Wozu Theologie?
Am vergangenen Wochenende startete das neue Studienjahr im Šiauliaier Studienzentrum des Evangelischen Bibelinstitutes (EBI). Acht neue Studentinnen und Studenten aus verschiedenen Gemeinden haben ein Studium begonnen (im Bild o. fehlen die beiden Männer; hinten Romualdas Babarskas, Dekan in Šiauliai). Holger unterrichtet u.a. Einführung in die Theologie. Daraus hier ein überarbeiteter Auszug:
Leider leben wir in einer Zeit, in der der Nutzen der Theologie erläutert werden muss. Denn das Klima in vielen Gemeinden ist fast schon antitheologisch – nur nicht zu viel davon! Sie wird als Wissenschaft wahrgenommen, die vom Alltag weit entfernt ist; bloß keine komplexen Ideen, einen Haufen Fremdwörter und „leblose Dogmatik“; geistliche Erfahrungen stehen oft im Mittelpunkt, der „einfache Glaube“ wird großgeschrieben.
Natürlich muss sich die Theologie Kritik gefallen lassen. Sie hat sich tatsächlich in einigen Ländern viel zu weit vom Gemeindealltag entfernt. Während der Reformation war der Kontakt zwischen Lehre, Forschung usw. und Gemeinde noch eng, denn die Reformatoren waren alle auch Prediger und Seelsorger in Ortsgemeinden. Die größten Theologen waren so gut wie alle Männer der Praxis. Der Lutheraner Johann Gerhard nannte die Theologie sogar „besonders praktische Weisheit“.
„Der frische Wind der Jahrhunderte“
Theologie hat heute mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, begegnet vielen Stereotypen. Vier Hauptprobleme, die guter und biblischer Theologie heute entgegenstehen:
Da wäre einmal ein falscher Pragmatismus. Dieser dringt recht massiv aus der säkularen Welt in die Kirche. Die Dinge müssen laufen, koste, was es wolle; Ergebnisse müssen her; allein die Praxis regiert. Hier seien nur die die Beispiele Ehescheidung und Wiederheirat, Gemeindeleitung sowie Gründung von Kirchen/Denominationen genannt. Hier darf auf keinen Fall nur nach pragmatischen Grundsätzen entschieden werden. Es muss vielmehr gefragt werden: Wann ist eine Scheidung theologisch gerechtfertigt? Wer kann und soll eine Gemeinde leiten? Was können wir aus theologischer Sicht dazu sagen? Wann ist das Verlassen eines Kirchenbundes theologisch gerechtfertigt und wann nicht? Der große Religionssoziologe aus den USA Peter L. Berger:
„Wenn Kirchen Theologie vernachlässigen oder zu wenig betonen, geben sie damit das intellektuelle Werkzeug preis, mit dem die christliche Botschaft artikuliert und verteidigt werden kann. In dem daraus entstehenden Chaos von religiösen Ideen bleibt als einziges Kriterium, das einen Ausweg verspricht, die Zweckmäßigkeit.“ (The Noise of Solemn Assemblies)
Besonders natürlich in den traditionellen Kirchen ist teilweise ein falscher Traditionalismus anzutreffen: Wir sind eine konservative Kirche; wir machen das so und so schon immer (oder sehr lange), also werden wir daran nichts ändern. Traditionen sind natürlich zu achten, und meistens ist es tatsächlich gut, ihnen treu zu bleiben. Doch das Festhalten am Überlieferten muss in manchen Fällen konkret theologisch begründet werden wie z.B. bei der Frage der Ordinationen von Frauen.
