Drei Wege zum Frieden
Militärische Konflikte werden von der Welt nicht gänzlich verschwinden. Doch Fortschritte sind möglich. Denn drei große Friedensstifter wirken für den Frieden.
Die Kirche
Jesus, der verheißene Messias, wird in Jesaja 9,5–6 „Friedefürst“ genannt. Er bringt den Frieden mit Gott (Joh 14,27; Kol 1,20) und beauftragt die Apostel, das „Evangelium des Friedens“ aller Welt zu verkündigen (Apg 10,36; Eph 2,14; 6,15; Röm 5,1). Christen sind daher in besonderer Weise berufen, Eintracht zu suchen, und zwar untereinander (2 Kor 13,11; Eph 4,3) und mit allen Menschen (Röm 12,18; Hbr 12,14). Sie sollen „Friedensstifter“ sein (Mt 5,9; Jak 3,18).
John Stott macht in Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit 2 (Issues Facing Christians Today) im Kapitel über die nukleare Bedrohung gute Ausführungen dazu. Christen als Friedensstifter müssen z.B. mehr beten: „Die Fürbitte als Bestandteil des Gottesdienstes muss viel ernster genommen werden, wir müssen für unsere Regierungen, für Frieden und Gerechtigkeit, Freund und Feind, Freiheit und Stabilität beten…“ Christen sind außerdem, so Stott, dazu berufen, „eine beispielhafte Gemeinschaft des Friedens zu sein“, sie sollen den Frieden auch selbst verkörpern. Zum Abschluss des Kapitels: „Gott ist ein Friedensstifter. Jesus Christus ist ein Friedensstifter. Wenn wir Gottes Kinder und Christi Nachfolger sein wollen, dann müssen auch wir Friedensstifter sein.“
Die Kirche hat deshalb so eine wichtige Rolle, weil sie das Wurzelproblem aller Kriege direkt angeht. Thomas Schirrmacher: „Krieg und Frieden beginnen in der Bibel nicht in der großen Politik, sondern im Herzen des Einzelnen“ (Ethik, III). Er zitiert Jak 4,1–2: „Woher kommen die Kriege und woher kommen die Streitigkeiten unter euch? Nicht daher, aus euren Begierden, die in euren Gliedern streiten?“ Daher stellt Schirrmacher fest: „Wer den Menschen nicht helfen kann, seine Begierde und den Krieg im Kleinen zu beherrschen, wird auch keinen echten, langfristigen Frieden zwischen Nationen herstellen können. Nur der Geist Gottes kann aufgrund des Todes Jesu am Kreuz Menschen so verändern, dass sie auf Frieden sinnen. Weltmission ist daher der beste Weg zum weltweiten Frieden.“
An dieser Stelle ist zu beachten, dass das Christentum allein das Grundübel beseitigt. Genauer gesagt ist es natürlich Gott selbst, der hier handelt: „Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben…“ (Hes 11,19). Der Weg des Friedens geht daher nicht über die Einheit der Religionen, wie z.B. schon vor dreißig Jahren Franz Alt in Liebe ist möglich behauptete, sondern über die Einzigartigkeit der einen wahren Religion. Diese These ist heute natürlich äußerst unpopulär, denn man hat sich an die Sätze Alts gewöhnt: „Alle Religionen sind Wege zu Gott… Alle Religionen sind ihrem Wesen nach eins. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen die Botschaft Gottes zu bringen und die Gewissen zu schärfen… Voraussetzung einer künftigen Welt-ein-heit ist die Religions-ein-heit.“ Alts These: „Nur über mehr Religions-ein-heit gibt es Weltfrieden.“
Religionsvermischung ist eine Versuchung, die die Kirche abzuwehren hat. Eine falsche Spiritualisierung ist eine weitere. Ulrich Beck, der wohl bekannteste deutsche Soziologe, betitelte vor einigen Jahren einen Artikel provozierend „Gott ist gefährlich“ („Zeit“, 52/2007). Allen Religionen, vor allem den monotheistischen, wohne „eine totalitäre Versuchung inne“, weshalb er meint: Religion ist gefährlich. Beck fordert Religiosität statt Religion, „synkretistische Toleranz des Sowohl-als-auch“ anstatt objektive Wahrheit. Er appelliert, „dass Religionen den Anspruch der Wahrheit ersetzen durch den Anspruch auf Frieden. Was aber nur geht, wenn sie das Nicht-Wissen akzeptieren“. In seinem Buch Der eigene Gott meint Beck sogar: „Inwieweit Wahrheit durch Frieden ersetzt werden kann, entscheidet über die Fortexistenz der Menschheit.“ Wer wollte keinen Frieden. Aber dafür die Wahrheit loswerden? Wenn die Kirche auf ihre einzigartige Wahrheit verzichten sollte, dann wird sie auch nicht mehr die wahre Botschaft des Friedens haben und verkündigen können.
