Šeduva (früher Sadowa), eine halbe Autostunde südöstlich von Šiauliai. Der große Friedhof liegt mehr als einen Kilometer vom alten Ortszentrum entfernt. Wie so viele der zahlreichen jüdischen Friedhöfe war er jahrzehntelang verwahrlost, aber nicht ganz zerstört. Ende Mai wurde die aufwendig wiederhergerichtete Grabstätte eingeweiht (s. Bild o.). Die Mauer um das große Territorium hat man neu aufgebaut, alte Grabsteine wurden aufgestellt. Da jedoch viele Steine und Grabplatten hier wie auch sonst bei den Friedhöfen zweckentfremdet worden oder einfach verschwunden waren, stellte man nun auch andere Steine auf, um den ursprünglichen Eindruck eines Friedhofes beizubehalten.

Der Friedhof ist von der Fläche her sicher einer der größten im ganzen Land und nun für Besucher gut zugänglich. Andere Grabstätten drohen jeden Sommer unter hohem Gras zu verschwinden, ob nun in Užventis, Žagarė oder Aukštadvaris.

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Jüdischer Friedhof in Šeduva

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Jüdischer Friedhof Telšiai

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Jüdischer Friedhof in Žagarė

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Grabstein in Žagarė

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Friedhof Žagarė

Grabsteine auf dem jüdischer Friedhof von Aukštadvaris

Grabsteine auf dem jüdischer Friedhof von Aukštadvaris

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Jüdischer Friedhof in Biržai