Das Engel-Quiz

Das Engel-Quiz

Weihnachtszeit. Engelzeit. Engelinvasion. Und nun erscheinen auch in Litauen immer mehr Bücher über die himmlischen Assistenten und ihr Werk wie das Buch der Engel (Angelų knyga) mit dem vielversprechenden Untertitel „Wenden Sie sich an Ihre Engel um Rat, geistliche Ruhe und Inspiration“ („Kreipkitės į savo angelus patarimo, dvasinio nusiraminimo ir įkvėpimo“).

Die Engel sind wieder da. Und man fragt sich, wie solch wunderbare Wesen so lange außer Mode gewesen sein konnten. Schließlich werden den Engeln in dieser modernen Literatur doch fantastische Züge nachgesagt: „Gott schuf die Engel, um das Universum zu erhalten und die Menschheit zu retten…“ heißt es da; und: „hinter alle Tieren, Pflanzen und Mineralien, Planeten, Sternen und Winden steht der Verstand eines Engels“. Geradezu allgegenwärtig scheinen sie zu sein: „Sie können jede beliebige Gestalt annehmen“. Ihre Aufgabe und Botschaft wird mit ausschließlich positiven Begriffen umschrieben: „Alle Engel sind von ihrem wesen her Enegel der Liebe“. Sie seien nur dazu da, uns zu beschützen, zu trösten, zu helfen, zu leiten usw. usw. – nach dem Motto: Hab keine Angst. Es ist alles o.k. Es gibt nur Liebe. Kritiker dieses Engel-Wahns nennen diese Ko-Piloten unseres Leben daher auch spöttisch lieber unsere „kosmischen Cheerleader“.

Damit nicht genug. Engel sollen auch in uns leben und uns besser kennen als wir uns selbst. Außerdem können wir uns – angeblich – an eine Vielzahl von Engeln in Ritualen und Gebeten wenden. Für alle Lebensbereiche, für Orte, Altäre, Kirchen, Familien, für Tugenden, Elemente wie Wind und Feuer, Wasser und Sturm soll es zuständige Engel geben. Äußerst beliebt sind vor allem die persönlichen Schutzengel. Manche Heilspropheten (wie Rudolph Steiner) meinen, dass wir dereinst zu Engeln werden.

So ein Unsinn ist im Beitrag „Wofür sind die Engel da?“ des evangelischen Magazins „Chrismon“ natürlich nicht zu finden. Gegen Ende heißt es dort: „Die große Beliebtheit der Engel – eine Bedrohung für das Christentum? Nein! Denn Engel verweisen immer auch darauf, wie der ferne, in seinem Handeln oft so schwer zu begreifende Gott Menschen nahekommt.“ Gewiss kommt Gott Menschen durch Engel nahe. Aber geschieht dies wirklich, damit der ferne Gott besser begriffen wird? Ist es nicht vielmehr so, dass das Wirken der Engel weitgehend geheimnisvoll ist und bleibt und dass Gottes viel weniger?

Breitenwirkung haben Engel in den letzten Jahren auch durch viele Filme und TV-Serien erhalten. In der „Stadt der Engel“ verliebt sich Engel Nicholas Cage in Meg Ryan. Ähnliche Gefühle wurden auch schon bei den Engeln in Wim Wenders berühmten „Himmel über Berlin“ wach. Steven Spielberg probierte sich an dem Thema in „Always“. John Travolta mimte den Engel „Michael“. In einem der „Matrix“-Filme zog ein Engel über die Kinoleinwände: Seraf überbringt Botschaften, führt, leitet und kämpft – ganz wie einer der biblischen Engel, der Serafim. Und in der Serie „Ein Engel auf Erden“ spielt Michael Landon einen sympathischen Liebling-aller-Schwiegermütter-Schutzengel.

Die Engel sind wieder da. Doch was können wir wirklich über sie wissen? Ein kleiner biblischer Engel-Quiz, denn die Bibel ist die einzig verlässliche Informationsquelle, die wir zu diesem Thema haben.

 

1. Was bedeutet das Wort „Engel“?

o Beschützer

o Bote

o Tröster

Das gr. Wort angelos (wie auch das hebr. malak) bedeutet Bote oder auch Repräsentant. Ein Engel ist der Überbringer einer Botschaft. Damit stellt sich sogleich die Frage: eine Botschaft von wem? Wen repräsentiert er? Die Aussage der Bibel ist völlig klar. Engel sind Boten Gottes. Sie treten nie in eigenem Namen und mit eigener Autorität auf, sondern verweisen immer auf die höhere Instanz Gott. Oft werden sie daher auch als Engel „aus dem Himmel“ bezeichnet (z.B. Gal 1,8) – sie kommen eben nicht von irgendwo her, sondern von Gott.

Neben angelos/malak gebraucht die Bibel auch andere Begriffe für diese Wesen: Heilige, Sterne, Heerscharen, Söhne Gottes usw.

[richtige Antwort: 2]

 

2. Was sind Engel?

o Persönliche Geistwesen

o Geister (Gespenster)

o Traumvorstellungen von Menschen

Engel sind wie Gott körperlose geistliche Wesen (Hbr 1,14), unsterblich (Lk 20,36), aber wie die Menschen geschaffen (Kol 1,16). Hi 38,4–7 macht deutlich, dass sie vor der Erschaffung der Menschen schon existierten. Viel mehr können wir jedoch nicht sagen. Die jüdische Tradition glaubt an eine Erschaffung der Engel am zweiten Schöpfungstag. Möglicherweise sind sie im Genesis-Schöpfungsbericht nicht erwähnt, weil sie nicht – wie die gesamte sichtbare Schöpfung – der Autorität der Menschen unterstellt sind.

