„Zur Überzeugung, nicht zum Zwang“
„Soli Deo gloria“ – Gott allein sei die Ehre. Seit Oktober zieren diese Worte wieder die Fassade der reformierten Kirche in Vilnius. Das Christentum macht Gott groß, und dennoch kommt der Mensch dabei nicht zu kurz. Wir werden nicht klein gemacht und erdrückt, im Gegenteil.
Obwohl Er das mächtigste Wesen im Universum ist, arbeitet Gott nicht mit Zwang. Er befreit von Sünde und Abhängigkeiten; Er erneuert unseren Willen, so dass wir selbst frei wollen, was geistlich gut ist; Er will, dass unsere unverwechselbare Persönlichkeit zum Ausdruck kommt. Der Teufel hingegen setzt immer auf Zwang; er fragt nicht, hilft nicht und zerstört Menschen, indem er sie ihrer Persönlichkeit beraubt. Selbst in der Hölle, so C.S. Lewis, wird niemand sitzen, weil er gezwungen worden wäre – ihre Türen sind von innen verschlossen.
Genausowenig arbeitet Gott mit Angst. Wie ein guter Vater warnt Er vor den Folgen unseres schlechten Handelns. Die Bibel spricht vielfach von den bitteren Konsequenzen der Verwerfung Gottes. Und dennoch setzt Gott in seiner Offenbarung nicht auf die Karte Angst. Er will Gottesfurcht, aber keine Angst. Er lädt vielmehr ein, ermutigt und tröstet. Er ist derjenige, der aus aller Angst rettet (Ps 34, 5). Menschen hingegen jagen anderen oft Angst ein, weil sie dann leicht zu lenken und zu manipulieren sind. Wer von Angst besessen ist, kann nicht klar denken und lässt andere für sich entscheiden.
Schließlich sind Gott Lüge und Wortbruch fremd. Er ist der Gott der Wahrheit, ja die Wahrheit; Er kann nicht lügen. Kern des christlichen Glaubens ist die Gewissheit, dass Gott seine Zusagen einhält und seine Heilsversprechen wahr macht. Er wird es sich garantiert nicht anders überlegen, weil sich die Umstände o.ä. geändert haben. Gott hat sich selbst wie unter Eid festgelegt und wird daher seinen Worten unbedingt treu bleiben. Dagegen sind Menschen notorische Lügner (Ps 116,11), die nur allzu oft fünf gerade sein lassen, sich nicht um das Geschwätz von gestern kümmern oder sogar kaltblütig ins Gesicht (oder die Kamera) lügen. Der „Vater der Lüge“ (Joh 8,44) ist der Teufel – ein Meister der Täuschung und Wortverdrehung. Schon die ersten Menschen verführte er mit falschen Versprechungen.
Gerade das Weihnachtsfest erinnert uns daran, dass Gott seine Zusagen treu einhält: der vorhergesagte Messias kam tatsächlich in die Welt. In Jesus erfüllten sich alle Prophezeiungen des Alten Testaments. Aber Er kam nicht mit Gewalt, sondern in völliger Niedrigkeit und Schwachheit. Er war Zwang und Verfolgung ausgesetzt und zwingt bis heute niemanden. Er kam in eine Welt der Angst und des Terrors (s. Mt 2,16-18), um die Angst der Menschen zu überwinden (Joh 16,33). Das erste gesprochene Wort in der Weihnachtsgeschichte bei Lukas ist „Fürchtet euch nicht!“ (Lk 2,10).
Im Kapitel 7 des Diognetbriefs aus dem frühen 2. Jahrhundert heißt es über die Menschwerdung Gottes: „Der allmächtige Schöpfer und unsichtbare Gott selbst hat wahrhaftig die Wahrheit und sein heiliges und unfassbares Wort vom Himmel her unter den Menschen Wohnung nehmen lassen […]“. Er schickte nicht „einen Engel oder einen Fürsten […], sondern den Schöpfer und Bildner des Alls selbst, […] von dem alles geordnet und bestimmt und dem alles unterworfen ist“. Diesen hat Er zu den Menschen gesandt. Aber „etwa, wie ein Mensch denken könnte, zur Gewaltherrschaft, um Furcht und Schrecken zu verbreiten? Keineswegs, sondern in Milde und Sanftmut schickte er ihn, wie ein König einen Königssohn sendet, als einen Gott sandte er ihn, wie einen Menschen zu Menschen sandte er ihn, zur Erlösung schickte er ihn, zur Überzeugung, nicht zum Zwang; denn Zwang liegt Gott ferne.“