Lippe: Beten für die Partnerkirchen
In der zweiten Hälfte des sechzehnten und zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts gingen nicht wenige deutsche Territorien von der lutherischen zur reformierten Konfession über. Den Anfang machte die Kurpfalz. Um im Land Eintracht unter den Anhängern Luthers, Melanchtons und Calvins zu stiften, gab der Landesfürst den Heidelberger Katechismus in Auftrag, der 1563 erstmals erschien.
Unter Simon VI. wurde 1605 auch die Grafschaft Lippe reformiert. Einzig die Stadt Lemgo widersetzte sich und blieb lutherisch. Ab 1618 war dann rund zweihundert Jahre lang – und nach eine Pause wieder ab 1858 – auch in diesem Territorium bei den Reformierten der Heidelberger Katechismus Lehrgrundlage in Unterricht und Katechese.
Dieser Katechismus als internationales Bekenntnisdokument ist eines der Glieder, das die reformierte Kirche Litauens mit der Lippischen Landeskirche verbindet. Die recht kleine EKD-Kirche mit Sitz in Detmold unterhält seit Anfang der 90er Jahre Beziehungen zur evangelisch-reformierten und evangelisch-lutherischen Kirche Litauens. Denn die Kirche in Lippe vereinigt seit dem Widerstand der Lemgoer ebenfalls beide konfessionellen Gruppen: Unter dem Dach der Landeskirche sind über 50 reformierte Gemeinden in drei Klassen oder Bezirken sowie 10 lutherische Kirchengemeinden vereint. Letztere bilden eine eigene Klasse und werden von einem Superintendenten geleitet (z.Z. Dr. Andreas Lange). 1992 war ein Partnerschaftsvertrag zwischen Lippe und den beiden litauischen Kirchen unterzeichnet worden. 2017 wurde er in Šilutė, Litauen, erneuert. Seitdem hilft die Lippische Kirche den evangelischen Gemeinden in Litauen auf vielfältige Weise.
Aber nicht nur den Litauern. Die Kirche Lippes pflegt Partnerschaften mit reformierten (bzw. presbyterianischen) Kirchen in Europa und Afrika sowie der Gossner lutherischen Kirche in Ostindien, die auf das Wirken des deutschen Missionars Johannes Goßner (1773–1858) und der von ihm gegründeten Mission zurückgeht. Bei der Eröffnung der Lippischen Landessynode im Januar des vergangenen Jahres waren Vertreter der meisten Partnerkirchen anwesend.
„Talk und Gebet mit Partnerkirchen“
Die Pandemie des neuen Coronaviruses hält immer noch die ganze Welt in Atem. Eine globale Krise wie diese gibt natürlich auch Anlass, geschwisterliche Bande neu zu stärken. Im Kirchenamt in Detmold ergriffen die Mitarbeiter des Referats für Ökumene und Mission die Initiative und organisierten per Zoom zwei Videokonferenzen mit Partnerkirchen, die über YouTube live gestreamt wurden. Hier und hier können sie angesehen werden.
Im April tauschten sich Dieter Bökemeier, Pfarrer in Lippe für Ökumene und Mission, und Vertreter aus Indien, Polen und Ungarn über die Folgen der Pandemie in Land und Gemeinden aus. Bei einem zweiten Live-Stream im Mai kamen Pastoren der Partnerkirchen aus Rumänien und Litauen zu Wort, Holger als Auslandsbeauftrager der litauischen Kirche stellte die Situation im baltischen Land dar. (Der Kontakt mit den Geschwistern aus Afrika kam aus technischen Gründen leider nicht zustande.) Jeweils mit dabei war auch Landesuperintendent Dietmar Arends; Sabine Hartmann übersetzte die deutschen und englischen Wortbeiträge.
Die modernen technische Möglichkeiten erlauben eine Vernetzung, die sich früher viel komplizierter gestaltete. Nicht nur die Deutschen hörten aus anderen Ländern; die Vertreter der Partnerkirchen gewannen auch direkte Einblicke, wie es den anderen Kirchen geht. Allen wurde geholfen, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen.
