Auf nach Vilnius!
Bei jeder Synode der reformierten Kirche in Litauen gibt es den Tagesordnungspunkt „apie misijas“ – über Missionen. Damit ist nicht die Aussendung eines Mitarbeiters in fremde Länder gemeint. Es geht um die Einsatzorte der Pfarrer, Katecheten und Lektoren im Land; ihnen wird der Dienst in bestimmten Städten Litauens von der Gesamtkirche verbindlich zugewiesen, sie werden dorthin entsandt (Mission von lat. mittere – schicken, senden).
Anders als z.B. in der hierarchisch gegliederten römisch-katholischen Kirche werden die betroffenen Mitarbeiter in solche Beschlüsse voll einbezogen. Niemandem wird das Arbeitsfeld mit Zwang zugewiesen. Alle Entsendungen geschehen im Einvernehmen mit den Wortverkündigern und natürlich auch den Ortsgemeinden. Die Synode befiehlt also nicht, bestätigt vielmehr offiziell im Namen der ganzen Kirche. Eine wichtige Rolle spielt dabei gewiss der Bedarf in den einzelnen Gemeinden.
Im Februar 2012 wurde Holger vom Generalsuperintendenten unserer Kirche erstmals angefragt, über eine Ordination ins geistliche Amt nachzudenken. Von Anfang an hatte Tomas Šernas dabei die Arbeit an anderen Orten als in Šiauliai im Blick, denn dort werden die wenigen Reformierten vom lutherischen Pfarrer Romas Pukys mitbetreut; die Perspektive einer ganz eigenständigen Gemeinde gab und gibt es daher nicht.
Seit vier, fünf Jahren überlegen wir daher, wohin unser Weg führen könnte. Dieser Prozess hat sich auch deshalb recht lange hingezogen, da wir seit 1991 bzw. 1993 in Šiauliai im Norden Litauens wohnen. Hier wurden unsere Kinder geboren, hier haben wir 2005 eine Wohnung erworben, hier besuchten wir viele Jahre die Freie christliche Gemeinde und seit 2009 die örtliche Pfarrei der Lutheraner und Reformierten. Wir haben in der viertgrößten Stadt des Landes Wurzeln geschlagen. Vor gut zwei Jahren gingen wir noch davon aus, dass wir den Absprung nicht schaffen, also in Šiauliai bleiben werden. Im Juni 2015 erwarben wir einen Garten.
Neue Umstände haben uns jedoch zum Umdenken bewegt. Recht überraschend beschloss die Synode der Kirche im vergangenen Jahr, dass für das Amt des Katecheten kein Universitätstudium der Theologie mehr Voraussetzung ist. Damit kann Holger mit seinem Abschluss vom Neues Leben Seminar (nun TSR) zum Katecheten ordiniert werden. Bisher stand das fehlende Hochschuldiplom dem im Wege. Der Katechet ist eine Art Hilfspfarrer, vergleichbar mit dem deutschen Vikar. Das Amt berechtigt zu praktisch allen gemeindlichen Diensten; über sich hat der Katechet dabei den Ortspfarrer.
Außerdem wird ab diesen Monat im Gebäude direkt neben der Kirche in Vilnius, das in Teilen der Synode gehört, eine Dienstwohnung eingerichtet. Die Renovierungsarbeiten sollten in diesem Jahr abgeschlossen werden. Dann können wir mit den beiden jüngeren Kindern diese Wohnung im Eigentum der Kirche beziehen. Schon seit langem lädt Šernas nach Vilnius ein, doch bislang war unsere Rückfrage immer: Wo sollen wir denn in der teuren Hauptstadt wohnen? Dieser Einwand fällt nun weg. Wegen des Schuljahrwechsels peilen wir nun einen Umzug für den Sommer 2018 an.
Die Dienstwohnung gibt uns nicht allen sechs Platz. Aber Isabelle hat nun die Schule beendet und wird bald ihre eigenen Wege gehen. Benjamin wird in zwei Jahren sein Abitur machen. Langsam verkleinert sich die Familie, und das macht uns etwas mobiler. Wenn Wohnung und Garten in Šiauliai verkauft sein werden, suchen wir eine langfristige Bleibe in Vilnius.
Recht lange gingen wir auch mit dem Gedanken schwanger, nach Kaunas zu ziehen. Seit Anfang des Jahres wohnen dort Frank und Emily Van Dalen – Missionare aus den USA, die noch bis 2025 in der reformierten Kirche Litauens tätig sein werden. Sie haben die Betreuung der recht kleinen Gemeinde in der Stadt übernommen.
Vilnius ist nach Biržai die mit Abstand größte Einzelgemeinde der Kirche. Generalsuperintendent Šernas ist schwerbehindert und an den Rollstuhl gebunden – mit entsprechenden Einschränkungen. Ortspfarrer Raimondas Stankevičius hat eine Vielzahl von administrativen Aufgaben und auch noch andere Gemeinden zu betreuen. Vieles liegt daher eher brach oder wird nur unzureichend abgedeckt, und unsere Mithilfe in Bereichen wie Gottesdienste, Bibelstunden, Katechese, öffentliche Veranstaltungen ist herzlich erbeten. Uns erreichten in letzter Zeit außerdem Stimmen von Gemeindemitgliedern in Vilnius, die in die Richtung „Kommt herüber und helft uns!“ (s. Apg 16,9) gehen.
Auch die Zusammenarbeit mit dem Vorstand und den Mitarbeitern von LKSB kann mit dem Ortswechsel verbessert werden, denn in Šiauliai wohnen wir nun weitab vom Schuss. LKSB-Generalsekretärin Sigita aus Vilnius begrüßt unser Vorhaben sehr. Schließlich gibt es auch in Vilnius ein Studienzentrum des EBI. Wir hoffen daher, dass alle unsere Dienste von einem Umzug profitieren werden.
[…] in der reformierten Gemeinde von Vilnius tätig sein. Mehr zu diesem Schritt haben wir ja schon hier ausgeführt. Erwünscht von den Freunden in Vilnius war schon ein Umzug in diesem Sommer, doch die […]
[…] „Auf nach Vilnius!“ hatten wir einen Beitrag von 2017 auf diesem Blog genannt. Und nun war es soweit: Am 2. September haben wir unsere Zelte in der litauischen Hauptstadt aufgeschlagen. Zelt ist gar kein so unpassender Vergleich, denn noch sind wir nicht in der Dienstwohnung neben der Kirche. Da die Umbau- und Renovierungsarbeiten immer noch nicht abgeschlossen sind, sind wir vorerst für ein paar Wochen in der Wohnung unseres Generalsuperintendenten Tomas Šernas untergekommen. Mit seiner Frau Rasa wird er noch den ganzen September in ihrem Ferienhaus südlich von Vilnius bleiben. Am 3. September startete für Amelie und Ludvic das neue Schuljahr am Christlichen Gymnasium im Vilniuser Vorort Pilaitė. Sie haben sich dort gleich wohlgefühlt. Ab Oktober werden sie eine gute halbe Stunde mit den Stadtbussen zur Schule fahren. (Auf dem Foto u. von 1915 sieht man links das Portal der reformierten Kirche; im Gebäude rechts ist die Dienstwohnung im 2. Stock oben links – dazu gehört der Balkon und das Fenster, durch das man auf die Kirche blickt.) […]