Die Dynastie
Im Baltikum schaffen es recht junge Politiker bisweilen auf höchste Regierungsposten. 2009 übernahm Valdis Dombrovskis in Lettland das Amt des Regierungschefs – mit gerade 37 Jahren. Seit vergangenem Herbst ist der konservative Politiker der Partei „Vienotība“ (Einigkeit) stellvertretender EU-Kommissionspräsident und Kommissar für Euro und sozialen Dialog.
Im nördlichen Nachbarland trat im März 2014 der erst 34 Jahre junge Taavi Roivas an die Regierungsspitze. Zuvor war der Liberale Roivas von der Reformpartei in der estnischen Lokalpolitik aktiv, hatte Beraterposten in der Regierung inne und war ab Dezember 2012 Sozialminister. Nun führt er die Regierung Estlands erfolgreich an, deren Altersschnitt bei gerade 41 Jahren liegt.
In Litauen leistete der 41jährige Remigijus Šimašius in der vergangenen Woche seinen Amtseid als neuer Vilniuser Bürgermeister. Im Sog der erfolgreichen Kommunalwahlen im März kletterte die Liberale Bewegung des ehemaligen Justizminister und Leiters des Instituts für freie Marktwirtschaft auf den zweiten Platz in den Umfragen. Populärer sind nur noch die regierenden Sozialdemokraten. Möglicherweise werden die Liberalen mit Šimašius an der Spitze in den Parlamentswahlkampf im Herbst 2016 ziehen.
Auch in der konservativen „Heimatunion–Christdemokraten“ wurde jüngst ein Stabwechsel vollzogen. Nach vielen Jahren an der Parteispitze kandidierte Expremier Andrius Kubilius nicht mehr für das höchste Parteiamt. Er empfahl den Parteimitgliedern Gabrielius Landsbergis als Nachfolger. Der 33jährige war letzten Herbst ins EU-Parlament gewählt worden. Schon diese Wahl hatte er zweifellos seinem Großvater zu verdanken, Vytautas Landsbergis. Dieser ist der Patriarch der Partei und nach dem Tod von Algirdas Brazauskas der letzte Übervater der litauischen Politik. Der Musikprofessor führte als Vorsitzender der Unabhängigkeitsbewegung „Sąjūdis“ und dann als Parlamentspräsident (und damit als Staatsoberhaupt) das Land in die Unabhängigkeit. Aus der Sąjūdis ging später die Partei „Tėvynės sąjunga“ (Heimatunion) hervor.
Landbergis junior verpasste im ersten parteiinternen Wahlgang nur knapp die absolute Mehrheit und setzte sich dann bei der Stichwahl am vergangenen Wochenende gegen Irena Degutienė durch. Diese ist zwar eine der erfahrensten Politikerinnen Litauens (ehemalige Sozialministerin, Parlamentspräsidentin und mehrfach stellvertretende Regierungschefin), doch mit Mitte 60 erschien sie vielen wohl doch zu alt, um einen Neuaufbruch zu verkörpern.
Problematisch ist nur, dass der junge Landsbergis – ganz anders als die eingands Genannten – so gut wie keine Politikerfahrung hat. Nach dem Studium der Politikwissenschaften arbeitete er im diplomatischen Dienst. Erst kurz vor der Europawahl trat er in die Partei seines Großvaters ein. Da im litauischen Wahlrecht bei Listenwahlen Präferenzstimmen vergeben werden können, wanderte er auf der Parteiliste aufgrund seines berühmten Nachnamens weit nach vorne und verdrängte so erfahrene Europapolitiker der Konservativen. Ein halbes Jahr Brüssel und Straßburg, keinerlei Regierungsämter, auch keine Lokalpolitik und keinerlei Stallgeruch aus der Partei – und dennoch führt er nun die traditionell wichtigste Partei im rechten Spektrum an. Es ist kein Geheimnis, dass er diesen Job seinen dynastischen Verbindungen oder noch einfacher: seinem Nachnahmen zu verdanken hat.
Landsbergis junior wird sich nun an einer Modernisierung seiner Partei versuchen, nicht zuletzt, um den Liberalen Paroli bieten zu können. Wenn es dumm läuft, wird sich die Heimatunion spalten und der christdemokratische Flügel wieder verselbständigen (erst 2008 waren sie in der Union aufgegangen). Wenig glücklich ist auch das Signal an die politische Jugend, auch bei den Konservativen. Ist es etwa vorbildlich, ohne jede Basisarbeit direkt an die Spitze einer angesehenen und wichtigen Partei zu springen? Roivas z.B. macht schon seit er volljährig ist aktive Politik (auch in seiner Partei). Einmal wieder geben die Esten ein gutes Vorbild.
(Bild o.: Screenshot der Homepage von Tėvynes sąjunga; l.o. Kandidatin Degutienė, r.o. Landsbergis junior, darunter Landsbergis senior, der zwei Kadenzen im Europaparlament saß.)
[…] Zuerst erschienen auf lahayne.lt […]
[…] Landsbergis konnte seine Partei jedoch nicht zum Sieg führen (mehr über die Landsbergis-Dynastie hier). Die „Heimatunion“ hielt ihr Ergebnis und erreichte 31 statt bisher 33 Mandate. Nach dem […]
[…] auch keine große Mühe, seinen Enkel Gabrielius 2015 als Parteivorsitzenden zu installieren (s. hier). Dass der bis dahin politisch völlig Unerfahrene außer dem berühmten Namen zu wenig […]