Wir sind Katholiken!
Credo in Spiritum Sanctum, sanctam Ecclesiam catholicam
Was macht die katholische Kirche so attraktiv? Warum treten immer wieder Christen aus einer protestantischen Gemeinschaft in diese Kirche über? Sie verlassen das unübersichtliche Gewirr der Evangelischen und werden Mitglied der einen, der allgemeinen, eben der katholischen Kirche. Da ist Einheit (wenn auch in Vielfalt), da ist historische Kontinuität, da ist eine riesige weltweite Familie. Da ist die Katholizität – und was haben die Protestanten? Sie, so scheint es, können da kaum mithalten und sind in der Defensive. Wie meinte schon vor über 150 Jahren Alexis de Tocqueville:
„Die Menschen unserer Tage sind von Natur aus dem Glauben wenig geneigt, sobald sie aber eine Religion haben, treffen sie alsbald in ihrem Innern auf einen verborgenen Antrieb, der sie unterschwellig zum Katholizismus drängt. Mehrere der Lehren und Bräuche der römischen Kirche erstaunen sie; sie bewundern aber insgeheim ihre Organisation, und ihre große Einheit zieht sie an.“ (Über die Demokratie in Amerika)
Das Wort „katholisch“ stammt vom gr. Adjektiv katholicos, was „ganz“ (Adverb katholou – „völlig“, „vollständig“) bedeutet. Im Neuen Testament ist es nicht zu finden, aber schon Ignatius aus Antiochien schrieb ca. 115 in einem Brief an Christen in Smyrna: „Denn da, wo Jesus Christus ist, ist auch die katholische Kirche“. Und Polycarp soll 156 für „alle katholischen Kirchen in der ganzen Welt“ am Tag seines Martyriums gebetet haben. Cyrill von Jerusalem (4. Jhdt.) verstand katholisch im Sinne der Ausdehnung der Kirche, aber auch als Vollständigkeit der Lehre: die katholische Kirche verkündigt allen den ganzen Ratschluss Gottes. Ein katholischer Christ ist demnach ein orthodoxer, d.h. rechtgläubiger Christ. So heißt es auch im Athanasischen Bekenntnis: „Wer da selig werden will, der muss vor allem den katholischen Glauben festhalten. Jeder, der diesen nicht unversehrt und unverletzt bewahrt, wird ohne Zweifel ewig verloren gehen. Dies aber ist der katholische Glaube…“ Schließlich finden wir dann im Apostolischen Bekenntnis den bekannten Satz: „Credo in Spiritum Sanctum, sanctam Ecclesiam catholicam“ – ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche.
Auf diesem Fundament stehen auch die Kirchen der Reformation. Keiner der Reformatoren des 16. Jahrhunderts wollte eine im wahren Sinne neue Kirche gründen. Schon die lutherische Reformation verstand sich als innerkatholische Reformbewegung. Luther bestand darauf, dass „wir bei der rechten alten Kirche geblieben, ja dass wir die rechte alte Kirche sind“, nämlich die heilige katholische Kirche.
Im ersten wichtigen Reformationsbekenntnis, der Confessio Augustana, vorgelegt beim Reichstag zu Augsburg 1530, kommt diese Überzeugung zum Ausdruck. Dort wird in Artikel 7 zwar nicht der Begriff katholisch genannt, aber es ist die Rede von der „einen heiligen, christlichen Kirche“. Die Protestanten hofften damals noch, dass auch die organisatorische Einheit der Kirche womöglich noch zu bewahren bzw. wiederherzustellen sei und formulierten daher auf Ausgleich bedacht den Text der Confessio. Doch der Rom treue Kaiser entgegnete mit der (von einer Theologenkommission geschriebenen) „Widerlegung“ der Confessio. Es kam zu keinerlei Einigung. Folge des Reichstag zu Augsburg war daher, dass es nun zu einer klaren Unterscheidungen kam: „Römisch“ oder „päpstlich Gesinnte“ waren die einen, „Augsburgische Confessions-Verwandte“ (die Protestanten) die anderen. Aber „katholisch“ waren beide Gruppierungen, selbstverständlich auch die Vertreter der Augsburgischen Konfession.
