Pfingstbund „anerkannte Religion“
In Litauen gibt es laut Verfassung keine Staatsreligion; auch ein Kirchensteuersystem ist unbekannt. Volle Religionsfreiheit ist garantiert und verwirklicht. Neun Religionsgemeinschaften gelten seit dem entsprechenden Gesetz von 1995 als „traditionelle Religionen“, d.h. tief verwurzelt in Geschichte und Kultur des Landes. Neben römisch-katholischer und orthodoxer Kirche haben u.a. auch die evangelisch-lutherischen und reformierten Protestanten diesen Status.
Andere Kirchen haben die Möglichkeit der staatlichen Anerkennung („anerkannte Religionsgemeinschaft“). Eine Kirche bzw. ein Bund wird damit z.B. berechtigt, Religionsunterricht an Schulen durchzuführen. Geistliche können wie Standesbeamte off. Trauungen vornehmen. Außerdem übernimmt der Staat die Mindestbeiträge der Sozialversicherung für Pastoren solcher Kirchen. Es gibt also durchaus Vorteile der Anerkennung, wobei wohl am wichtigsten ist, dass die kleinen Kirchen den immer noch nicht selten vorgebrachten Vorwurf, eine Sekte zu sein, besser abwehren können. „Anerkannte Religionsgemeinschaft“ ist in etwa vergleichbar mit einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ in Deutschland.
Die Prozedur, die zur Anerkennng führt, ist recht kompliziert und langwierig. Die Glaubensgemeinschaft muss nachweisen, was sie alles Gutes getan hat und dass sie für die litauische Gesellschaft von Nutzen ist. Das Justizministerium, das auch für die Registrierung von Religionsgemeinschaften verantwortlich ist, erstellt anschließend eine Expertise und empfiehlt die Anerkennung oder nicht. Schließlich muss das Parlament abstimmen und seinen Segen geben.
Vorreiter war der Baptistenbund, dem 2001 die Anerkennung zugesprochen wurde. Sieben Jahre später folgten die Siebenten-Tags-Adventisten. Der Antrag der Methodisten hängt noch in der Warteschleife. Dafür kam es nun, am 3. November, endlich – viele Jahre nach der Empfehlung durch das Ministerium – zur Abstimmung über die Pfingstler. Mit großer Mehrheit erklärten die Abgeordneten des Seimas (eine Gegenstimme, einige Enthaltungen) den Pfingstbund zur anerkannten Religionsgemeinschaft.
Am letzten Sitzungstag der ausgehenden Wahlperiode hatte man sich offensichtlich den nichterledigten Hausaufgaben zugewandt. Kaum jemand interessiert sich im Parlament wirklich für solche Religionsfragen, die gerade einmal ein paar Tausend Menschen betreffen. Sicher wurde der Antrag eher durchgewunken. Aber immerhin: Wieder hat eine der klassischen Freikirchen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstanden, ihren rechtlichen Status in Litauen verbessert. Und das ist nur zu begrüßen. Es hängt von jeder Kirche selbst ab, was sie aus diesen Möglichkeiten macht.
Zu beachten ist schließlich, dass nur die Bünde, die kirchlichen Dachorganisationen, anerkannt werden, d.h. nicht alle Baptisten- oder Pfingstgemeinden. Und neben den Bünden gibt es noch recht zahlreiche unabhängige Gruppierungen und örtliche Gemeinden. So gehört die Gemeinde von Rimas Schwager Artūras in Kaunas nicht zum Baptistenbund und hat daher auch nicht den Status der Anerkennung.
Nur rund zehn Jahre nach Beginn der Pfingstbewegung in den USA entstand 1912 in Biržai die erste Pfingstgemeinde: „Biržų Evangelikų krikščionių drauguomenė“, die evangelische christliche Gemeinschaft. Ein Jahrzehnt später hatte sie an die 70 Mitglieder. Die meisten hatten reformierten Hintergrund, da der Kreis Biržai historisch von der reformierten Kirche geprägt war. Bis heute ist die konfessionelle Vielfalt in dem recht kleinen Ort ganz im Norden des Landes überraschend groß; Methodisten und Lutheraner, Adventisten und Baptisten fassten dort ebenfalls Fuß.
Die Gemeinde in Biržai um Pastor Petras Viederis missionierte aktiv in Nordlitauen und erweiterte sich 1931 zum Pfingstbund Litauens. 1922 gründete sich auch im damals zu Polen gehörenden Vilnius eine Pfingstgemeinde. In der Sowjetunion mussten die Pfingstler eine Art Zwangsehe mit den Baptisten eingehen. 1989 trennten sich beide Konfessionen auch in Litauen wieder. 1991 wurde der „Lietuvos Respublikos evangelinio tikėjimo krikščionių sąjunga“ (ETKS), der Christenbund evangelischen Glaubens, neugegründet (im Engl. wird die Konfession deutlicher: Union of Pentecostal Church of Lithuania).
Vor 25 Jahren bildeten Gemeinde aus Biržas, Kėdainiai, Klaipėda, Panevėžys und Vilnius den Bund. Heute zählen 21 Gemeinden zum ETKS, viele davon im östlichen Litauen (Visaginas, Švenčionys, Šalčininkai, Pabradė, Elektrėnai, Didžiašalis, Nemenčinė, Širvintos). Etwa die Hälfe der Gemeinden ist russisch geprägt. Der Pfingstbund hat unter den Evangelischen Litauens den mit Abstand höchsten Anteil russischsprachiger Mitglieder.
Der ETKS wird von einem Pastorenrat geleitet. Die Hälfe der Mitglieder gehören der russischen Volksgruppe an. Seit knapp zwei Jahrzehnten steht Bischof Rimantas Kupstys dem Bund vor. Einer seiner Stellvertreter ist Iwan Škul (lit. Ivanas Škulis), der auch Rektor des Theologischen College in Vilnius ist. Die Ausbildungsstätte wurde 1995 gegründet und hat bisher etwa 300 Absolventen hevorgebracht. Sie ist die älteste heute noch aktive theologische Lehranstalt der Evangelischen im Land (akkreditiert durch die EAAA). Zum EBI werden freundschaftliche Kontakte gepflegt. Im Seminargebäude, einen Steinwurf vom alten „Gebetshaus“ in der Krivules St. in Vilnius (s. Foto ganz o.), befindet sich auch die Verwaltung des Bundes. Im Keller hat außerdem LKSB einen Büroraum gemietet.
Der Pfingsbund ist Mitglied in internationalen Vereinigungen wie der „Pentecostal European Fellowship“. Enge Beziehungen unterhält man zu den „Assemblies of God“, der wetweit größten Pfingstkirche. Der ETKS ist Gastmitglied im „World Assemblies of God Fellowship“.
In Litauen scheut der Bund nicht die Zusammenarbeit mit anderen Christen. Zwar ist man der Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche gegenüber recht reserviert eingestellt, doch in der Bibelgesellschaft arbeiten Vertreter des Bundes schon lange auch mit diesen zusammen. Bischof Kupstys bemüht sich außerdem schon eine Weile um die Grüdung einer Evangelischen Allianz in Litauen. Ein Vorstandsmitglied von LKSB gehört zur Pfingstgemeinde in Kaunas.
[…] der Vorteile der Anerkennung ist, dass die Kirchen den Sektenvorwurf besser abwehren können. (Hier […]