Zum Wohle der Kirche
Gott hat für seine Kirche mehrere Ämter vorgesehen. Trotz der Vielfalt der Dienste im Neuen Testament und den Vollmachten aller Mitglieder hat sich in der Kirchengeschichte jedoch bald die Herrschaft der Priester und Bischöfe durchgesetzt. Die ordinierten Geistlichen setzten sich von den Laien immer weiter ab. In der römisch-katholischen Kirche haben die Nichtgeistlichen bis heute keinerlei echtes Mitspracherecht auf der Kirchenebene.
Die Reformation brachte hier wichtige Korrekturen mit sich, schließlích betonte schon Luther das „Priestertum aller Gläubigen“. Doch auch viele evangelische Kirchen tendieren zum Klerikalismus und zur Pastorenkirche. In Litauen, geprägt vom Katholizismus, ist selbst in jüngeren evangelischen Kirchen die Dominanz des Pastoren oft gross. In der lutherischen Kirche üben Laien kein hohes Amt in der Gesamtkirche aus, wird das Konsistorium von Pfarrern beherrscht und vom Bischof geleitet. Aber auch im Pfingstbund, bei den Freien Christen oder der ev.-charismatischen „Wort-des-Glaubens“-Kirche wird die Gesamtkirche allein von den Pastoren geleitet.
In der reformierten Kirche Litauens sieht dies anders aus. Traditionell sind hier Laien stark in die Kirchenleitung eingebunden. Auf der Synode sind Delegierte aus den Gemeinden, Laien, in der Mehrheit. Im Konsistorium stellen sie die Hälfte der Mitglieder, und der Präsident dieses Gremiums ist immer ein Laie.
Eine Art Gegengewicht zu den Pfarrern bilden in Litauen die Kuratoren, Laienälteste der Gesamtkirche, die bei der Synode auf Lebenszeit gewählt werden. Sie müssen vorbildliche Christen sein, sich um das Wohl der Kirche kümmern, dessen Interessen verteidigen, ihre Einheit schützen und Identität bewahren. Die Kuratoren haben jede Synode zu besuchen. Sie erhalten alle wichtigen Informationen, dürfen an den Sitzungen des Konsitoriums teilnehmen; ihre Meinung muss dort gehört und protokolliert werden.
Der Titel Kurator stammt vom lateinischen Wort curator („Pfleger“, „Vertreter“), welches sich widerum vom Verb curare („Sorge tragen“, „sich sorgen um“) herleitet. Kuratoren sind z.B. heute Stiftungsräte; wir kennen sie als Leiter von Ausstellungen; und auch im Hochschulrecht gibt es das Amt eines Kurators. An den litauischen Universitäten werden die Mentoren oder Tutoren (wie man im Westen sagen würde) unter den Studenten, die Erst- und Zweitsemester betreuen, ebenfalls Kuratoren genannt.
In der litauischen reformierten Kirche bildete sich dieses Amt im 17. Jhdt. heraus. Jahrhundertelange waren Kuratoren meist die adeligen Grundherren (litauisch „bajoriai“); die Stifter von Kirchen, ihre Förderer und Bewahrer. Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft änderte sich all dies natürlich. Bei der Synode 2012 nahm die reformierte Synode eine neue Kuratoren-Satzung an, die letzte ‘feudale’ Reste (wie automatisches Stimmrecht aller Kuratoren auf der Synode) beseitigte.
Heute sind Kuratoren in der Unitas Lithuaniae (die „litauische Einheit“, so der lateinische Zuname der Kirche) wichtige Repräsentanten, die im Namen der ganzen Kirche auftreten können. Sie ergänzen den Dienst der Geistlichen, können im Auftrag der Synode, des Konsistoriums oder des Generalsuperintendenten vielfältige Aufgaben übernehmen.
Noch hängt zu viel Arbeit an den nun sechs im Land arbeitenden Geistlichen. Die knapp zwanzig Kuratoren sind bisher überwiegend hohen Alters, meist schon Rentner. Die Kirche sucht daher nach jüngerem Nachwuchs, um die Möglichkeiten des Amtes besser auszuschöpfen. Bei der außerordentlichen Synode im März wurde u.a. ein Volkswirt Mitte Dreißig zum Kurator ernannt (übrigens ein Ex-LKSBler, ein früheres Mitglied der Šiauliaier Studentengruppe). Und am 22. Juni wurde Holger (mit Jg. 1967 der Zweitjüngste) in dies Amt gewählt und im Gottesdienst am folgenden Tag darin eingesetzt. Er wird voraussichtlich Sorge tragen – wie es der Names des Amts sagt – für den Bereich Theologie.