Die Wirtschaft
Auch Platon sah die Ursache für Kriege im Inneren des Menschen. Der griechische Philosoph schrieb in Der Staat: „Also müssen wir uns vom Gebiet des Nachbarn etwas abtrennen, wenn wir genügend Land für die Weide und Acker haben wollen, und die Nachbarn machen es ebenso bei uns, wenn auch sie sich dem endlosen Drang nach Besitz ergeben und die Grenzen des Notwendigen überschreiten“. „Dann werden wir also Krieg führen“, schlussfolgert Sokrates in dem Dialog mit Glaukon, denn dazu führt dann natürlich das Rauben von Land im größeren Maßstab (373d-e).
Darin steckt gewiss viel Wahrheit, denn tatsächlich waren vielleicht sogar die meisten Kriege einfach nur große Beutezüge. Das einzige Gegenmittel will aber gar nicht den Drang nach einem besseren Leben und mehr Reichtum auslöschen. Der „Drang nach Besitz“ über das „Notwendige“ hinaus ist nämlich keineswegs als solcher schon ein moralisches Übel. Wir können und sollen danach trachten, ein mehr oder weniger kümmerliches und ärmliches Leben zu verbessern. Die Frage ist nur, wie dies geschehen kann.
Die einzige Alternative zum Raub sind friedlicher Tausch und Handel, und die höchstentwickelte Form dieser Wirtschaft ist heute der globale Kapitalismus. Ein eng über nationale Grenzen verflochtene Wirtschaft ist ein großer Friedensstifter, denn jeder Krieg schadet vor allem den wirtschaftlichen Beziehungen.
Immanuel Kant hatte als einer der ersten die Bedeutung von Demokratie („republikanische Ordnung“ in seinen Worten) und international verflochtener Wirtschaft klar geschildert. In Zum ewigen Frieden (1795) stellt er dar, dass in einer Republik die Bürger an den Beschlüssen der Regierung mitwirken. Daher wägen sie Teilnahme, Kosten, Zerstörungen eines Krieges gut ab und zögern, „ein so schlimmes Spiel anzufangen“ – schließlich „beschließen sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst“. Ist das Staatsoberhaupt dagegen „Staatseigentümer“, die Untertanen nicht auch Staatsbürger, so werden solche Regierenden leicht Krieg „wie eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschließen.“ Und zum zweiten Aspekt: Die Völker werden „durch wechselseitigen Eigennutz vereinigt“. Platon sah nur das Gegenteil: Zwist und Krieg durch Drang nach mehr. Der Königsberger Philosoph schließlich: „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Krieg nicht zusammen bestehen kann.“
Im 19. Jahrhundert bemerkte dann Frédéric Bastiat griffig: „Wenn nicht Waren die Grenzen überschreiten, dann werden es Soldaten tun.“ Auch sein Zeitgenosse und Landsmann Alexis de Tocqueville hatte erkannt, dass sich in demokratischen Ländern die Menschen angleichen: „Trotz der Verschiedenheit der Sprache, Gebräuche und Gesetze“ ähneln sie sich immer mehr „in der Furcht vor Kriegen und in der Friedensliebe“, so dass „Kriege seltener werden“. Weiter in Über die Demokratie in Amerika (1835/40), und hier bringt er auch die Wirtschaft ins Spiel:
„Je mehr sich die Gleichheit in mehreren Ländern zugleich entwickelt und ihre Bewohner zu Handel und Industrie treibt, desto ähnlicher werden nicht nur ihre Neigungen, sondern auch ihre Interessen vermengen und verquicken sich so, dass keine Nation es wagen kann, eine andere zu unterdrücken, weil alles Elend, das sie einer anderen zufügt, auf sie selber zurückfallen würde. Alle betrachten den Krieg schließlich als großes Unglück, das für Sieger und Besiegte gleich groß ist. Es ist deshalb einerseits sehr schwierig, demokratische Völker in einen Krieg zu verwickeln, andererseits auch fast unmöglich, dass zwei sich isoliert bekriegen. Die Interessen aller sind so verflochten, ihre Meinungen und Bedürfnisse so übereinstimmend, dass keines von ihnen sich teilnahmslos verhalten kann, wenn die anderen in Bewegung sind. Die Kriege werden also seltener, greifen aber, wenn sie ausbrechen, weiter aus.“