Engel sind als solche körperlos, können jedoch menschliche Gestalt annehmen und in die physische Welt eintreten, in ihr handeln, wie zahllose biblische Beispiele zeigen. Engel sind Persönlichkeiten mit Wille, Verstand und Gefühl (Lk 15,10!). Und natürlich sind sie real!

Norman Geisler faßt die Vor- und Nachteile des Engeldaseins gut zusammen: „Kein Engel kann an Lebensmittelvergiftung sterben, aber genauso wenig können Engel ein Rindersteak genießen. Kein Engel ist je ertrunken, aber auch kein Engel ist hat je das Schwimmen oder Wasserskifahren genossen. Kein Engel ist je vergewaltigt worden, aber ein Engel hat auch nie Sex erlebt oder sich an seinen Kindern erfreut (Mt 22,30).“

[richtige Antwort: 1]

 

3. Sind Engel Götter?

o Ja

o Nein

o Nein. Aber sie sind halbgöttliche Mittlerwesen

In der Ordnung der geschaffenen Dinge haben die Engel wohl die meisten gottähnlichen Züge (Unsterblichkeit, Geistwesen). Dennoch fehlen ihnen alle wichtigen göttlichen Attribute. Sie sind nicht allwissend (Mt 24,36; 1 Pt 1,12) und nicht allgegenwärtig, immer nur an einem Ort präsent. Engel stärken, trösten, leiten, geben Einsicht wie der Heilige Geist, doch nur dieser wohnt in den Gläubigen. Ihre Anbetung ist eindeutig untersagt (Kol 2,18). Gebet zu ihnen findet nirgendwo in der Bibel statt. Engel sind vielmehr, wie die Menschen, Diener Gottes (Off 19,10), die Gott gehorsam sind und seinen Willen ausführen. In 1 Kor 6,3 heißt es sogar dass Christen über Engel richten werden. Hbr 1,4–14 macht sehr deutlich, dass Jesus (Gott!) weit über den Engeln steht.

Die esoterische Engelliteratur dagegen verwischt die Grenze zwischen Gott und den Engeln, wenn ihre Macht in fantastischer Weise ausgedehnt wird (s.o.). Engel sind nicht göttlich oder Götter niederen Ranges.

[richtige Antwort: 2]

 

4. Haben Engel Flügel? Oder: Wie sehen Engel aus?

o Alle Engel haben Flügel

o Kein Engel hat Flügel

o Manche Engel erscheinen mit Flügeln

Als Geistwesen sind Engel körperlos und haben daher kein Aussehen im direkten Sinne. Sie können aber vielfältige Gestalt annehmen. Da ihre Aufgabe vor allem auch das Überbringen von Botschaften an die Menschen ist, nehmen sie auch oft menschliche bzw. menschenähnliche Gestalt an. In Gen 18–19 erkennen Abraham und dann die Sodomiten die Engel nicht als Engel. Sie halten sie für Menschen. Auch Hbr 13,2 macht deutlich: Engel können uns in der Erscheinung so ähneln, dass wir ihrer nicht gewahr werden.

Wichtigstes besonderes Kennzeichen vieler Engelerscheinungen im AT wie im NT ist Helligkeit. Engel tragen öfter weiße, strahlende Kleider (Lk 24,4; Apg 10,30). Ihr Auftreten ist mit hellem Licht verbunden (Lk 2,9; Apg 12,7). An anderen Stellen werden sie als Feuer (Ps 104,4; 2 Kön 2,11; 6,17; Apg 7,30) dargestellt. All dies soll sicherlich ihre Herkunft von und Verbundenheit mit Gott ausdrücken. Gott selbst ist Licht, was wie die Farbe weiß Reinheit, Heiligkeit, Sündlosigkeit symbolisiert.

Als geflügelte Engel werden in der Bibel nur die Serafim und Cherubim geschildert. Einzig der Prophet Jesaja beschreibt die Serafim – Wesen mit sechs Flügeln (Jes 6,2). Die Cherubim, die wir schon in Gen 3,24 als Wächter vor dem Garten Eden treffen, schaut Hesekiel in seinen Visionen (Hes 1+10). Sie haben Flügel (jedoch meist mehr als ein Paar!) und viele Gesichter und Augen. Einen fliegenden Engel erwähnt die Bibel einzig in Off 14,6. Auch über der Bundeslade und im Tempeldekor finden sich geflügelte Cherubim. Flügel unterstreichen wohl das Dasein im Himmel bei Gott, weit enthoben vom Menschen.

Wichtig festzuhalten ist, dass die Standard-Darstellung von Engeln (‘normaler’ Mensch mit Flügelpaar) so also kein direktes biblisches Vorbild hat. Die beflügelten Engel befinden sich im Himmel. Die mit Menschen kommunizierenden Engel werden dagegen nie mit Flügeln beschrieben. Sie erscheinen als Menschen wie wir, einzig in einigen Fällen hervorgehoben durch Licht/Weiß. Auch das populäre Bild der Engel als kleine, niedliche Kinder hat keinen biblischen Beleg. Dort sind Engel immer Erwachsene – zumindest menschengroß.

