Eintrag im litauischen „Who is Who“
Viel ist in manchen christlichen Kreisen von „inkarnatorischer Mission“ die Rede. Mit Inkarnation ist die Menschwerdung Jesu gemeint. Dieser passte sich der menschlichen Lebensform an, und in ähnlicher Weise müsse auch Mission der Inkarnation Jesu gleichen, um erfolgreich zu sein.
So schrieb John Stott in Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit… Bd. 1 zu Joh 20,21: „Wenn nun unser Missionsauftrag als Christen der Sendung Christi gleichen soll, dann bedeutet er für uns, was er auch für ihn bedeutet hat, nämlich in das Leben anderer Menschen einzutreten und daran teilzunehmen.“ Gemeinden sollen sich in ihrem konkreten Lebenskontext an die Menschen anpassen, um ihnen so auf die richtige Art und Weise dienen zu können. „Echte Identifizierung und Nähe“ oder ein „inkarnatorischer Lebenstil“ werden gefordert, um die Welt nachhaltig mit dem Evangelium zu erreichen.
Ich persönlich halte den Begriff „inkarnatorisch“ in diesem Zusammenhang dennoch für eher problematisch (dazu bald ein weiterer Post auf diesem Blog). Missionwissenschaftler Eckhard Schnabel meint in Urchristliche Mission ebenfalls: „Die Begriffe ‘Kontextualisierung’ oder ‘Inkulturation’ sind sicherlich hilfreicher.“
Ein positiver Gedanke, der mit diesem Schlagwort „inkarnatorischer Mission“ verbunden wird, ist dabei aber gar nicht umstritten: Christen sind in Evangelisation und Mission dazu aufgerufen, sich tief in eine örtliche Kultur hineinzubegeben und sich damit (im Fall von Auslandsmission) einem neuen Kontext, einem Land, den Menschen und ihrer Sprache möglichst weit anzupassen. Gott selbst wurde auf Erden in Jesus einer von uns; in ähnlicher Weise sollen seine Jünger, also alle Christen, um des Evangeliums willen eins mit ihren Mitmenschen werden.
Was dies im Einzelnen bedeutet, ist gar nicht so einfach zu sagen. Wo und wie weit muss man sich anpassen und wo gerade nicht? Jeder Missionar in anderen Kulturen steht vor dieser Herausforderung. Hudson Taylor und andere Missionare der China Inland Mission trugen bekanntlich gerne chinesische Frisur und Kleidung. Ein sehr wichtiger Faktor ist außerdem sicherlich die Sprache der Einheimischen, die es nach Möglichkeit zu beherrschen gilt. Aber es gibt eben auch örtliche Traditionen wie Korruption, Gewalt gegen Frauen, absurde medizinische Gebräuche bis hin zu Zauberei usw., die gewiss nicht zu übernehmen sind.
Die zweite Person der Trinität wurde ganz Mensch, und das direkt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Will man ganz in einer Kultur eintauchen, brauchen wir Menschen dagegen meist viele Jahre. Und auch dann legen wir viele Bräuche, Eigenarten und kulturelle Prägungen unserer Herkunft nicht vollständig ab. Jesus war ganz Mensch, aber ich als Missionar in Litauen bin nicht ganz Litauer und brauche dies auch gar nicht zu sein. So denke ich gar nicht daran, meine deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben.
Mitte November bin ich, Holger, seit genau 25 Jahren in Litauen in verschiedenen missionarischen Bereichen tätig. Dass ich im litauischen Kontext in gewisser Weise ‘angekommen’ oder inkulturiert bin, bezeugt auch ein Eintrag in der Neuausgabe von Kas yra kas, des litauischen Who Is Who. Seit 1995 erschienen bisher ein halbes Dutzend Ausgaben dieses Nachschlagewerkes mit einigen Tausend Kurzbiographien von leitenden Persönlichkeiten im Land aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Religion. Zum großen Staatsjubiläum in diesem Jahr gab der Verlag im Sommer nach zehn Jahren eine stark erweiterte neue Auflage heraus. In Bälde soll eine begrenzte Anzahl von Einträgen auch im Internet zugänglich sein.
Dem Alphabet entsprechend befindet sich mein Eintrag auf einer Doppelseite mit denen des Landsbergis-Clans (auf dem Foto o. rechts). Patriarch Vytautas war der Anführer der Unabhängigkeitsbewegung ab 1988 und erstes Staatsoberhaupt des freien Litauens 1991-92. Noch immer ist er Ehrenvorsitzender der konservativen „Heimatunion“. Sein Enkel (Jg. 1982) führt inzwischen die Partei und macht sich Hoffnung auf das Amt des Regierungschefs. Dessen Frau Austėja ist die sehr ambitionierte Gründerin und Leiterin eines Netzes von Privatschulen. Links von ihnen kann sich der Leser über den Missionar aus Deutschland informieren.
Evangelische Christen, die einen Eintrag wegen ihrer kirchlichen Aktivitäten erhalten haben, gibt es wohl fast nur aus dem Bereich der in Litauen „traditionellen“ Kirchen wie der katholischen, der lutherischen und der reformierten. Von den Lutheranern fanden Bischof Sabutis und Pfr. Dr. Petkūnas Eingang ins Kas yra kas. Unser reformierter Generalsuperintendent Tomas Šernas findet Erwähnung wie auch sein Amtsvorgänger Pfr. Mikalauskas aus Biržai. Als evangelikaler und missionarisch Arbeitender bin ich wohl der Einizige in dem Wälzer. Die Leiter aus den jüngeren Freikirchen wurden leider übergangen. Das gleiche gilt für evangelistische Werke. GNC, das Gute-Nachricht-Zentrum, macht seit Jahrzehnten Radio- und Verlagsarbeit, hat eine Musikproduktion und veranstaltet Konzerte. Direktor Remigijus Jucevičius leitet das GNC, eine Art litauischer ERF, seit vielen Jahren, wird aber im Kas yra kas nicht genannt. Passend wäre auch ein Artikel über Susanne Kettler, die seit über zwanzig Jahren die Arbeit der Heilsarmee in Litauen leitet. Schließlich fehlt auch Saulius Karosas im Nachschlagewerk, der einer der aktivsten evangelikalen Leiter im Land ist und z.B. seit Jahren den Leadership Summit von Willow Creek in Litauen leitet und koordiniert.