Auch das Konkordienbuch des Luthertums von 1580 beginnt mit den drei altkirchlichen „Symbolen“: dem apostolischen, dem nicänischen und dem athanasischen Glaubensbekenntnis, und es folgen dann die lutherischen Bekenntnisschriften aus der Reformationszeit. Gerade durch den Beginn mit den drei altkirchlichen Symbolen und durch ihre lateinische Textfassung soll die Katholizität der evangelisch-lutherischen Kirche deutlich gemacht werden. „Credo… et unam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam“ (Nicänum) – das Bekenntnis zur „einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ ist das offizielle lutherische Bekenntnis.
Reformation ist Streit um wahre Katholizität
Gleiches gilt für die reformierte Tradition (Reformatoren Zwingli, Calvin, Bucer, Bullinger, Knox). Calvin befasste sich ein erstes Mal ausführlich mit der Kirchenfrage in seinem Brief an Kardinal Sadoleto (1539). „Die wahre Gestalt der Kirche war damals untergegangen“, so der damals in Straßburg wohnende Reformator. Warum? „Dein [an dieser Stelle ist Gott gemeint] Wort, das Deinem ganzen Volk wie eine Fackel hätte voranleuchten sollen, war uns weggenommen oder mindestens vorenthalten.“ Calvin gebraucht das Bild eines Verbandes von Soldaten im Kampf. Die Evangelischen sind keine Fahnenflüchtige, keine Desertierer, im Gegenteil: „Ich habe keine fremde Standarte aufgezogen, um sie [die Soldaten, d.h. die Christen] aus ihrer Verirrung zu sammeln, sondern Dein herrliches Feldzeichen, dem wir Gefolgschaft leisten müssen, wenn wir zu Deinem Volk gerechnet werden wollen.“ Es gibt nur ein Feldzeichen, um das die Soldaten sich sammeln, nur eine Kirche, die auf Christus hört und sich an seinem Wort orientiert.
Calvin gesteht ein, dass bei den Evangelischen tatsächlich eine „gründlich veränderte Form der Lehre entstanden“ ist. Doch diese „zog uns nicht vom christlichen Bekenntnis ab, sondern führte das Bekenntnis an seine Quelle heran, befreite es wie von Schlacken und stellte es in seiner ursprünglichen Reinheit wieder her.“ „Meine Ehrfurcht vor der Kirche“ hielt den Studenten Calvin erst davon ab, sich den Evangelischen anzuschließen. „Aber nachdem ich einmal meine Ohren geöffnet und mir die Belehrung hatte gefallen lassen, erkannte ich wohl, daß meine Befürchtung, es könnte die Hoheit der Kirche geschmälert werden, völlig überflüssig war.“
Im Zweiten Helvetischen Bekenntnis (Kap. 17,2) von 1566 heißt es dann:
„Und da es immer nur einen einzigen Gott gibt, nur einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Messias Jesus, einen Hirten der ganzen Erde, ein Haupt dieses Leibes, schließlich einen Geist, ein Heil, erzen Glauben und ein Testament oder einen Bund, so folgt daraus notwendig, dass es auch nur eine einzige Kirche gibt. Deshalb nennen wir sie die katholische christliche Kirche, weil sie allumfassend ist, sich über alle Teile der Welt und über alle Zeiten erstreckt und weder durch Ort noch Zeit eingeschränkt ist.“
Im lateinischen Original lautet der Beginn des langen Untertitels des Bekenntnisses „Confessio et expositio simplex orthodoxae fidei et dogmatum Catholicorum syncerae religionis Christianae“ (Ein Bekenntnis und eine einfache Erklärung des orthodoxen Glauben und der allgemeinen Lehren der wahren christlichen Religion). David Pareus (1548-1622), Schüler des Zacharias Ursinus und Professor für reformierte Theologie in Heidelberg schrieb 1593 Summarische Erklärung der wahren Catholischen Lehr.
Das reformierte Westminster-Bekenntnis aus dem Jahr 1647 schreibt über „die unsichtbare Kirche“: „Die katholische oder universale Kirche, die unsichtbar ist, besteht aus der Gesamtzahl der Erwählten, die in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft unter Christus, ihrem Haupt, in eins vereinigt wurden und werden “ (25,1). Im folgenden Abschnitt wird gleich ergänzt: „Die sichtbare Kirche, die unter dem Evangelium ebenfalls katholisch ist und universal ist…, besteht aus allen denen in der ganzen Welt, die die wahre Religion bekennen…“ (25,2).