Diese Linie führt zu Ludwig von Mises, der in seinem Liberalismus (1927) die Rolle der Arbeitsteilung betonte:
„Die Arbeitsteilung kann sich nur unter dem Schutze eines gewährleisteten Friedens entwickeln. Wo diese Voraussetzung fehlt, überschreitet die Arbeitsteilung nicht die Grenzen des Dorfes oder nicht einmal die des einzelnen Familienhauses. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land… setzt schon voraus, dass wenigstens innerhalb der einzelnen Landschaften der Frieden gesichert ist. Soll die Arbeitsteilung das Gebiet eines ganzen Volkes umfassen, so müssen Bürgerkriege außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen; soll sie die ganze Welt umspannen, so muss ewiger Frieden zwischen den Völkern gesichert sein.“
Mit der Industrialisierung und nun durch die Globalisierung wurden die wirtschaftlichen Beziehungen immer internationaler und dichter – „ein Produkt des Liberalismus und Kapitalismus des 19. Jahrhunderts. Durch sie erst wurde die weitgehende Spezialisierung der modernen Produktion und damit die großartige Vervollkommnung der Technik ermöglicht“, so von Mises.
Der große Ökonom war kein Pazifist: „Wenn ein friedliebendes Volk von einem kriegslustigen Gegner angegriffen wird, dann muss es sich zur Wehr setzen und alles tun, den Ansturm der Feinde abzuwehren.“ Es gibt in solchen Kriegen Heldentaten, „Mannhaftigkeit und Tapferkeit“; Tugenden zeigen sich wie „Kühnheit, Unerschrockenheit, Todesverachtung“. Doch dies, so Mises, sind keine „absoluten Tugenden“; der „Zweck, in dessen Dienst sie stehen“, ist unbedingt zu beachten.
Keineswegs ist der Krieg der Vater aller Dinge, wie Heraklit sagte, sondern „der Frieden [ist] der Vater aller Dinge. Das, was die Menschheit allein vorwärts bringt und sie vom Tier unterscheidet, ist die gesellschaftliche Kooperation. Die Arbeit allein ist es, die aufbaut, reich macht und damit die äußeren Grundlagen für inneres Gedeihen des Menschen legt. Der Krieg zerstört nur, er kann nie aufbauen.“ Die Tradition des politischen und wirtschaftlichen Liberalismus ist daher durch und durch friedliebend (wenn auch nicht pazifistisch); „Sozialismus, Nationalismus, Protektionismus, Imperialismus, Etatismus, Militarismus“ hängen dagegen eng zusammen. „Das Programm des Antiliberalismus hat den großen [I.] Weltkrieg entfesselt und die Völker dazu gebracht, sich gegenseitig durch Ein- und Ausfuhrverbote, durch Zölle, durch Wanderungsverbote und durch ähnliche Maßnahmen abzusperren.“
In diesem Zusammenhang muss sicher auch Friedrich August von Hayek erwähnt werden, der in Recht, Gesetz und Freiheit vom Dreiklang „Friede, Freiheit und Gerechtigkeit“ spricht, die „die einzigen unbedingt nötigen Stützen der Zivilisation“ sind. Und es sei auf einen weiteren britischen Ökonomen hingewiesen. Arthur Seldon (1916–2005) zeigte in The Virtues of Capitalism, dass demokratischer Kapitalismus zu hoher Produktivität und Wohlstand führt, auf einem hohen Maß der Freiheit gründet und drittens den Frieden fördert:
