Von Menschen, Mächten und Mission
Gott baut seine Kirche. Er beruft Menschen durch alle Jahrtausende hindurch zu seinem Volk. Er ist der „Baumeister“ (Hebr 11,10). Als Bauherr hat er aber Menschen gleichsam als Subunternehmer beauftragt. Auch Menschen wie Paulus (der sich in 1 Kor 3,10 auch Baumeister nennt) bauen mit. Gott erreicht durch Menschen andere Menschen – sicher der weisteste Weg, um Sein Reich wachsen zu lassen.
Aber Menschen bleiben auch als Kinder Gottes Sünder. So kommt es zu Spaltungen, die oft nicht nötig sind, zu Abneigungen, die eigentlich überwunden werden sollten, und zu Verletzungen, die mitunter tiefe Gräben aufreißen. Der Bau des Reiches Gottes ist manchmal so eine komplizierte Angelegenheit, dass eigentlich jeder lieber sein eigenes Haus Gottes bauen wollte.
Der menschliche Faktor in Kirche und Mission wird oftmals unterschätzt. Man geht mit viel Begeisterung aufs Missionsfeld und trifft dort dann auf so ganze andere Geschwister, die einem auch noch das Leben schwer machen. Was man sich so schön ausmalte, will auf einmal gar nicht recht klappen.
1992 gingen Freunde Holgers nach Litauen und starteten (im Rahmen von Neues Leben Medien) „projekt L.“ (Holger folgte ihnen Ende 1993). Doch der Konflikt mit dem Leiter eines einheimischen Werkes sorgte bald für Ernüchterung. Von offenen Armen kaum eine Spur. Besonders bitter ist es, wenn man wie damals mit den besten Absichten helfen will, und dann kommen absurde Vowürfe, setzt es gleichsam Schläge unter die Gürtellinie. Der ursprüngliche Plan, ganz unter dem Dach dieses litauischen Werkes zu arbeiten, schlug fehl.
Es sind meist zu hohe Ambitionen, die auf dem Bau Gottes stören. Missionare sehen sich oft gedrängt, große Visionen und gewältige Ziele anzustreben – das ist hilfreich für ein dickes Spendenkonto. Einheimische Leiter betrachten Ausländer oft nur als potentielle Geldquellen und heißen sie deshalb besonders willkommen. Nicht selten sind sie pure Machtmenschen, die sich nur schwer damit tun, partnerschaftlich zu arbeiten. Sie sind es gewohnt, dass alles nach ihrer Pfeife tanzt. Hinzu kommt, dass sich in Litauen durch die katholische Religion (die römische Kirche ist ja streng hierarchisch aufgebaut) und vor allem fast 50 Jahre Kommunismus keine feste und traditionelle Kultur der Zivilgesellschaft gebildet hatte. Man berät, plant und entscheidet wenig gemeinsam; einer oder eine Clique oben bestimmt, wo’s langgeht.
Natürlich gibt es auch Lichtblicke. In der Studentenmission LKSB ist die Zusammenarbeit zwischen Studenten, Mitarbeitern und Vorstand sehr freundschaftlich; hier dominiert kein Einzelner. Auch im Evangelischen Bibelinstitut (EBI) sitzen nun im Vorstand Verteter von sieben Kirchen, Werken und Missionen und arbeiten konstruktiv zusammen. Doch auch hier menschelt es noch oft genug. Das Studienzentrum in Vilnius hatte ein Kirchenleiter durchgedrückt – sicher auch, um dort als Dekan das Sagen zu haben und sich mit diesem Titel zu schmücken. Anfang des vergangenen Jahres verlor er alle seine Ämter wegen einer außerehelichen Beziehung zu einer Frau.
Mißtrauen, Macht und Eitelkeit sind das unheilige Dreigestirn, das bisher auch eine Evangelische Allianz in Litauen verhindert hat. Im katholisch dominierten Litauen wäre ein gemeinsame evangelikale Stimme eigentlich unerläßlich. Doch über Informationstreffen 2002 und 2004 und örtliche Zusammenkünfte der Pastoren kam man bislang nicht hinaus.