Der große Reformationshistoriker Heiko Oberman (1930–2001) zusammenfassend:
„Christlicher Glaube ist katholisch. Er bekennt mit der ganzen Kirche und für die ganze Kirche, weil er die ganze Wahrheit Christi umfasst. Diese Katholizität ist in der Confessio Augustana fest verankert und nicht zu verwechseln mit römischem Katholizismus. Römischer Katholizismus hat sich später auf dem Konzil zu Trient losgesagt von der Reformation und damit von jener in der Confessio Augustana bezeugten evangelischen Katholizität… Reformation ist somit immer zugleich Streit um wahre Katholizität!“ (Die Reformation – Von Wittenberg nach Genf)
In der Regel bezeichnet sich die römisch-katholische Kirche selbst nur mit „katholische Kirche“. Dies wird gut deutlich im Katechismus der Katholischen Kirche, der sich eben auch nicht „… der Römisch-Katholischen Kirche“ nennt. Dort wird in §830 erklärt: das „Wort ‘katholisch’ bedeutet ‘allumfassend’ im Sinn von ‘ganz’ oder ‘vollständig’.“ Dies stimmt natürlich. Problematisch ist aber die Identifizierung der römischen mit der katholischen Kirche. Nur in der Papst-Kirche sei die „Fülle der Mittel zum Heil“ zu finden, denn sie habe „das richtige und ganze Glaubensbekenntnis, das vollständige sakramentale Leben und das geweihte Dienstamt in der apostolischen Sukzession“ bewahrt.
Die Kirche von Rom ist daher im eigenen Verständnis „die“ Kirche. Der berühmte Theologe Hans Urs von Balthasar (1905–1988) sagte deutlich: „Die katholische Kirche ist nicht eine Kirche unter anderen, sondern die einzige Quelle, von der die anderen kommen, der Ort der Vereinigung all der Kirchen, die von ihr sich abgespalten haben…“ (In the Fullness of The Faith; s. auch den Text „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ der Kongregation für die Glaubenslehre aus dem Jahr 2007, wo von der „vollständige[n] Identität der Kirche Christi mit der katholischen Kirche“ die Rede ist). Evangelische Christen werden nicht mehr Häretiker genannt, sondern „getrennte Brüder“, doch sie bilden nur „kirchliche Gemeinschaften“, aber keine Kirchen (nur den Orthodoxen wird dieser Status zugestanden). Auch sie gehören indirekt der einen katholischen Kirche in Rom an. In §836 des KKK heißt es zu der Frage „Wer gehört der katholischen Kirche an?“: „Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes… sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind.“ [Zitat aus Lumen gentium,13]
Ein halbeingestürztes Bauwerk
Es ist nur zu bedauern, dass sich die heutige evangelische Christenheit die Bezeichnung „katholisch“ hat weitgehend abspenstig machen lassen. Die reformierte, erneuerte katholische Kirche – das wollen die Evangelischen sein; die Kirche der Apostolischen Väter, des Athanasius und Augustins; aber zum Papst wollen sie nicht gehören, auf Rom ausgerichtet sind sie nicht.
Ein Stück weit hat man sich auch die Lehre von der Kirche stehlen lassen. Meist überlässt man es den Römisch-katholischen, sich ihrer Kirchlichkeit zu rühmen. Viele Evangelikale dagegen haben sich ‘spezialisiert’ auf Mission, Evangelisation, Jüngerschaft oder auch Umweltschutz, zeitgenössische Kultur und Lobpreis, Prophetie und Heilung und und und. Die Lehre von der Kirche, die Ekklesiologie, wird tendenziell eher vernachlässigt (und wenn man sich mit ihr an theologischen Ausbildungsstellen intensiver beschäftigt, geht man häufig – ganz praktisch – schnell zu den Dienstbereichen der Gemeinde über). Es gerät so leider oft in Vergessenheit, dass das evangelische Kirchenverständnis viel besser, weil vor allem biblischer ist als das von Rom.