Mitte Mai fasste das Referat für Ökumene und Mission die Information in „Beten für unsere Partnerkirchen in der Corona-Krise“ zusammen. „Vieles kommt einem dabei bekannt vor, denn in allen Ländern gibt es einen Shutdown. Aber die Konsequenzen gerade der Schließungen sind oft um Einiges gravierender, teils sehr dramatisch“, heißt es in der Einleitung zu den Schilderungen aus den Ländern. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Staaten und Kirchen sind im Einzelnen in dem Pdf-Dokument nachzulesen.
Mit Ausnahme der indischen rechnen sich alle Partnerkirchen der reformierten Konfessionsfamilie zu. Aber die Unterschiede sind schon in historischer Hinsicht groß. Neben dem deutschsprachigen Raum, den Niederlanden und Schottland konnte sich auf dem Balkan ein weiteres reformiertes Zentrum in Europa bilden. Die reformierte Kirche in Ungarn und die ungarischsprachige reformierte Kirche in Rumänien haben jeweils über ein halbe Million Mitglieder, weitere Hunderttausende in den Ländern haben reformierte Wurzeln. Mit der ungarischen Kirche und dem Bezirk Siebenbürgen der rumänischen unterhält Lippe die Partnerschaft. Gerade in Rumänien, immer noch eines der ärmsten Länder in Europa, wird der Kirche womöglich schon im Sommer die finanzielle Puste ausgehen.
Polen und Litauen waren um 1600 ebenfalls Hochburgen des reformierten Glaubens in Europa. Anders als auf dem Balkan griff hier die Gegenreformation aber voll durch – die einst großen reformierten Kirchen schrumpften zu kleinen Minderheiten in der katholisch dominierten Region. Heute bestehen in beiden Ländern nur noch jeweils etwa zehn Gemeinden mit einigen Tausend Mitgliedern. Da beide Staaten zu den großen Gewinnern des EU-Beitritts gehören und der Wohlstand in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, ist auch die Finanzlage der Kirchen noch nicht so ernst.
Die größten reformierten Kirche gibt es mittlerweile neben Nordamerika in Asien und Afrika – schließlich verlagert sich der Schwerpunkt des Christentum allgemein in den globalen Süden. Die südafrikanische Partnerkirche Lippes, die Uniting Reformed Church in Southern Africa (Südafrika und Namibia), zählt über eine Million Mitglieder, die presbyterianischen Kirchen in Togo und Ghana rund 150.000. All diese Kirchen sind aus europäischer Perspektive groß, aktiv und noch einmal ärmer als die in postkommunistischen Ländern.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden auch an den EKD-Kirchen nicht spurlos vorübergehen. Mit dem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen ist auch dort zu rechnen. Umso höher ist es den Freunden in Lippe anzurechnen, dass Anfang Mai ein Hilfsfonds aufgelegt wurde, aus dem insg. 100.000 Euro an die Partnerkirchen zur Nothilfe ausgeschüttet werden sollen.
„Das Erste und Wichtigste, wozu ich die Gemeinde auffordere, ist das Gebet“, so Paulus in 1 Tim 2,1. Das gilt natürlich auch für reformierten Kirchen. So wurden die Videokonferenzen mit Gebeten der einzelnen Teilnehmer beschlossen. Im Text „Beten für unsere Partnerkirchen in der Corona-Krise“ finden sich Gebetsanliegen aus den verschiedenen Kirchen und ein Vorschlag für ein Fürbittengebet. Auch in der litauischen Kirche werden die Anliegen aufgenommen werden.
In Litauen hat die Pandemie schon jetzt herbe Auswirkungen auf die Wirtschaft des kleinen Landes. In welcher Verfassung Gesellschaft und Kirche nach der Krise sein werden, bleibt abzuwarten. Dankbar können wir in der litauischen reformierten Kirche sein, dass wir mit Partnern in Deutschland und anderen Ländern verbunden sind – und dass diese Freundschaft auch durch Covid-19 sogar gestärkt wird.