Den entgegengesetzten Fehler zum Traditionalismus nannte C.S. Lewis „chronologischer Snobismus“ (z.B. in Überrascht vor Freude). Dies ist die Überzeugung, dass alles, was alt ist, uns nichts mehr angeht, und was aktuell ist, bevorzugt werden sollte. Lewis betonte dagegen, dass man nicht fragen soll, ob eine Lehre alt oder neu, sondern ob sie wahr oder falsch ist. So auch G.K. Chesterton (1874–1936) bissig in Orthodoxy: „Uns wird gesagt, dass man an bestimmte Dogmen im zwölften Jahrhundert glauben konnte, aber nicht mehr im zwanzigsten. Das ist das gleiche, als wenn man behauptet, dass eine bestimmte philosophische Lehrmeinung am Montag überzeugt, aber überhaupt nicht am Dienstag.“ Auch im Aufsatz „On Reading Old Books“ betont Lewis, dass wir aktuelle Bücher, Texte, Lehren „an der großen Gesamtheit des christlichen Denkens aller Jahrhunderte“ messen müssen. Wir brauchen einen „Grundstock an elementarem, zentralem Christentum, das die Kontroversen des Augenblicks in die rechte Perspektive rückt. Diesen Grundstock gewinnt man nur aus alten Büchern“ oder konkreter eben aus alten Bekenntnissen. Sie korrigieren uns, weisen auf blinde Flecken unserer Zeit hin. Noch einmal der große Apologet des Glaubens:
„Jedes Zeitalter betrachtet die Welt durch seine eigene Brille. Es hat für bestimmte Wahrheiten einen besonders guten Blick und ist für bestimmte Irrtümer besonders anfällig. Wir alle brauchen daher Bücher, welche die charakteristischen Irrtümer unserer eigenen Zeit korrigieren. Und das heißt alte Bücher… Wir dürfen nie aufhören, den klaren, frischen Wind der Jahrhunderte durch unsere Köpfe wehen zu lassen; und das geschieht nur, wenn wir alte Bücher lesen. Nicht, dass in der Vergangenheit alles besser gewesen wäre, gewiss nicht. Die Leute waren damals nicht gescheiter als heute; sie machten genauso viele Fehler wie wir. Aber nicht dieselben Fehler.“
Schließlich ist das „Gift des Subjektivismus“ (noch einmal C.S. Lewis) zu nennen. Geistliche verfügen in den Kirchen heute meist nur noch über sehr begrenzte Autorität; jeder Einzelne trifft für sich ethische Entscheidungen, kommt oft allein zu theologischen Positionen und lässt sich darin meist nur schwer beirren. Das sei etwas ganz Persönliches; jeder muss dies oder jenes allein für sich entscheiden; das hat mir geholfen, also muss es gut und wahr sein; ich habe darüber gebetet, also lass mich in Frieden mit deiner Theologie – das sind die Slogans von heute.
„Wir heißen alle Theologen“
Was können wir nun positiv über die Aufgaben der Theologie sagen? Zum einen gilt: Wir betreiben Theologie, weil sie unvermeidlich ist. Luther: „Wir heißen alle Theologen, wie wir auch alle Christen heißen.“ Natürlich ist nicht jeder Theologiedozent, aber jeder Christ beschäftigt sich geradezu zwangsläufig mit theologischen Fragen. Der baptistische Theologe Stanley Grenz (1950–2005):
„Im Gegensatz zu dem, was einige Christen meinen, gibt es keine ‘einfachen’ Gläubigen, die sich selbst von theologischen Reflexionen ausschließen. Bewusst oder nicht hat jeder von uns eine Reihe von Überzeugungen über die letzte Wirklichkeit. Wir glauben etwas über Gott, uns selbst und den Sinn des Glaubens. Diese Grundüberzeugungen durchdringen unsere Sprache und Lebensweise. In diesem Sinne ist jeder ein Theologe.“ (Created For Community)