Es wird Zeit, auf die Reformatoren und viele große Theologen der lutherischen, reformierten und anabaptistischen Tradition zu hören. So betonte der Presbyterianer A.A. Hodge (1823–1886), dass sich die klassischen Kennzeichen der Kirche (allgemein, apostolisch, unfehlbar und rein) im eigentlichen Sinne nur auf den unsichtbaren Leib Christi beziehen können; Kirche als sichtbare Organisation ist zwar wichtig, aber nicht das Wesentliche/Hauptsächliche (Rom sieht es genau andersherum). Die eine unsichtbare Kirche wird immer bestehen; Organisationen werden gegründet und können auch wieder vergehen. So auch das Westminster-Bekenntnis: „Diese katholische Kirche ist zweitweise mehr, zeitweise weniger sichtbar gewesen. Und die Teilkirchen, die ihre Glieder sind, sind mehr oder weniger rein, je nachdem, wie klar oder weniger klar in ihnen die Lehre des Evangeliums gelehrt wird…“ (25,4)
Kirche, katholische Kirche ist nach evangelischem Verständnis dort, wo das Wort Gottes – vor allem das Evangelium – verkündet und gehört wird (s. die oben genannte Vollständigkeit der Lehre). Schon Luthers Katholizität hat ihr tragendes Fundament im Wort der Heiligen Schrift: „Wo du solch Wort hörest oder siehst predigen, bekennen und danach tun, da habe keinen Zweifel, daß gewißlich daselbst sein muß eine rechte Ecclesia sancta Catholica.“
Calvin sah dies genauso: „Denn das ist das bleibende Kennzeichen, mit dem unser Herr die Seinen bezeichnet: ‘Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme’ (Joh 18,37)… Wo auch immer dies Merkzeichen zu sehen ist, da kann es nicht täuschen, sondern es weißt mit Sicherheit darauf hin, daß da Kirche ist.“ (Institutio, IV,2,4)
Dieses dynamische Verständnis erlaubt es den Protestanten, auch innerhalb der römischen Kirche hier und dort Kirche zu sehen. Calvin nennt sie zwar insgesamt „falsche Kirche“ (IV,2), aber eben immer noch Kirche: „so leugnen wir deshalb nicht, daß es bei ihnen Kirchen gibt…“ Denn Gott hat „unter ihnen Spuren der Kirche… übrigbleiben lassen wollen“ (IV,2,11). Und: „Ich sage, daß hier Kirchen sind, sofern der Herr darin die Überbleibsel seines Volkes, wie jämmerlich zerstreut und auseinandergetrieben sie auch sein mögen, auf wundersame Weise bewahrt; Kirchen sind hier, sofern noch einige Merkzeichen der Kirche bestehen bleiben…“ (IV,2,12) Die damalige römische Kirche: für Calvin ein „halbeingestürztes Bauwerk“ (IV,2,11). Auch Dietrich Bonhoeffer sagte, dass die Eine Kirche „in der Kirche Roms verborgen ist“, also dort durchaus vorhanden, aber versteckt ist (Ethik).
Protestanten differenzieren hier also recht gut. Luther bezeichnete den damaligen Papst als Antichrist, aber damit war für ihn die gesamte Kirche noch kein Teufelsverein. Calvin warnte ausdrücklich vor kirchlicher Gemeinschaft mit römischen Katholiken (IV,2,9), leugnete aber nicht, dass es dort echte Geschwister im Herrn gibt.
Eine andere Religion
Eine wichtige Folge dieses Konzepts ist die Forderung nach Selbstkritik. Denn man kann sich ja auch als Evangelische nicht stolz auf seinem Status als vermeintlich wahre erneuerte Kirche ausruhen. Wenn in evangelischen Gemeinden Christi Stimme nicht mehr zu hören ist, sein Wort verachtet und seine Ordnungen mit Füßen getreten werden, dann ist auch dort eher weniger Kirche zu sehen, sind vielleicht nur noch kleine Spuren übrig.
Gresham Machen (1881–1937, spr. „Meitschen“), lange Jahre Professor an Princeton Seminary in den USA, dann Mitgründer des Westminster Theological Seminary, veröffentlichte 1923 ein Buch, das wie eine Bombe in seiner reformierten Kirchenfamilie einschlug: Christianity and Liberalism (Christentum und Liberalismus). Machens Hauptaussage: der protestantische Liberalismus, der damals seinen Siegeszug durch die Kirchen fortsetzte, ist „eine andere Religion“ als das Christentum; der Liberalismus stelle „einen völlig verschiedenen Typus des religiösen Glaubens“ dar. Denn, so Machen, „Liberalismus findet die Erlösung (so man denn überhaupt noch davon spricht) im Menschen. Das Christentum findet sie im Handeln Gottes.“ Die liberalen Protestanten, ob nun unter den Anglikanern, Methodisten oder Reformierten, predigen letztlich Selbsterlösung – und das steht dem Christentum diametral gegenüber.
