Theologennachwuchs in Litauen

Theologennachwuchs in Litauen

Vor einer Woche verteidigten im Šiauliaier Studienzentrum des EBI zwei Studenten ihre Abschlussarbeiten. Anželika Krikštaponienė legte eine Untersuchung zum pastoralen und gemeindlichen Dienst von Frauen in den evangelischen Kirchen Litauens vor. Dies ist im Land die erste wissenschaftliche Studie zu dem Thema überhaupt! Die langjährige Pastorin der Wort-des-Glaubens-Gemeinde in Šiauliai stellt in ihrer Bakkalaureus-Arbeit die zwei Hauptpositionen zur Frage der Ordination von Frauen vor (die egalitäre und komplementäre Sicht). Außerdem schildert sie die aktuellen Standpunkte der protestantischen Kirchen. Die methodistische Kirche und ihr eigener Gemeindeverband vertreten eine eindeutige egalitäre Regelung: Frauen stehen alle Ämter offen. In den anderen Kirchen bzw. Bünden, die in dieser Frage meist ‘konservativer’ positioniert sind, gibt es so gut wie nirgends klar formulierte Lehren. So ordinieren die Lutheraner Litauens faktisch keine Frauen, allerdings gab es nie einen offiziellen Beschluss, ganz zu schweigen von einer ausführlichen Darlegung, warum dies so und nicht anders gehandhabt wird. Ihre Arbeit zeigt so auch, dass die Komplementaristen, die bestimmte Gemeindeämter Männern vorbehalten, Nachholbedarf in der Begründung ihres Standpunktes haben. Für zukünftige Diskussionen in den evangelischen Kirchen Litauens ist diese Studie daher von großem Wert.

Tomas Dičius aus Vilnius untersuchte in seiner Arbeit den kulturellen Einfluss der Reformation. Auch seine Arbeit, betreut von Holger, besticht durch weiten Blick, tiefe Analyse und allgemein hohe Qualität. Tomas, Architekt von Beruf und Ältester in der Wort-des-Glaubens-Gemeinde der Hauptstadt, stellte die grundlegenden Prinzipien der Reformation dar – eine prägnante Zusammenfassung, die man ohne Zögern in jedes Lehrbuch und in den gemeindlichen Unterricht übernehmen kann. Es folgt ein hervorragender Überblick der Wirkung der reformatorischen Vorstellungen auf Bereiche wie Politik, Gesellschaft, Kunst und Wirtschaft. Wohl erstmals in Litauen in einer theologischen Arbeit skizzierte Tomas auch einige Ideen des wichtigen niederländischen reformierten Theologen Abraham Kuyper (1837–1920). Auch für diese Arbeit gilt: Für jedes Nachdenken über das breite und wichtige Thema Christentum und Kultur ein solide Grundlage. Der Leiter der Prüfungskommission Dr. Deimantas Karvelis, Historiker an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Vilnius und Dozent am EBI, wies außerdem auf die apologetische Komponente dieser Studie hin. Denn im katholisch geprägten Litauen, indem traditionell über allen Protestanten der Vorwurf des Sektierertums schwebt, ist eine solche intelligente Verteidigung des evangelischen Glaubens durch das Aufzeigen seiner positiven Wirkungen von großem Wert.

Die Mehrheit der Studenten am EBI legt Abschlussprüfungen ab, schreibt also keine Diplomarbeit. Aber die wenigen bisher veröffentlichten Arbeiten können sich auch im universitären Umfeld sehen lassen und sind beste Werbung für das EBI als evangelikales theologisches Seminar.  Viel protestantischen Theologennachwuchs gibt es in Litauen nicht, aber der geringen Quantität steht recht große Qualität gegenüber, die Hoffnung macht.

Bendra

V.l.nr.: Valdas Vaitkevičius, Rektor des EBI, Gražina (die die Arbeit von Anželika betreute), Anželika, Tomas, Holger.

Gynimas

Präsentation der eigenen Arbeit.

 

Deimantas

Deimantas Karvelis

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