Ähnlich der reformierte Greg Johnson: „Tatsächlich ist jeder ein Theologe. Jeder macht sich über Gott Gedanken – selbst der Atheist, der in seinem Herzen sagt: ‘Es gibt keinen Gott’. Das ist eine Aussage über Gott und daher Theologie. Die Frage ist nicht, ob man ein Theologe ist. Du bist es schon. Die wirkliche Frage ist, ob man ein guter oder schlechter Theologe ist. Um ein guter Theologe zu sein – egal, welchen Beruf man hat – muss man hart über alles aus Gottes Perspektive nachdenken, über die Welt wie sie Gott sieht.“ (The World According to God)
„Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit“
Sieben weitere Dinge möchte ich kurz nennen: Wir betreiben Theologie, um die ganze biblische Botschaft treu weiterzugeben. Theologie hat die Funktion, die Lehre der Bibel zusammenzufassen, für unsere Zeit zu formulieren und so an jede neue Generation treu weiterzugeben. Gläubige sollen Gott und seine Gebote verstehen und lernen (Dt 6, 4–9; 1 Kor 14,20), darüber nachdenken und einander belehren (Kol 3,16). Im NT wird der Lehrinhalt meist mit gr. didache oder didaskalia, oft „Lehre“ übersetzt, bezeichnet. Wir sollen darauf achthaben (1 Tim 4,16). 2 Tim 1,14: „dieses kostbare Gut… bewahre“. Judas ermahnt, „dass ihr für den Glauben kämpft, der ein für alle Mal den Heiligen überliefert ist“ (Jud 3). Dieser Schatz soll korrekt, „offen und klar“, als „Wort der Wahrheit“ weitergegeben werden (2 Tim 2,15; auch der gr. Begriff paradosis – Überlieferung/Tradition oder Lehre, 2 Thess 2,15, ist hier zu nennen). Auf keinen Fall darf man ein „anderes Evangelium“ verbreiten, Christi Evangelium „verfälschen“ (Gal 1,6–8).
Auch der Missionsbefehl (Mt 28,18–20) macht deutlich, dass nicht nur einzelne Lehren weitergegeben werden sollen – alles, was Jesus geboten hat, soll gelehrt werden: Jesu Wörter, aber auch die der Apostel sowie das ganze AT (das Jesus ja auch als Gottes Wort ansah). Die biblische Botschaft ist also umfassend zu lehren, wie es auch Paulus z.B. in Ephesus praktizierte, wo er „den ganzen Ratschluss Gottes“ verkündigte (Apg 20,27), den Christen dort also das Gesamtbild der Lehre vorstellte.
Wir betreiben Theologie, um neue Antworten auf aktuelle Fragen zu formulieren. Das Wort Gottes soll nicht nur bewahrt werden (die ist der wichtige konservative Aspekt); es muss immer wieder neu in die heutige Zeit hinein ausgelegt werden. Je nach Zeit und Kultur tauchen neue Herausforderungen auf, was sich auch in der Dogmengeschichte gut zeigen lässt: im 3.-5. Jhdt. wurden die Trinität, Christologie und die Erbsünde aktuell, wurden Dogmen zu diesen Fragen formuliert; während der Reformation kam es zu ausführlichen Diskussionen über die Rechtfertigungslehre, den freien Wille und die Sakramente; im 19./20. Jhdt. wurden die Irrtumslosigkeit der Schrift, die Rolle der Frau, Schöpfung/Evolution und das Verhältnis von Christ und Staat Themen der Auseinandersetzung. All diese Debatten schlugen sich auch meist in Bekenntnissen und Erklärungen nieder.