Calvin und Luther haben sich nie dermaßen scharf zur römischen Kirche geäußert. Sie wussten, dass dort das Evangelium zwar verfälscht oder verzerrt gelehrt wird, aber man kann es hier und da eben noch heraushören. Vor allem war man (und ist in weiten Teilen) in Rom dem Supranaturalismus treu; die Liberalen dagegen beseitigten so gut wie alle Elemente des Übernatürlichen.
Machen spricht oft in seinem Buch von einem Kampf für das unverfälschte Christentum. Doch die Kampfeslinie verläuft eben seit dem Vormarsch des theologischen Modernismus sehr geschlängelt. Machen sah Welten zwischen sich und anderen Presbyterianern. Heute hat ein konservativer Anglikaner aus Nigeria oder Uganda mit seinen pfingstlerischen und lutherischen und eben auch römisch-katholischen Geschwistern wesentlich mehr gemein als z.B. mit Vertreten der anglikanischen Episkopal-Kirche in Nordamerika. Ein litauischer Lutheraner wird die Schriften von prominenten Mitgliedern der römischen Kirche wie M. Novak, P. Kreeft oder auch R. J. Neuhaus mit mehr Gewinn lesen und mehr Evangelium darin entdecken als in den Resolutionen seiner schwedischen Glaubensfamilie.
In der Erklärung „Evangelicals and Catholics Together“ (1994) hieß es: „We affirm together that Christians are to teach and live in obedience to the divinely inspired Scriptures, which are the infallible Word of God.“ Das sagen so (und meinen auch so) einige Evangelische (die Evangelikalen) und einige Römisch-katholische – längst nicht alle in diesen Konfessionen. Inzwischen nehmen viele Katholiken das Wort Gottes ernster als viele evangelische Theologen, die Ausdrücke wie „unfehlbares Wort“ geradezu angewidert von sich weisen.
Was kann nun in der Praxis getan werden, um die Katholizität der Evangelischen zu unterstreichen? Welche Begriffe sind zu wählen? Natürlich ist zu beachten, dass wir das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen. Die evangelischen Kirchen haben inzwischen recht fest traditionell verankerte Namen; Änderungen sind hier kaum möglich. Auch die Rede von „evangelischen Katholiken“, eigentlich vom Sinne her zu empfehlen, ist nicht hilfreich. Denn gerade in den USA sind „evangelical catholics“ vor allem nach Rom konvertierte Protestanten mit gewissem evangelischem Erbe/Prägungen (Kreeft, Neuhaus, Beckwith u.a.).
Man kann allerdings bevorzugt „römisch-katholisch“ zur Kirche von Rom sagen, um ihnen so nicht das alleinige Adjektiv katholisch zu belassen. Dies bedeutet keine Verletzung von römischen Katholiken, da dieser Begriff ihnen erlaubt ist und man ja auch in gewisser Weise auf die Zugehörigkeit zu „Rom“ stolz ist. So wird auch aber deutlich, dass Evangelische den Quasi-Monopolanspruch von Rom ablehnen und die römische Kirche eben als eine Kirche neben anderen sehen.
Und als Evangelische sollte man ruhig in den Bekenntnistexten und anderen wichtigen Dokumenten ab und an auch den Begriff katholisch gebrauchen. Luther prägte die Übersetzung (im Apostolikum) von „heilige christliche Kirche“ (statt katholische), was sicherlich in der Sache kein Fehler ist. In lutherischen Ländern ist dies vielleicht auch sinnvoll (als die eine Kirche wird dort eben die evangelische wahrgenommen). In Ländern wie Litauen, wo die Evangelische qua mangelnder Größe fast immer schon unter Sektenverdacht stehen, kann es nur hilfreich sein, deutlich den Anspruch zu erheben: auch wir sind Kirche – katholische Kirche!
(Eine litauische Version des Beitrags gibt es hier.)
[…] Verständnis der Katholizität, d.h. zum Beispiel, ob das Papstamt zwingend erforderlich ist. (Hier […]