Anders als die populären Engelbücher teilweise behaupten, erscheinen Engel auch in der Bibel nie in irdischen Tieren oder sprechen durch Pflanzen o.ä.

[richtige Antwort: 3]

 

4b. Welches Geschlecht haben Engel?

o Engel sind geschlechtslos

o Engel sind Männer

o Engel sind Männer und Frauen

Als körperlose Wesen sind Engel grundsätzlich geschlechtslos, denn Geschlechtlichkeit ist ja direkt mit unserer Körperlichkeit verbunden. Auf Erden erscheinen Engel tatsächlich meist als Männer (s. Gen 18+19 oder Lk 24,4), doch der Prophet Sacharja schaut auch ein weibliches Engelwesen (Sach 5,9–11). Die Parallele zur Darstellung Gottes in der Bibel dürfte kein Zufall sein: Auch Gott als Geist ist natürlich als solcher ohne Geschlecht. Meist spricht die Bibel jedoch mit männlichen Attributen von ihm. Vereinzelt werden jedoch auch seine weiblichen Züge betont.

[richtige Antwort: 1]

 

5. Werden Menschen zu Engeln?

o Menschen werden im Himmel zu Engeln

o Menschen werden im Himmel den Engeln ähnlicher sein als nun

o Im Himmel wird es keinen Unterschied mehr geben zwischen Menschen und Engeln

In der Ewigkeit bei Gott wird der Tod überwunden sein. Die Erlösten werden unsterblich sein wie die Engel (Lk 20,36). Nach Mk 12,25 wird es außerdem im Himmel keine Eheleben, kein Heiraten im irdischen Sinn geben. Kinder werden nicht mehr gezeugt. In diesem Sinne werden wir den Engeln ähnlicher werden. Allerdings werden wir nicht zu körperlosen Geistwesen wie die Engel. Paulus bekräftigt z.B. in 1 Kor 15, dass wir auch in Ewigkeit einen Leib besitzen werden – wenn auch einen anderen, nämlich „geistlichen“, unverweslichen, perfekten (ähnlich Jesu Auferstehungsleib). Daher ist außerdem stark zu vermuten, dass wir auch unsere geschlechtliche Identität dort nicht verlieren werden. Menschen bleiben also im Himmel Menschen – wenn auch andere. Und Engel bleiben Engel.

[richtige Antwort: 2]

 

6. Wie viele Engel gibt es?

o Unendlich viele

o Sehr viele, aber nur eine begrenzte Zahl

o So viele wie Menschen

Da die Engel geschaffene Wesen sind, kann ihre Zahl auch nur begrenzt sein. Da sie sich nicht vermehren, können wir davon ausgehen, dass Gott eine bestimmte Zahl von ihnen schuf – ein für alle mal. Insofern ist es auch höchst unwahrscheinlich, dass sich die Zahl der Engel mit der der Menschen deckt (s. Schutzengel), denn diese vermehren sich ja. Wir erfahren außerdem, dass es sehr viele Engel gibt (Ps 68,18; Hi 25,3). Auch die konkreteren Angaben z.B. in Off 5,11–13 („zehntausend mal zehntausend“) oder Hbr 12,22 („viele tausend“) wollen sicher nicht sagen „genau 100 Mio“ oder „nur einige tausend – aber nicht viele Millionen“ o.ä., sondern umschreiben eine sehr hohe, nicht bekannte Zahl.

[richtige Antwort: 2]

 

7. Was sind die Erzengel? Wer gehört nicht zu den biblischen Erzengeln?

o Michael

o Gabriel

o Raphael

o Uriel

o Azrael

o Sealtiel

o Barachiel

Gemeinhin wird angenommen, dass eine ganze Reihe von Erzengeln, besonders mächtigen Engeln, existiert. Die katholische Tradition nennt oft sieben (nach Tob 12,15). In der Bibel wird eindeutig jedoch nur Michael als Erzengel identifiziert (Jud 9: „Michael, der Erzengel“). Auch in 1 Thes 4,16 ist von einem Engel die Rede („Stimme des Erzengels“). Tatsächlich nimmt Michael besondere Aufgaben wahr, wenn er z.B. in Off 12,7-9 gegen den satanischen Drachen kämpft.

Gibt es also nur einen einzigen Erzengel? Auch in Dan 10,13 wird Michael erwähnt, jedoch als „einer der ersten unter den Engelfürsten“, d.h. unter den Erzengeln (die gr. Vorsilbe arche, von der sich unser Erz- ableitet, kann auch Prinz/Fürst bedeuten), bezeichnet. Demnach gäbe es neben ihm noch mehrere „Prinzen“. Gehört auch Gabriel dazu, der einzige Engel, dessen Namen wir neben Michael erfahren (einmal abgesehen von den bösen Engeln wie Satan)? Möglicherweise, da er ja auch ganz besondere Aufgaben ausführt wie z.B. in Lk 1,19. Relativ sicher können wir ausschließen, dass die Cherubim und Serafim zu den Erzengeln gehören (wie oft behauptet wird), denn sie haben andere Aufgaben. Denn Michael und Co. treten in Interaktion mit dieser Welt, wobei die Cherubim und Serafim wohl Aufgaben im himmlischen Hofstaat, direkt bei Gott, wahrnehmen.