Wir betreiben Theologie, um, mit Emil Brunner (1889–1966) gesprochen, „Denkdienst am Glauben“ zu leisten. Hier ist von der Rationalität des Glaubens und der Theologie zu reden – äußerst wichtig in einem Zeitalter der „Preisgabe der Vernunft“ (F.A. Schaeffer), in dem man sich „zu Tode amüsiert“ (Neil Postman). Gott hat den Menschen den Verstand gegeben zur Kommunikation untereinander, mit ihm und für seine Aufgaben auf der Erde. Ein Gläubiger ist daher ein gern und bewusst denkender Mensch. John Stott betonte dies in Es kommt auch auf den Verstand an / Your Mind Matters: „Durch die Heilige Schrift hat Gott gesprochen, das heißt, er hat sich durch Worte mitgeteilt… Kommunikation durch Worte setzt einen Verstand voraus, der verstehen und deuten kann“. Das Christentum ist in seinem Wesen eine Offenbarungsreligion, und diese rationale Offenbarung will verstanden werden. Er zitiert den schottischen Theologen James Orr:
„Wenn es eine Religion in der Welt gibt, die die Bedeutung der Lehre unterstreicht, dann ist das die Religion Christi. Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß das Lehrelement in heidnischen Religionen verschwindend klein ist – es geht hauptsächlich um die Ausführung eines Rituals. Genau an dieser Stelle unterscheidet sich das Christentum von anderen Religionen – es enthält Lehre. Es beansprucht, die Wahrheit zu sein… Religion, losgelöst von ernsthaftem, erhabenem Denken, hat sich noch immer, durch die ganze Geschichte der Kirche, als eine Religion erwiesen, die immer schwächer, geistloser und ungesünder wurde.“
Ähnlich auch der US-Soziologe Rodney in The Victory of Reason (2005). Er betont darin, dass nur der Gott der Bibel ein persönlicher und vernünftiger Gott ist; und wir als seine Abbilder sind mit Verstand und Intelligenz beschenkt, können und sollen daher die Offenbarung in der Natur und im Wort verstehen. Daher entstand nur auf dem Hintergrund der jüdisch-christlichen Kultur eine rationale Theologie und die moderne Wissenschaft.
Wir betreiben Theologie, um Kritik an falscher Lehre ausüben zu können.Evangelische Christen werden heute von einer Flut an religiösem Unsinn überschwemmt (gerade aus den Bereichen östliche Religionen, Positives Denken/New Thought), dass man ohne festen Halt in guter Theologie droht hinweggeschwemmt zu werden. Christen müssen auf Angriffe durch Religionen, Ideologien und Sekten vorbereitet sein, denn schon Paulus warnt: „Es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden…“ (2 Tim 4,3). Kritik beginnt natürlich mit Selbstkritik, der Korrektur der eigenen falschen Lehre.
Wir betreiben Theologie, um besser evangelisieren zu können. Die Ausbreitung des Glaubens durch Verkündigung des Evangeliums in der Welt ist eine Hauptaufgabe der Kirche und damit auch der Theologie. Evangelisation muss von guter Theologie getragen sein, und Theologie muss Mission und Evangelisation unbedingt im Fokus behalten. Wie auch die Kinderarbeit hat die Evangelisation jedoch in der Wahrnehmung kaum etwas mit Theologie zu tun. Wozu soll diese nötig sein?! Man hat doch das „einfache Evangelium“, alles andere dreht sich um Mittel, Methoden, Strategien und Ergebnisse. Hier ist daher zu betonen, dass auch populäre evangelistische Hilfsmittel wie der „Alpha“-Kurs oder die „Vier geistlichen Gesetze“ theologisch bewertet werden müssen. (Dass die oft nicht getan und jeder Ansatz von Kritik vehement abgelehnt wird, liegt auch an dem eingangs genannten Pragmatismus: wie können in so extrem erfolgreiche Produkte wie „Alpha“ Fehler stecken? Er funktioniert schließlich – viele Millionen sind doch hoch zufrieden!?)
Zum Thema Kinderarbeit und Theologie ist auch auf Francis Bridger und sein Buch Children Finding Faith / Wie Kinder glauben hinzuweisen. Dort schreibt der Anglikaner, „dass Glauben etwas sehr Vielschichtiges ist und dass der Glaube, mit dem Kinder auf eine Botschaft antworten, sich vom Glauben eines Erwachsenen unterscheidet“. Er geht darin ausführlich auf Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie ein, die ebenfalls deutlich machen, „dass das Verständnis von Sünde und Verantwortlichkeit, wie es Paulus Ausführungen über die Verantwortung des Menschen zugrunde liegt, sich auf Erwachsene bezieht und kaum auf Kinder übertragen lässt“. Auch Kinder sind Sünder, aber „wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir Sünde richtig verstehen“. Er gibt zu bedenken: „Sünde bedeutet für ein Kind von drei Jahren etwas radikal anderes als für ein Kind von fünfzehn Jahren.“ Das bedeutet aber, dass wir von einem jungen Kind nicht das moralische Verhalten eines Erwachsenen erwarten können. Dies wirft auch viele Fragen zu den Bekehrungen von Kindern auf. Zahlreiche Bücher zur Kinderarbeit tun aber so, als ob die Aussagen der Bibel über Erwachsenen in genau der gleichen Weise auch für Kinder gelten. Dies ist jedoch theologisch und wissenschaftlich naiv und führt z.B. auch in Sam Dohertys Growing Up dazu, dass Kinder wie kleine Erwachsene behandelt werden – und man sie so letztlich massiv überfordert!