Der „Widersacher“ (1 Pt 5,8) infiziert aber nicht nur Christen mit dem Geist der Macht. Manchmal sendet er auch Wölfe in Schafskleidern in die Kirche (Mt 7,15) – dies sind nicht schwache Christen, sondern gar keine Gläubige. Mit den Wirken solch eines Wolfes ringt die reformierte Kirche Litauens seit fast fünfzehn Jahren. Wir sind seit 2009 Mitglied. Schon ab Mitte der 90er Jahre überschatteten innere Konflikte die Kirche. Ein große Rolle hierbei spielte sicherlich, dass es durch die Sowjetherrschaft keinen Pfarrernachwuchs mehr gab und um 1990 nur ein einziger von den Lutheranern ausgeliehener Geistlicher aktiv war. Außerdem war die synodale demokratische Ordnung der Kirche unter dem Kommunismus nicht möglich, so dass im freien Litauen kaum noch einer die stabile und effektive Vorkriegsstruktur kannte.
Dieses Vakuum nutzte ein ambitionierter Emporkömmling und Machtmensch aus. Trotz fehlendem Studium und ohne ordentliche Synodenbeschlüsse konnte er als Geistlicher Karriere machen. Er riß sich vor allem wichtige Dokumente über Grundeigentum der Kirche unter den Nagel. Gegenüber Christen im westlichen Ausland schmückte er sich mit allen möglichen Federn, gibt seine Anhängerschaft als die wahre reformierte Kirche aus. Unsere Seite wird als unreformiert und liberal verunglimpft. Gerade gegenüber konservativen Kirchen, vor allem in Nordamerika, gibt er den besonders Frommen und Hüter der Rechtgläubigkeit.
Doch die Scheinfrommen entlarven sich durch ihre Taten. Die ordentliche Synode 2011 versuchte der Wolf zu sprengen: Ein Sicherheitsdienst sollte am Vorabend die Kirche in Biržai dicht machen, angeblich für Reparaturarbeiten. Die Gemeinde besetzte daraufhin für mehrere Monate ihr eigenes Gebäude!
Gott sei Dank wendet sich seit 2012 das Blatt. Die Vilniuser Gemeinde war viele Jahre aus ihrer Kirche ausgeschlossen, bekam gleichsam Asyl in der lutherischen Kirche der Stadt. Durch Beschluss eines Gerichtsvollziehers wurde ihnen im Oktober vor drei Jahren wieder Zugang zu der Kirche gewährt und die Aufsicht über das Gebäude übertragen (s. Bild oben nach dem ersten Gottesdienst in der eigenen Kirche).
Der Gerichtsmarathon ist aber noch lange nicht zu Ende und verschlingt viel Geld: die Kirche ist mehr oder weniger pleite. Im Frühjahr gab es auch noch einen Rückschlag: das Oberste Gericht Litauens entschied nicht zu unseren Gunsten, sondern verwieß den konkreten Fall wieder an die untere Instanz zur Neuverhandlung – dabei hatten unsere Anwälte fest mit einer positiven Entscheidung gerechnet. Durch ihr intensives Aktenstudium wissen die Anwälte recht genau, dass die Seite des Wolfes auch mit Bestechungsgeldern arbeitet, womöglich auch in diesem Fall. Absurderweise posaunt diese in die Welt hinaus, in Litauen existiere kein Rechtsstaat…
Mit das Traurigste an der ganzen Geschichte: Über Jahre hinweg müssen Pastoren, Diener des Wortes, dem Studium von Gerichtsakten viel Zeit widmen. Pfarrer Rimas Mikalauskas aus Biržai hat in manchen Monaten wohl viel mehr Stunden mit Gerichtsakten verbracht als mit theologischer und geistlicher Literatur. Vor einigen Jahren übernahm Kollege Raimondas Stankevičius aus Vilnius die Stafette und vertritt die Kirche vor Gericht, trifft sich mit den Anwälten und wälzt Stöße von Akten. Auch er muss nun seine eigentlichen Aufgaben vernachlässigen. – Noch auf Jahre hinaus braucht die Kirche Unterstützung. Personell wird die Kirche übrigens seit Juli von Missionaren aus den USA verstärkt: Frank und Emily van Dalen von der Associate Reformed Presbyterian Church zogen für voraussichtlichen zehn Jahre nach Litauen.
[…] mehr oder weniger pleite ist, erhält auf gütlichem Wege wenigstens etwas Geld zurück. (Hier mehr zu den Hintergründen und dem allgemeinen Problem […]
[…] die die Kirche seit über zehn Jahren plagen und die nun nach und nach ein Ende nehmen (hier mehr zu den Hintergründen). Der in der Kirche ordinierte, aber seit vielen Jahren in Frankfurt […]