Früchte und Brosamen

Früchte und Brosamen

In einer Hinsicht ist die christliche Studentenarbeit ein undankbarer Dienst. Für einige Jahre nehmen die jungen Leute am Gruppenleben und den Veranstaltungen der LKSB teil – und dann sind sie wieder weg, weil das Studium beendet ist. Die Arbeit mit den Ehemaligen oder Akademikern, in deren Rahmen man frühere Studenten regelmäßig zu Gesicht bekäme, steckt in Litauen noch in den Kinderschuhen. Sicher pflegen gerade die LKSB-Mitarbeiter Freundschaften zu Studenten, die dann oft anhalten. Die Vorstandsmitglieder sind in den Gruppen jedoch weniger präsent und haben meist kaum genaue Informationen, was aus den einzelnen LKSBlern im Berufsleben wird.

Manchmal erfährt man aber auf ungewohnte Weise über Folgen der LKSB-Arbeit. Am 18. Januar fand in Šiauliai im großen Saal der Freien christlichen Kirche der Abschlussgottesdienst der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt. (Dies ist leider nicht die Allianz-Gebetswoche, die ja in Litauen so gut wie nirgends praktiziert wird; noch gibt es keine Ev. Allianz.) Faktisch nahmen an dem ökumenischen Gottesdienst aber nur Mitglieder von protestantischen Gemeinden der Stadt teil – und ein katholischer Priester.

Die Pfarrer ergriffen einer nach dem anderen kurz das Wort. Den Priester erkannte Holger, weit hinten sitzend, nicht auf Anhieb. Gleich im ersten Satz erwähnte er aber überraschend die örtliche LKSB-Gruppe: Dort habe er zum ersten Mal wirklich in der Bibel gelesen. Und zum Glauben gefunden. Und damit war Holger klar: das ist Arūnas (s. Bild o.). Er besuchte um das Jahr 2000 die Šiauliaier Studentengruppe. Er ging dann, wie sich im anschließenden Gespräch herausstellte, auf das Priesterseminar in Kaunas, wurde zum Priester geweiht und arbeitete einige Jahre in einer Dorfpfarrei im Nachbarkreis Kelmė. Jüngst wurde er in die Stadt Šiauliai versetzt und arbeitet nun im Jugendzentrum des Bistums und als katholischer Kapelan der örtlichen Uni. Da schließt sich ein interessanter Kreis!

Die Beziehung zur katholischen Kirche war im Vorstand in den letzten fünf Jahren so manches Mal Diskussionsobjekt. Die Jahre zuvor ließ man das heiße Thema eher links liegen oder ging es nur halbherzig an. Will man jedoch glaubwürdig eine Art Arm der Kirche bzw. der Kirchen in der Hochschulwelt sein, darf die Sicht der Kirche nicht im Ungefähren bleiben. Nun hat der Vorstand einige Eckpunkte klar gemacht: Ziel der Arbeit ist die Stärkung der evangelischen Gemeinden im Land (vor zehn Jahren wurde so eine Aussage noch vehement verworfen). Ihr Besuch wird Studenten empfohlen, mit ihren Pastoren wird Kontakt gepflegt, ihre Unterstützung wird gesucht. Vorstandsmitglieder und angestellte Mitarbeiter von LKSB sollen Mitglieder von evangelischen Gemeinden sein. Schließlich ist auch das Glaubensbekenntnis (im Wesentlichen identisch mit dem der Europäischen Ev. Allianz) kein ‘ökumenisches’, sondern ein evangelikales. Katholiken können z.B. voll und ganz nicht mittragen, dass einzig die Bibel (und nicht noch daneben das Lehramt der Kirche, die Hl. Tradition, der Papst  usw.) höchste Autorität besitzt.

Diese Positionierung ist in einem Land mit großer katholischer Mehrheit und einem Prozent Evangelischer geradezu überlebensnotwendig. Es gab 2009 den konkreten Vorschlag, eng mit der katholischen Hochschulseelsorge zu kooperieren. Dies wurde verworfen, denn es hätte eine Auflösung in der dominierenden Mehrheitskultur zur Folge gehabt, LKSB hätte sein Profil verloren und wäre überflüssig geworden.

Dennoch können einzelne Katholiken von der LKSB-Arbeit profitieren wie das Beispiel von Arūnas nur zu deutlich zeigt. Studenten werden in keiner Weise gedrängt, die katholische Kirche zu verlassen. Sie sind natürlich frei, in ihrer angestammten Kirche zu bleiben. Viele von ihnen werden mit dem ‘Bibelstudium-Virus’ angesteckt, und Gott wirkt durch sein Wort – egal in welcher Kirche man ist oder gelangt. So hat LKSB ja auch den Glaubenskurs „Christsein entdecken“ vor allem (neben dem Einsatz unter den Studenten) für die evangelischen Gemeinden produziert. Nun zeigen aber auch einzelne Katholiken und sogar Priester Interesse. Auch Arūnas machte Holger mit dem Material bekannt.

Wachsende und gestärkte evangelische Gemeinden – das ist eine konkrete Frucht, die die Arbeit von LKSB hervorbringen soll. Aber es gibt eben auch die Brosamen, die vom Tisch fallen (Mt 15,27).

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