Der Baltische Weg und das Ende des Kalten Krieges

Der Baltische Weg und das Ende des Kalten Krieges

Der 23. August ist einer der Gedenktage in Litauen, an dem die Staatsflagge mit schwarzem Band gehisst wird. Denn genau vor 75 Jahren wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet. Die Diktatoren Hitler und Stalin teilten in einem geheimen Zusatzprotokoll die Interessenssphären in Osteuropa unter sich auf. Der Hitler-Stalin-Pakt (nach den beiden Außenministern auch Molotow-Ribbentrop-Pakt genannt) führte dazu, dass 1939/40 die Länder zwischen der Tschechoslowakei im Süden und Finnland im Norden einer der beiden Mächte zugeschlagen wurden. Die Sowjetunion riss sich das Baltikum unter den Nagel, das Deutsche Reich weite Teile Polens (Litauen gehörte auch zur deutschen Sphäre, wurde aber im Austausch für weitere Gebiete in Polen Stalin überlassen).

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Der Molotow-Ribbentrop-Pakt  war in der litauischen Sowjetrepublik natürlich ein Tabu. Rima: “Von einer Okkupation wussten wir nichts”. Genauso wie die Farben der Trikolore Litauens oder die Worte der Hymne „Lietuva, Tėvyne mūsų“. Umso mutiger war eine Gruppe von Dissidenten, als man sich am 23. August 1987 mit einigen Dutzend Anhängern mitten in Vilnius am Denkmal des polnischen-litauischen Dichters Adam Mickiewicz (litauisch Adomas Mickevičius) versammelte. Die erste öffentliche Kundgebung für Freiheit in der Sowjetrepublik! Sie gab den Anstoß für die Unabhängigkeitsbewegung.

Im Oktober 1988 wurde „Sąjūdis“ gegründet, die „Erneuerungsbewegung Litauens“. Die Leitungen von Sąjūdis und der lettischen und estnischen „Volksfront“ („Latvijas Tautas fronte“ bzw. „Rahvarinne“) vereinbarten für das kommende Jahr eine die drei Staaten verbindende Demonstration: eine Menschenkette durch das ganze Baltikum, von der litauischen Hauptstadt Vilnius bis ins estnische Tallinn. Als Datum wurde der symbolträchtige 23. August 1989 gewählt – 50 Jahre nach Abschluss des teuflischen Paktes.Kelias logo

Eine gewaltige Planungsarbeit war zu bewältigen, mussten doch hunderttausende Menschen an die über 600 Kilometer lange Route heranfahren. Doch die Einwohner der drei Länder waren hochmotiviert. Tatsächlich bildete sich an dem Tag eine Menschenkette von etwa 2,5 Millionen, fast jeder dritte Litauer war ein Teil des „Baltischen Weges“. Dies brachte nicht nur einen Eintrag in Guinnessbuch der Rekorde, sondern auch weltweite Aufmerksamkeit. Die baltischen Länder zeigten nicht zuletzt dem Kreml, dass man die Ergebnisse des völkerrechtswidrigen Vertrages für null und nichtig hielt. Esten, Letten und Litauer waren entschlossen, ihr Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen. 1990 erklärten sich die drei Republiken für unabhängig, was ein Jahr später international anerkannt wurde. (Ganz oben ein Denkmal zum Baltischen Weg in Vilnius.)

Mitte August 1989 kamen die Abriegelung des Ostens Europas und damit auch der Kalte Krieg zu einem Ende. Denn schon am 19. des Monats flüchteten DDR-Bürger erstmals in Massen über die ungarisch-österreichische Grenze. Einige Wochen später wurde die Grenze offiziell geöffnet. Ein guten TV-Beitrag der DW zum Baltischen Weg gibt es hier.

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Der Gediminas-Turm in Vilnius am 23. August (Foto: delfi.lt)

Passend zu diesen geschichtlichen Ereignissen besuchten wir vor einigen Tages das Kalte-Kriegs-Museum bei Plateliai in Gebiet des Nationalparks von Žemaitija, gut einhundert Kilometer westlichen von Šiauliai. Dort befand sich eine sowjetische Raketenabschussbasis. Aus vier 30Meter tiefen Silos konnten Mittelstreckraketen nach Westeuropa abgefeuert werden. Die Basis im Westen Litauens war die einzige unterirdische in der litauischen Sowjetrepublik (drei weitere waren überirdisch angelegt). In den 80er und 90er Jahren war die Basis verlassen und wurde von Metallräuber geplündert. Erst vor einigen Jahren wurde ein Museum eingerichtet und werden Besuchergruppen durch (auch mit EU-Geldern) die wiederhergerichteten unterirdischen Räume geführt.

Mit von der Partie war Familie Hoyme aus Bald Vilbel/Frankfurt – gute Freunde, die uns für einige Tage auf ihrer Tour durchs Baltikums besuchten. Hier Bilder aus dem Museum.

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Einer von vier 30m tiefen Raketenschächten

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Sowjetische Propagandaplakate

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Plakate aus dem Westen

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Sowjetische Zivilschutzplakate

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Ludvic mit russischer Gasmaske

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Früher geheime Basis und Bedrohung, heute Touristenattraktion

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Zufahrt zur Basis

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Ludvic und Jonathan Hoyme