Wie können grundsätzlich davon ausgehen, dass es auch in der Engelwelt eine gewisse Ordnung und Aufgabenteilung gibt. Darauf deutet auch der oft gebrauchte ‘militärische’ Begriff  „Heerscharen“ (z.B. Ps 148,2) hin – im Heer gibt es immer Anführer und Befehlsketten. Es scheint so, dass Gott gewisse Engel für bestimmte Arbeiten bevollmächtigt hat (1 Tim 5,21 spricht von „auserwählten Engeln“). Neben den einzelnen biblischen Hinweisen und Namen können wir jedoch nichts Genaueres sagen.

[richtige Antwort: 2(3)–7]

 

8. Gibt es persönliche Schutzengel?

o Ja. Jeder Mensch hat sicher einen Schutzengel

o Ja. Aber es ist ungewiss, ob jeder Mensch einen hat und wie viele es von ihnen gibt

o Engel üben teilweise Schutzfunktion aus; mehr können wir nicht sagen

Persönliche Schutzengel sind heute sehr populär. Die Vorstellung ist jedoch nur in manchen jüdischen und christlichen Traditionen verankert. Die Bibel selbst gebraucht den Begriff nicht. Zweifellos beschützen Engel Menschen im Einzelfall wie aus Ps 91,11–12, Ps 34,8 oder auch Dan 6,23 deutlich wird. Die biblischen Berichte lassen auch vermuten, dass der Schutz bevorzugt den Gläubigen gilt. Dass jedem Menschen, böse oder gut, gläubig oder nicht, ein Schutzengel zur Seite gestellt ist, dürfte eher auszuschließen sein.

Eine direkte Zuordnung von Engeln zu Menschen nimmt Mt 18,10 vor, wo von „ihren Engeln“ die Rede ist. Allerdings ist der genaue Sinn dieses Vers nicht sehr klar (hat jeder genau einen Schutzengel? und überhaupt: was bedeutet „ihre“ Engel? schützen sie?). Der Kontext lässt auch hier vermuten, dass – wenn überhaupt – nur die Gläubigen besonderem Engelschutz unterstehen. Als zweite Belegstelle wird oft Apg 12,15 herangezogen. Nach der wundersamen Befreiung von Petrus aus dem Gefängnis glauben seine Brüder nicht, dass er vor der Tür steht; sie halten ihn für „seinen Engel“. Möglicherweise spiegelt diese Reaktionen den damaligen jüdischen Schutzengelglauben wider.

Johannes Calvin schreibt sehr gut über die Schutzengel:

„Ob übrigens den einzelnen Gläubigen [für Calvin wäre es sicher auch unvorstellbar, dass Ungläubige Schutzengel haben] einzelne Engel zu ihrem Schutz zugeteilt sind, das möchte ich nicht sicher zu behaupten wagen… Jedenfalls ist das sicher, dass sich nicht etwas bloß ein Engel um jeden von uns kümmert, sondern dass sie alle einmütig über unser Heil wachen! Denn über alle Engel zusammen wird gesagt, dass sie sich mehr freuen über einen Sünder, der Buße tut, als über 99 Gerechte… Von mehreren Engeln wird auch gesagt, dass sie die Seele des Lazarus in Abrahams Schoß trugen (Lk 16,22)… Aber es lohnt sich nicht, genau zu forschen, was zu wissen uns wenig nützen kann. Denn wem es nicht genügt, dass alle Ordnungen der himmlischen Heerscharen zu seinem Heil auf der Wacht stehen, – was soll dem die Einsicht helfen, dass ihm ein Engel in besonderer Weise zum Hüter gegeben ist?“

Gott selbst wacht über uns und schützt uns. Im Einzelfall kann er dies sicher durch einen Engel tun. Aber man sollte sich nicht zu sehr auf das alltägliche Eingreifen von Engeln verlassen. Es scheint auch so zu sein, dass sie vor allem über unser Heil wachen, wie Calvin schreibt, dass sie möglicherweise viel aktiver im unsichtbaren geistlichen Kampf sind.

[richtige Antwort: 3]

 

9. Soll man Engel anrufen?

o Ja. Engel kann man anbeten

o Nein. Kontakt stellen sie – wenn überhaupt – von sich aus her

o Ja. Engel darf man zwar nicht anbeten, aber man kann sie um Hilfe anrufen

In der modernen esoterischen Engelliteratur findet sich eine Vielzahl von Ritualen, mit denen man sich an Engel wenden kann. In dieser Hinsicht ist das biblische Zeugnis jedoch völlig eindeutig. Nirgendwo in der Bibel initiieren Menschen ein Gespräch mit Engeln – immer sind sie es, die sich an uns wenden. Nirgendwo finden wir ein Herbeirufen von Engeln um Hilfe. In der Bibel erteilen Engel Menschen Befehle, nicht umgekehrt. Selbst ein Bitten vor Gott um Hilfe von Engeln lässt sich nicht biblisch belegen (als Bitte wäre es aber durchaus erlaubt).

Schon das Anbetungsverbot in Ex 20 untersagt die Verehrung von allem Geschaffenen, auch „von dem, was im Himmel ist“ (V. 4–5), womit sicher auch die Engel gemeint sind. Ausdrücklich verbietet ein Engel selbst seine Anbetung in Off 19,10. In Kol 2,18 wendet sich Paulus gegen einen Engelkult.

