375. Synode der reformierten Kirche
In diesem Jahr fand die ordentliche Synode der evangelisch-reformierten Kirche Litauens erstmals am Wochenende des Trinitatis-Fests statt, in diesem Jahr am 25./26. Mai. Der traditionelle Termin am bzw. um den Johannistag (24. Juni) erwies sich aus verschiedenen Gründen als weniger günstig. Die 34 Synodalen (Ordinierte, Kuratoren und Delegierte der Gemeinden) widmeten wie üblich den Samstag für Arbeitssitzungen; abgeschlossen wurde die Synode in der Kirche von Biržai am Sonntag mit einem Festgottesdienst.
Da inzwischen so gut wie alle wichtigen reformierten Bekenntnisse auch in litauischer Sprache gedruckt vorliegen (mit Ausnahme der Dordrechter Lehrregel), war eine Klärung ihres jeweiligen Status in der Kirche nötig geworden. Ein kirchenrechtlicher Beschluss („Kanon“) bekräftigt und erinnert daran, dass – neben den altkirchlichen Bekenntnissen wie dem Apostolikum – drei historische reformierte Dokumente die Lehrgrundlage der litauischen Kirche bilden: der Heidelberger Katechismus, das Zweite Helvetische Bekenntnis sowie der Kleine Katechismus aus Litauen selbst, der erstmals 1598 in Vilnius gedruckt wurde (Letzterer lehnt sich an Calvins Genfer Katechismus an). Die ordinierten Amtsträger „sind verpflichtet, ihren Inhalt zu kennen, zu verkünden und zu verteidigen“, wie es in dem Beschluss heißt.
Daneben werden drei weitere reformierte Bekenntnisse „zur Verwendung in Predigt, Katechese und Unterricht“ empfohlen, da sie „ebenfalls die traditionelle reformierte Bekenntnislehre darlegen“: das Belgische (oder Niederländische) Bekenntnis, das Bekenntnis von Westminster sowie der Kürzere Westminster-Katechismus. Genannt wird schließlich auch der New City Catechism aus diesem Jahrhundert, der auf Litauisch im Jahr 2015 erschien (in deutscher Sprache s. hier).
In einem damit zusammenhängenden Kanon beschloss die Synode die Anerkennung der Konfirmation der presbyterianischen Kirchen, die das Bekenntnis von Westminster und die beiden Westminster-Katechismen anerkennen. Dies war überfällig, denn bisher konnten nur in den lutherischen Kirchen Konfirmierte direkt in die reformierte Kirche Litauens wechseln. Grundlage hierfür ist der Konsens oder die Vereinbarung von Sandomir aus dem Jahr 1570. Damals kam es zwar nicht zu der angestrebten Union, aber die beiden evangelischen Kirchen Polens und Litauens vereinbarten eine engere Kooperation wie Predigertausch, Teilnahme am Abendmahl der jeweils anderen Kirche und gegenseitige Anerkennung der Konfirmation.
Eine weitere wichtige Entscheidung, die sogar historische Dimensionen hat: Mit deutlicher Mehrheit beschlossen die Synodalen den Austritt der Kirche aus der „Weltgemeinschaft reformierter Kirchen“ (World Communion of Reformed Churches, WCRC). Seit etwa einhundert Jahren war die reformierte Kirche Litauens Mitglied in den verschiedenen Vorgängerorganisation des WCRC (1970 bis 2010 WARC), dessen Verwaltungssitz sich heute in Hannover befindet.
Die Mitgliedschaft unserer Kirche bei der Weltgemeinschaft ruhte faktisch schon eine Weile, so dass dieser formelle Austritt nur einen Schlusspunkt darstellt. Nach dem Grund für diese Entfremdung vom WCRC muss man nicht lange suchen. Dieser reformierte Weltverband hat sich schon lange (wie viele seiner Mitgliedskirchen) von der Autorität der Bibel gelöst und somit die Akzente in eine, so glauben wir, falsche Richtung verschoben.
