„Um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt“
Johannes Calvin in seiner Institutio (1559) über die Auferstehung:
„Ohne die Auferstehung wäre alles, was wir bisher [über das Werk Christi] gesagt haben, eitel Stückwerk. Denn in der Kreuzigung, im Tode, im Begräbnis Christi wird ja lauter Schwachheit offenbar, und der Glaube muss also über das alles hinwegkommen, um zu rechter Kraft zu gelangen. Wir haben in seinem Tode wahrhaftig bereits die ganze Erfüllung des Heilswerks, weil wir durch ihn mit Gott versöhnt sind, weil durch ihn Gottes gerechtem Urteil genuggetan, der Fluch aufgehoben, die Strafe getragen ist. Und doch heißt es in der Schrift nicht, dass wir durch seinen Tod, sondern ‘durch die Auferstehung Jesus Christi von den Toten’ ‘widergeboren’ sind ‘zu einer lebendigen Hoffnung’(1 Pt 1,3). Denn wie er in seiner Auferstehung als der Sieger über den Tod hervorkam, so beruht auch der Sieg unseres Glaubens letztlich auf seiner Auferstehung. Wie das zugeht, lässt sich besser mit den Worten des Paulus ausdrücken: ‘Er ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt’ (Röm 4,25). Damit will er doch wohl sagen: durch seinen Tod ist die Sünde abgetan, aber durch seine Auferstehung ist die Gerechtigkeit uns erworben und wiederhergestellt. Wie aber hätte er uns im Tode vom Tode freimachen können, wenn er ihm selbst unterlegen wäre? Wie hätte er uns den Sieg erringen können, wenn er selbst den Kampf verloren hätte? Unser Heil ist also auf Tod und Auferstehung Christi gleichermaßen begründet, und zwar so: durch den Tod ist die Sünde abgetan und der Tod überwunden, durch die Auferstehung ist uns die Gerechtigkeit wiedererworben und das Leben geschenkt.“ (Inst. II,16,13)
„Alles, was also bisher über unser Heil ausgeführt wurde, das erfordert einen Sinne, der sich zum Himmel erhebt, so dass wir Christus, den wir nicht ‘gesehen haben’, trotzdem ‘lieb haben’ und im Glauben an ihn uns ‘freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude’, bis wir ‘das Ende unseres Glaubens hervorbringen’, wie Petrus uns mahnt (1 Pt 1,8–9). Darum sagt auch Paulus, dass Glaube und Liebe der Heiligen auf die Hoffnung ausgerichtet sind, die uns ‘beigelegt ist im Himmel’ (Kol 1,4–5). Wenn wir so unsere Augen stracks auf Christus richten und wenn wir am Himmel hängen, wenn nichts auf Erden unsere Augen daran hindern kann, uns zu der verheißenen Seligkeit emporzutragen – dann geht jenes Wort wahrhaft in Erfüllung: ‘Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein’ (Mt 6,21). Daher kommt es, dass der Glaube so selten ist in dieser Welt, weil nämlich unserer Schwerfälligkeit nichts mehr Mühe macht, als auf dem Wege zu der Palme der himmlischen Berufung unzählbare Hindernisse zu überwinden! Zu dem gewaltigen Berg von Elend, der uns fast erdrückt, kommt noch der Spott unfrommer Menschen, der unserer Einfalt zusetzt: indem wir auf die Lockungen der gegenwärtigen Güter gern Verzicht leisten, scheinen wir ja nach der Seligkeit, die uns doch verborgen ist, wie nach einem Schatten zu haschen! Kurz, von oben und unten, von hinten und von vorn umlagern uns heftige Versuchungen, und unsere Herzen wären bei weitem nicht fähig, sie auszuhalten, wenn sie nicht, von den Dingen dieser Erde frei gemacht, an jenes himmlische Leben gebunden wären, das freilich dem Anschein nach weit von uns weg ist! Erst der ist wahrhaft im Evangelium fortgeschritten, der an die beständige Betrachtung der seligen Auferstehung gewöhnt ist.“ (Inst. III,24,1)
Bild o.: Die vom Auferstandenen geblendeten Wächter am Grab; Szene vom Isenheimer Altar, Colmar.