Schule und Universität
Zwar wurde in Litauen schon im 16. Jahrhundert eine Hochschule gegründet (1579 die Vilniuser Universität als Kolleg der Jesuiten, s. Foto o.), doch eine allgemeine Schulpflicht setzte sich erst nach dem I Weltkrieg im unabhängigen Litauen durch. Die bis dahin recht hohe Analphabetenquote sank so zwischen den Kriegen schnell. 1922 wurde in Kaunas die Litauische Universität errichtet, 1930 unbenannt in Vytautas-Universität. Da Vilnius polnisch besetzt war, war dies die wichtigste Hochschule im freien Litauen. Einige Jahre bestand dort auch eine Fakultät für evangelische Theologie.
Die heutige Schul- und Hochschullandschaft ist in ihrem Grundbestand ein Erbe der Sowjetunion. Bis heute beginnt für alle – vom Kindergarten bis zur Uni – das Schul- und Studienjahr am 1. September, der feierlich begangen wird.
Ähnlich wie in den neuen Bundesländern werden auch in Litauen viele der ein- bis zweijährigen Kinder in Krippen beaufsichtigt, da die Eltern meistens beide berufstätig sind. Mit drei Jahren gehen dann die allermeisten Kinder in den Kindergarten, in der Regel den ganzen Tag. Die Kosten (bei Vollverpflegung) liegen bei ca. 40–50 Euro. Das letzte Vorschuljahr ist Pflicht.
Die Einschulung erfolgt mit sechs oder sieben Jahren. Bis zum sechzehnten Lebensjahr, also bis zur 10. Klasse, ist der Schulbesuch verbindlich. Auf die Grundschule (1. bis 4. Klasse) folgt das „Progymnasium“ – eine Art Gesamtschule, die von so gut wie allen Kindern besucht wird. Anders als in Deutschland teilen sich erst ab der 9. Klasse die Wege der Schüler. Die meisten wechseln dann aufs Gymnasium, das bis zur 12. Klasse führt. Manche bleiben dort nur zwei Jahre und gehen anschließend auf eine Berufsschule. Weit mehr als die Hälfte eines Jahrgangs erwirbt die Hochschulreife – im europäischen Vergleich ein hoher Wert.
Die Lebenszufriedenheit der Kinder in Litauen ist eher niedrig wie eine weltweite Umfrage der UNICEF unter 11- bis 15-Jährigen 2013 ergab. Unter den 29 Industriestaaten kommt Litauen hier nur auf den drittletzten Platz 27 (gefolgt von Lettland und Rumänien, aber auch nur einen nach den USA). Bei der objektiven Bewertung der Lebensumwelt (Bildung, Gesundheit, Wohnen, Sicherheit usw.) belegt das Land denselben Rang.
Das deutsche Modell der betrieblichen Berufsausbildung ist auch in Litauen nicht bekannt. Trotz teilweise guter berufliche Perspektiven wie im Bau haben Handwerksausbildungen leider ein eher niedriges Prestige, was umgekehrt auch zu hohen Anmeldungszahlen an den Unis führt. Zeitweise zählte das 3-Millionen-Land 200.000 Studenten. Das Hochschulstudium ist zwar ungebrochen populär, und das, obwohl nur ein Teil der Studienplätze staatlich finanziert wird. Viele zahlen so recht saftige Studiengebühren.
Fast 50 Hochschulen sind über das Land verteilt, je zur Hälfte Universitäten und „Kollegien“ (vergleichbar mit den deutschen Fachhochschulen). Davon befinden sich 20 in privater Trägerschaft. Einzigartig in ganz Zentral- und Osteuropa ist die LCC International University, eine Anfang der 90er Jahre gegründete englischsprachige christliche Universität mit Sitz in Klaipėda.
Die hohe Zahl der Ausbildungsstätten wird nicht zu halten sein. Schon jetzt erreichen die geburtenschwachen Jahrgänge das Studienalter, und vermehrt gegen junge Menschen auch ins westliche Ausland zum Studium. Viele haben inzwischen einen Magister, aber der litauischen Industrie fehlen oft qualifizierte Facharbeiter. Schmerzhafte Reformen werden unvermeidlich sein.