Auf der Internetseite des WCRC heißt es unter „Unser Leitbild“: „Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen ist zur Gemeinschaft berufen und der Gerechtigkeit verpflichtet.“ Das ist so allgemein gehalten, dass auch jeder politische Verband sich ähnlich ausdrücken könnte. „Wort Gottes“ und „Heiliger Geist“ werden dann zwar genannt, aber das diffuse Ziel „volle und gerechte Teilhabe aller“, wirft gleich wieder Fragen auf wie z.B.: Teilhabe woran?
Das Wort „Gerechtigkeit“ (bzw. Ungerechtigkeit) wird mehrfach erwähnt, natürlich auch die geradezu unvermeidliche „Transformation“. Und weiter: „Wir arbeiten an der Erneuerung und Wiederherstellung der Wirtschaft und der Welt…“ Wohlgemerkt: der Wirtschaft. Natürlich spricht die Bibel auch die Arbeitswelt und Ökonomie an, doch der Schwerpunkt kirchlichen Handelns sollte ihr gemäß auf dem Evangelium und seiner Verkündigung liegen. In dem kurzen Leitbild-Text wird nur einmal „Mission“ genannt – natürlich eingeordnet in das neue Transformationsparadigma. Man vergleiche all dies einmal mit Theologie und Wortwahl der Barmer theologischen Erklärung von 1934. Auf diese wird zwar gerne z.B. in Kirchenordnungen der EKD-Mitgliedskirchen Bezug genommen, doch ihr Geist ist schlicht ein anderer als der, der durch den WCRC weht.
Diese Schieflage führt dann zu so politisch höchst einseitigen Dokumenten wie der Erklärung von Accra des WARC aus dem Jahr 2004. Unsere demokratische marktwirtschaftliche Ordnung sei ein „außerordentlich komplexes und unmoralisches [!] Wirtschaftssystem“. Anhänger des Wirtschaftsliberalismus oder der Globalisierung werden darin geradezu verteufelt. Warum nicht wenigstens ein Wort zu den positiven Effekten von Marktprozessen? Wirtschaftliche Ideologie, konkret Sozialismus, wird hier mit dem sozialen Zeugnis der Kirche vermengt.
Fazit: Wir als litauische Kirche sind nach und nach zu dem Schluss gekommen, dass wir im WCRC nicht mehr unsere geistliche Heimat sehen können, da dort von einer wirklichen Achtung des konfessionellen Erbes der Reformierten keine Rede mehr sein kann. Seit 2017 sind wir aber Mitglied der „World Reformed Fellowship“, eines weiteren reformiert-presbyterianischen Weltverbandes, dem in den USA z.B. die PCA (Presbyterian Church of America) angehört. Außerdem ist die litauische Kirche weiterhin Mitglied der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE; früher „Leuenberger Kirchengemeinschaft“).
Ein weiteres wichtiges Ereignis während der Synode: 28 von 34 Synodalen stimmten Holgers Ordination zum Pfarrer (lit. „kunigas“, wörtl. „Priester“) zu, die dann am 26. Mai auch erfolgte. Außerdem wurde er zum Ortspfarrer (lit. „klebonas“, vom lat. „plebanus“) der Gemeinde in Vilnius bestimmt. Er tauscht damit die Rollen mit Amtsvorgänger Tomas Šernas, den nun Zweitpastor ist und sich – mit 62 Jahren und schwerbehindert (im Rollstuhl) – nach und nach in den Ruhestand verabschiedet. EBI-Student und Katechet Dainius Jaudegis wurde zum Administrator der Gemeinde in Kaunas ernannt. Im kommenden Jahr – nach Absolvierung des EBI – wird er voraussichtlich ebenfalls der Ortspfarrer in der Stadt werden.
Abschlussgottesdienst am Sonntag
Mit Superintendent Pfr. Raimondas Stankevičius (r.), Vilnius, und Pfr. Rimas Mikalauskas, Biržai
Herzlichen Glückwunsch zur Ordination zum Diener des göttlichen Wortes, Holger! (1. Kor 4,1-2)
Falls Dein Weg Dich einmal über Celle oder Hannover führt, melde Dich gern.