Da Engel gleichsam Mittelwesen zwischen Gott und Menschen sind, neigt man dazu, sich an sie als vermittelnde Instanzen zu wenden. Tatsächlich werden Engel in Hi 33,23 als Mittler bezeichnet. Und in Gal 3,19 bestätigt Paulus die jüdische Tradition, dass durch die Vermittlung von Engel dem Volk Israel das Gesetz gebracht wurde. Dies geht über das bisher schon gesagte nicht hinaus: In einigen Fällen benutzt Gott die Engel als seine Boten. Umgekehrt können und sollen wir uns jedoch direkt an ihn wenden. Die Engel sind „One-Way-Messenger“. Schon gar nicht sind sie Mittler des Heils, denn nach dem Hbr und 1 Tim 2,5 ist Jesus der einzige Mittler von Gnade, Heil und Erlösung zwischen Gott und den Menschen.

[richtige Antwort: 2]

 

10. Wie reagieren Menschen auf Engelerscheinungen?

o Engel versetzen immer in positive Stimmung

o Engel rufen oft Erschrecken hervor

Im AT haben viele Personen Begegnungen mit dem Übernatürlichen. Es ist jedoch im Einzelfall nicht immer eindeutig zu entscheiden, wer da den Menschen gegenübertritt – Gott selbst, Jesus vor der Inkarnation, ein Engel, der Engel des Herrn? (z.B. Gen 18+32) Im NT ist das Bild rel. klar. Wie schon gesagt werden Engel als solche nicht immer erkannt (Hbr 13,2). Eine direkte Reaktion gibt es dann natürlich nicht. Eine zweite Linie finden wir in der Geburtsgeschichte und später bei der Auferstehung Jesu: Die Hirten, Maria und die Wachen erschrecken angesichts der Engelerscheinung. Sie müssen aufgefordert werden sich nicht zu fürchten (Lk 1,28–29; 2,9; Mt 28,4). Die Reaktion ist nur normal, denn das offen-sichtliche Einbrechen des Übernatürlichen in diese Welt ist ja alles andere als alltäglich und kann uns eigentlich nur erschrecken, aufschrecken. Auch Petrus wollte in Apg 12 gar nicht recht an seine Befreiung durch einen Engel glauben (V 9 in unseren Worten: Das gibt‘s ja nicht! Ich glaub, ich träume!). In Off 1,17 ist es zwar Christus und kein Engel, den Johannes schaut, aber hier ist die Reaktion auch interessant: Er fällt wie tot um! Ähnlich ging es schon Daniel: Er fällt in Ohnmacht (8,18) und verliert alle Kraft (10,8).

Menschen reagieren also recht unterschiedlich auf Engel, weil ihre Erscheinung auch mehr oder weniger offensichtlich ist. Manchmal bleiben sie für die meisten unsichtbar und nur manche Menschen sehen sie (2 Kön 6,17); sie bleiben unsichtbar, aber lösen dennoch Erschrecken aus (Dan 10,7); sie sind direkt als Engel erkennbar (Lk 1+2); sie sind direkt sichtbar, werden aber erst später als Boten Gottes erkannt (Gen 18). Insgesamt ist die Tendenz eher ‘negativ’: teilweise Skepsis, Unglauben, oft Erschrecken/Furcht bis hin zur Kraftlosigkeit.

[richtige Antwort: 2]

 

11. Sind alle Engelerscheinungen von Gott?

o Ja

o Nein

Nicht alle übernatürlichen Erscheinungen sind auf Gott zurückzuführen. Auch der Satan mit seinen Dämonen besitzt rel. große Macht (s. Eph 6,12) und kann die Menschen mit seinen ‘Wundern’ blenden. Paulus warnt in 2 Kor 11,14–15 davor, dass sich der Teufel als „Engel des Lichts“ verkleiden kann und sich die Dämonen als „Diener der Gerechtigkeit“ ausgeben. Gal 1,8 und 1 Joh 4,2–4 machen deutlich, dass übernatürliche Erscheinungen einem Test unterzogen werden müssen: Wird der Jesus des Evangeliums bekannt? Stimmt die Botschaft des Engels mit der Bibel überein?

Dass dies nicht bloße Theorie ist, zeigt die Geschichte von nichtchristlichen Religionen und Sekten. Mohammed behauptete, den Koran von einem Engel (Gabriel) empfangen zu haben. Und Joseph Smith, Gründer der Mormonen, will vom Engel Moroni geleitet worden sein. Nehmen wir an, diese Erscheinungen waren echt, d.h. keine Halluzinationen. Dann waren diese Engel jedoch nicht von Gott.