Wir betreiben Theologie, um im Glauben zu wachsen. Ziel aller Lehre ist die Zunahme in der Gotteserkenntnis, geistliche Reife, Beständigkeit und Stabilität. Epheser 4,11–14:
„Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen. Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt.“
Theologie hat daher viel mit Ethik und persönlicher Moral zu tun. Paulus spricht in 1 Tim 6,3 von einer „gesunden Botschaft“; nennt 1 Tim 1,10 verschiedene Sünden, die „mit der gesunden Lehre unvereinbar“ sind. In Tit 1,1 gehören die Erkenntnis der Wahrheit und das Leben in „Ehrfurcht vor Gott“ zusammen. Im Zentrum der Theologie steht die Erkenntnis Gottes, und diese wird immer den Charakter beeinflussen und prägen.
Schließlich betreiben wir Theologie, um Gott besser anzubeten. Nichtgläubige sind Gott ungehorsam und Rebellen, die den Schöpfer nicht preisen (Röm 1,21). Sie leugnen mit Wort und Tat, dass „das höchste Ziel des Menschen ist, Gott zu verherrlichen…“ (Der Kurze Westminster-Katechismus, Fr. 1). Christen dagegen wissen, dass sie alles im Leben zur Ehre Gottes tun (1 Kor 10,31). Diesem Ziel dient auch die Theologie. All unser Leben geschieht (lat.) coram Deo – im Angesicht Gottes (ein von den Reformatoren häufig gebrauchter Begriff); dessen muss sich besonders die Theologie bewusst sein.
Die Anbetung ruht auf der Wahrheit, weshalb aufgefordert werden, in der Wahrheit anzubeten (Joh 4,24). Auch David verbindet Lehre und Anbetung: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte. “ (Ps 86,11) Je besser wir also die Wahrheiten Gottes durch theologisches Nachdenken durchdringen und begreifen, desto besser können wir Gott loben und preisen. Deutlich wird dies auch in vielen evangelischen Kirchenliedern: in den besten von ihnen verbinden sich theologische Tiefe und Anbetung von Herzen. An dieser Stelle ist auch zu betonen, dass die Liturgie in evangelischen Kirchen gleichsam in Worte gegossene Theologie ist und eine wichtige katechetische Funktion hat, Glauben stärkt und bewahrt.
Abschließend ist ein letzter wichtiger Punkt zu nennen, der besonders auf dem konfessionellen Hintergrund Litauens nicht zu vergessen ist: Wir betreiben Theologie, um evangelisch zu bleiben. Im katholischen Litauen ist es das ‘Normale’, der römischen Kirche anzugehören. Mitglieder evangelischer Kirchen, die in Krisen oder Konflikte mit ihren Gemeinden geraten oder nach stabilen Fundamenten suchen, kehren fast schon automatisch wieder in den Schoß Roms zurück. Der kulturelle Sog des Katholizismus ist nicht zu unterschätzen. Evangelische Kirchen werden sich dauerhaft nur halten und wachsen, wenn sie ihre Mitglieder in guter, biblischer, protestantischer Theologie schulen. Ohne theologisches Rückgrat, ohne ein klares Überzeugtsein von Hauptlehren des Protestantismus können Evangelische in Litauen nur schwer bestehen.