[richtige Antwort: 2]

 

12. Was gehört zu den Aufgaben von Engeln? (Nichtzutreffendes ankreuzen!)

o sie geben Informationen von Gott an Menschen weiter

o sie geben Gebete von Menschen an Gott weiter

o sie geben uns Weisheit und Liebe

o sie beschützen uns

o sie helfen uns, unsere Ziele zu erreichen

o sie beten Gott an

o sie stärken uns

o sie verwandeln unsere negativen Gedanken in positive

o sie führen Gottes Gerichte aus

o sie kämpfen

o sie beobachten uns Christen

Engel dienen in erster Linie Gott und führen gehorsam seine Aufträge aus. Sie dienen oft auch uns, doch es geht dabei nicht zuerst um die Befriedigung unserer Wünsche und menschlichen Sehnsüchte. Engel stärken uns vor allem im Glaubenskampf. Unsere Gebete leiten sie nicht weiter. Und auch wundersame parapsychologische Vorgänge ins uns steuern sie nicht. An vielen Stellen sind sie auch ausführendes Organ des göttlichen Gerichts – eine Dimension, die in den esoterischen Engelbüchern nie auftaucht. Die früher häufige Darstellung mit Schwert ist daher durchaus gut begründet. Sieben Aufgabenbereiche der Engel im Überblick:

  • Information. Engel geben konkrete Informationen, Aufträge, Gebote an Menschen weiter. Ri 6,12f; 13,3; Lk 1,26f; Apg 7,38; 27,23f; Gal 3,19.
  • Anbetung Gottes. Engel, wie alle geschaffenen Wesen, loben Gott und beten ihn an. Möglicherweise tun manche Engel dies in besonderer Weise. Off 5,11; 7,11; Hbr 1,6; Jes 6,3; Ps 148,2.
  • Kampf. Engel kämpfen gerade im AT öfter für die Israeliten. Ca. 250 Mal wird Gott als Herr der himmlischen Engelssoldaten (Jahwe Zebaoth) bezeichnet. Im NT verschiebt sich der Schwerpunkt mehr zum Kampf in der unsichtbaren Welt. Jos 5,13f; 2 Kön 19,35; Off 12,7; Eph 6,11–12 (hier ist zwar nicht von den Engeln die Rede, aber wir können sicher sein, dass sie mit uns in diesem Kampf stehen).
  • Gericht. Engel führen in einigen Fällen Gottes Gerichte aus. Besonders im Buch Off wird dies deutlich. Apg 12,23; Ps 78,49; 1 Chr 21,12; 2 Sam 24,16–17; Mt 13,39.49; Off 8f; Jak 5,1–4 (die Nennung des Herrn Zebaoth, des Herrn des Engelheeres, lässt vermuten, dass die Engel das Gericht über die Reichen ausführen werden).
  • Stärkung. Engel dienen den Menschen und stärken uns. Als Jesus schwach war, wurde auch er von Engeln gestärkt. Mt 4,11; Lk 22,43; 1 Kön 19,5–8; Hbr 1,14.
  • Schutz. Engel bewahren, retten vor Gefahr, leiten und führen. Ex 14,19; Dan 6,23; Ps 34,8; 91,11.12; Ex 23,20; Mt 1.
  • Beobachtung. Engel beobachten uns Menschen in dieser Welt, reagieren darauf mit Anteilnahme. Sie staunen geradezu über die christliche Gemeinde und freuen sich, wenn jemand zum Glauben kommt. Eph 3,10; 1 Kor 4,9; Lk 12,8–9; 15,7.10.

[richtige Antwort: 2,3,5,8]

 

13. Wie begleiteten Engel das Leben Jesu? (Nichtzutreffendes ankreuzen!)

o Sie kündigten Joseph die Geburt Jesu an

o Sie kündigten den Weisen die Geburt Jesu an

o Sie forderten Maria auf nach Ägypten zu fliehen

o Sie stärkten Jesus bei der Kreuzigung

o Sie stärkten Jesus im Garten Gethsemane

o Sie begegneten den Jüngern am Grab

o Sie begegneten den Jüngern bei der Himmelfahrt

o Sie werden Jesus bei seiner Wiederkunft begleiten

Im NT begegnen uns Engel ganz überwiegend im Zusammenhang mit und in Begleitung von Jesus. Gerade in den Geburtsgeschichten spielen sie eine wichtige Rolle (Ankündigung der Geburt bei Joseph – Mt 1,20; Ankündigung der Geburt bei Maria – Lk 1,28f; Verkündigung der Geburt bei den Hirten – Lk 2,9f; Auftrag an Joseph nach Ägypten zu fliehen – Mt 2,13; Auftrag an Joseph aus Ägypten zurückzukehren – Mt 2,19). Im Leben Jesu haben sie ihn an kritischen Punkten gestärkt und ermutigt (Versuchung – Mt 4,11; Gethsemane – Lk 22,43). Dies geschah jedoch nicht am Kreuz – dort war er völlig von Gott verlassen! Schließlich treffen wir wieder auf Engel bei der Auferstehung (Joh 20,12), wo sie jedoch nur mit den Frauen sprechen. Möglicherweise wurde Jesus von Engeln in den Himmel aufgenommen. Überliefert ist in jedem Fall das Gespräch der Engel mit den Jüngern während oder kurz nach der Himmelfahrt (Apg 1,10–11). Beim zweiten Kommen Jesu, seiner Wiederkunft in der Zukunft, wird er auch von Engeln begleitet werden (Mt 16,27).

[richtige Antwort: 2,3,4,6]

 

14. Warum benutzt Gott Engel?

o Er braucht Engel, weil er ohne sie in der Welt nicht handeln könnte

o Er benutzt Engel um unserer Schwachheit willen

Gott musste keine Engel erschaffen und könnte auch ganz ohne sie wirken. Und sehr häufig handelt er ja auch ohne sie, ganz allein durch seinen Willen und sein Wort. Calvin betont daher, dass Gott Engel daher nicht um seiner selbst willen einsetzt, sondern wegen uns: wegen unserer Schwachheit und uns zum Trost. An sich müsste es uns genügen, dass Gott verheißen hat, unser Hüter zu sein.

„Aber wenn wir uns von so viel Gefahren, soviel Nöten, so vielerlei Feinden umgeben sehen – wie leicht könnten wir da in unserer Schwachheit und Gebrechlichkeit ins Zittern geraten oder gar verzweifeln… Deshalb verheißt er nicht allein, dass er sich um uns kümmere, sondern auch, dass er unzählige Schildträger habe, denen er die Sorge um unser Heil aufgetragen hat und dass uns kein Übel anrühren kann, solange wir unter ihrem Schutz stehen.“ (Anschließend schildert Calvin das Bsp. der Ermutigung des Knechts von Elisa in 2 Kön 6,17)

[richtige Antwort: 2]

 

15. Ist es vernünftig an Engel zu glauben?

o Ja

o Nein

Jesus lehrte ganz eindeutig, dass Engel wirklich existieren. Dies war auch zu seiner Zeit nicht mehr selbstverständlich, denn z.B. die Sadduzäer lehnten den Engelglauben ab. Außerdem sind die Schilderungen von Engelerscheinungen im NT sehr sachlich, realistisch, ohne jede Ausschmückung oder Verschönerung. Selbst anfängliche Skepsis (Petrus, Apg 12) wird nicht verschwiegen. Dies spricht für tatsächliche Augenzeugenberichte.

Für den Glauben an die tatsächliche Existenz von Engeln spricht eine Reihe von Gründen. Der Philosoph Peter S. Williams nennt neun:

– Die Mehrheit der Menschen glaubt an Engel;

– Die Mehrheit der Philosophen glaubt an Engel;

– Es gibt eine Reihe von paranormalen Phänomenen, die sich sinnvoll nur erklären lassen, wenn man von der Existenz von Dämonen (bösen Engeln) ausgeht;

– Es gibt eine Vielzahl von historischen und zeitgenössischen Berichten von glaubwürdigen Augenzeugen (darunter Psychologen und Psychiater), die die Realität von Engeln und Dämonen bestätigen;

– Die Bibel lehrt, dass Engel und Dämonen existieren;

– Jesus selbst lehrt, dass Engel und Dämonen existieren;

– Die christliche Tradition lehrt, dass Engel und Dämonen existieren;

– Die Hypothese, dass Dämonen existieren, gibt eine teilweise Erklärung für die Frage, wie es möglich ist, dass Gott und das Böse beide existieren;

– Es macht Sinn anzunehmen, dass es in der Hierarchie der geschaffenen Dinge Engel gibt; ansonsten würden zwischen Gott und den Menschen eine gewissen ‘unästhetische’ Lücke klaffen  (Gott – körperloses Geistwesen, ungeschaffen, Person; Mensch – beseelter Körper, geschaffen, Person; Engel – körperloses Geistwesen, Person, aber geschaffen).

[richtige Antwort: 1]

 

16. Was können wir von Engeln lernen? (Nichtzutreffendes ankreuzen!)

o Selbstbeherrschung

o Gehorsam

o Dienst

o Geduld

o Treue

o Lob Gottes

o Glaube

o Freude

o Demut

Auch wenn sie so ganz anders wie wir sind – es dürfte schon deutlich geworden sein, dass wir von den Engeln so manches lernen können. Sicher ist dies das Lob Gottes wie z.B. in Ps 103,20f. Dort wird auch gleich noch der Gehorsam der Engel hervorgehoben, da sie immer breitwillig seinen Willen tun. Praktisch immer werden Engel als sehr aktiv – „im Dienst“ – vorgestellt. Als Diener Gottes für ihn und für uns (Hbr 1,14) sind sie ein Vorbild der selbstlosen Hingabe. Auch Treue können wir daher von ihnen lernen. In manchen Übersetzungen von Ps 89,8 werden Engel sogar einfach nur die Treuen genannt. Schließlich können wir uns selbstkritisch fragen: freuen wir uns auch so über jeden Bekehrten wie die Engel (s. Lk 15,7.10)?

Da Engel eben keine Menschen auf Erden sind, können sie uns in anderen Bereichen kein Vorbild sein. Sie sind unsterbliche Wesen und leben außerhalb unserer Zeit und können uns daher im direkten Sinn kein Vorbild der Geduld sein. Körperliche Versuchungen kennen sie nicht, weswegen wir keine Selbstbeherrschung von ihnen lernen können. Manchmal werden sie wie Christen Heilige genannt, doch nie Gläubige, denn sie leben ja schon im Schauen und nicht im Glauben (pgl. 2 Kor 5,7).

[richtige Antwort: 1,4,7]

 

17. Warum sollten wir uns mit Engeln beschäftigen?

Vieles wäre hier natürlich zu nennen. Ich möchte nur einen wichtigen Grund herausgreifen. Engel erinnern uns daran, dass die übernatürliche Welt nicht weit weg ist, sondern ganz nah – vielleicht eben in Gestalt eines Engels, den ich nur nicht sehen kann. Engel helfen, das Übernatürliche zu begreifen. Ausführlicher dazu der christliche Denker Francis A. Schaeffer (1912–1984):

„Der wahre bibelgläubige Christ lebt in der Praxis in der übernatürlichen Welt. Ich behaupte nicht, dass nur derjenige gerettet wird und in den Himmel kommt, der dies tut. Zum Glück ist dies nicht so. Denn niemand von uns würde in den Himmel kommen, denn niemand lebt  konsequent so. Ich behaupte aber, dass der wahre bibelgläubige Christ dies tut – tun sollte. Bibelgläubig bedeutet nämlich nicht nur an die richtige Lehre zu glauben, sondern in der Praxis in der übernatürlichen Welt zu leben. Was bedeutet dies? Nach der biblischen Sicht hat die Wirklichkeit zwei Hälften: die natürliche Welt, die wir normalerweise sehen; und der übernatürliche Teil. Allerdings muss man beim Gebrauch des Wortes übernatürlich etwas beachten: Das Übernatürliche ist im Universum nach der biblischen Sicht nicht ungewöhnlicher als das, was wir normalerweise natürlich nennen. Der einzige Grund dafür, dass wir es übernatürlich nennen, ist, dass wir es gewöhnlich nicht mit den Sinnen wahrnehmen können. Das ist alles. Aus der biblischen, jüdisch-christlichen Sicht hat die Wirklichkeit zwei Hälften, wie die Hälften einer Orange. Man hat nicht die ganze Orange, wenn man nicht beide Hälften in der Hand hat. Der eine Teil ist gewöhnlich sichtbar, der andere meist unsichtbar… Wir müssen verstehen, dass es nicht genügt, wenn wir bloß anerkennen, dass die Welt diese zwei Hälften hat. Christliches Leben bedeutet in den beiden Hälften, in der natürlichen und der übernatürlichen, zu leben. Ich befürchte, dass es heute sehr gut möglich ist als Christ so beeinflusst zu sein vom Denken des 20. Jhdts., dass man meist so lebt, als wäre das Übernatürlich nicht existent. Ich glaube, dass wir tatsächlich alle dies in gewissem Maße tun. Mit dem Übernatürlichen kommen wir nicht nur in Berührung bei der Wiedergeburt und nach dem Tod oder bei der Wiederkunft Jesu – und dazwischen nur die naturalistische Welt. Nichts könnte weiter von der biblischen Sicht entfernt sein…

Die Bibel betont, dass das Übernatürliche nicht weit weg ist, sondern direkt hier, nah bei der Hand. Das Übernatürliche ist nicht bloß gestern, nicht morgen, sondern heute. Diese Sicht finden wir auch im AT. ‘Jakob aber zog seinen Weg. Und es begegnetem ihm die Engel Gottes. Und als er sie sah, sprach er: Hier ist Gottes Heerlager, und nannte diese Stätte Mahanajim’ (Gen 32,2–3). Der hebräische Name Mahanajim bedeutet ‘zwei Lager’. Und das eine Lager ist so real wie das andere. Das eine ist keine Fiktion oder nur ein Produkt der Phantasie des Jakobs. Es waren zwei gleiche Lager: zuerst das seiner Familie und seines Viehs; und das Lager der Engel, genauso real und genauso nahe bei. Der sicher klassischste Text zu dem Thema ist 2 Kön 6,16–17 [hier schon öfter zitiert; Elisa betet, dass auch sein Knecht das Engelheer sehen möge]… Das bedeutende hier ist, dass Elisa nicht um etwas betet, dass noch nicht da ist. Die Engel waren schon da! Das Übernatürliche war nicht weit weg. Es war da. Dem jungen Mann mussten nur die Augen geöffnet werden, um es zu sehen…

Wenn die wahren Kämpfe in der unsichtbaren Welt ausgetragen werden, ist dann nicht unser Anteil daran recht unbedeutend? Was haben wir damit zu tun? Paulus schreibt in 1 Kor 4,9: ‘Gott hat Apostel als die Allergeringstem hingestellt, wie zum Tode Verurteilte. Denn wir sind sein Schauspiel geworden der Welt und den Engeln und den Menschen.’ Aus naturalistischer Perspektive macht Paulus hier eine geradezu gewaltige Aussage… Mit dem Begriff Schauspiel hat Paulus hier das Theater gemeint. Wir sind auf der Bühne und werden beobachtet. Er sagt hier, dass die übernatürliche Welt nicht weit weg ist und dass unser Anteil durchaus wichtig ist. Denn wir werden beobachtet von der unsichtbaren Welt. Wir werden wie durch einen Spiegel hindurch beobachtet… [Zitat 1 Tim 5,21] Gott beobachtet. Aber nicht nur das: auch die Engel beobachten. Und das betrifft nicht nur Timotheus, sondern uns alle. Und dies ist natürlich auch die Bedeutung des Buchs Hiob. Hiob wusste nicht, dass er während all der Geschehnisse beobachtet wurde. Aber nicht nur das – er spielte auch seinen Part in dem himmlischen Kampf, obwohl er das sicher nicht begriff, als all die Katastrophen über ihn hereinbrachen. Er wurde nicht nur beobachtet, sondern es gab auch eine Ursache-Wirkung-Beziehung von der sichtbaren auf die unsichtbare Welt. Wir wissen dies auch von Jesus, denn er lehrte, dass die Engel im Himmel sich über jeden Sünder, der Buße tut, freuen (Lk 15,7.10). In der Sprache des 20. Jhdts. nennt man dies Ursache-Wirkung. Die Ursache ist auf der Erde, und die Wirkung ist in der unsichtbaren Welt.“ (True Spirituality, 1971)

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