„Die Welt der kapitalistischen Länder, in denen der Bereich der Regierung minimiert und die Tätigkeiten von Männern und Frauen auf dem Markt im In- und Ausland maximiert sind, ist stärker dazu geneigt, den Frieden zu bewahren, als eine Welt der sozialistischen Staaten. Denn es ist dort wahrscheinlicher, dass ein internationaler Markt entsteht, auf dem Einzelpersonen und Privatfirmen und nicht Regierungen miteinander Handel treiben. Die viel geschmähten multinationalen Unternehmen sind per Definition aus Eigeninteresse dem Weltfrieden zugeneigt. Internationale Vereinigungen aller Art verringern die Bedrohung der Menschheit durch einen Atomkrieg, vermeiden oder minimieren die Verschmutzung der Umwelt und einigen sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung von menschlichen Katastrophen wie Hunger um so besser, je mehr sie durch Marktbeziehungen von gegenseitigem Interesse verknüpft sind.“
Abschließend muss auch noch Carl Christian von Weizsäcker zitiert werden. Der Sohn des berühmten Physikers stellt in Logik der Globalisierung dar, dass die Freihandelsordnung, also eine Weltwirtschaftsordnung, die von den demokratischen und marktwirtschaftlichen Staaten bevorzugt wird, „den Weg für die friedliche, nicht mehr kriegerische Austragung von Konflikten weist“. Es ist sehr zu begrüßen, dass er klar betont: „Die wettbewerbliche Wirtschaft ist die Kraft der Veränderung, die Politik, sei sie demokratisch oder nicht, ist die Kraft der Beharrung und Bewahrung.“ Und provokant: „Die Weltprobleme werden dadurch gelöst, dass man der Wirtschaft die Führungsrolle vor der Politik überlässt.“
Weizsäcker sieht in der viel geschmähten Welthandelsorganisation WTO den „Kern einer Friedensordnung“. Natürlich wird es auch in Zukunft keinerlei Garantie für friedliche Beziehungen von Staaten geben. „Die WTO stellt aber ein wirksames Sanktionssystem, das ohne die Drohung mit dem Einsatz von Waffen jenseits der jeweiligen nationalen Grenzen auskommt. Das Sanktionssystem ist deshalb wirksam, weil es mit der Sperrung des internationalen Marktzugangs drohen kann, der für die meisten Länder angesichts ihrer Einbettung in die Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist.“
Der Krieg
Auch der Krieg, so absurd das erst einmal klingt, ist ein Weg zum Frieden. Denn der gerechte Krieg wird geführt, um den Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit zu bewahren bzw. wieder herzustellen. Im Aufsatz „Warum ich kein Pazifist bin“ aus dem Jahr 1940 schildert C.S. Lewis das „Hauptargument der Pazifisten“: „Kriege schaden immer mehr, als dass sie nützen“. Lewis, der selbst im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, hält dies Argument aber für rein spekulativ und wenig überzeugend. Gewiss, so Lewis, ist Krieg als solches ein Übel, kein Zustand, den man sich erwünschen sollte, aber „dass Krieg immer eine Katastrophe sei“, glaubt Lewis eben nicht. „Natürlich ist Krieg etwas sehr Schlimmes. Aber das ist gar nicht die eigentliche Frage. Die Frage lautet, ob Krieg das schlimmste Übel auf der Welt ist, so dass ihm jeder andere Zustand, den eine Unterwerfung zur Folge haben könnte, auf jeden Fall vorzuziehen wäre.“ Krieg ist also ein Mittel, um noch Schlimmeres zu verhindern. Obwohl er selbst kein Gut im eigentlichen Sinne ist, ist er zu etwas gut.
Diese Überzeugung spiegelt sich auch im Buchtitel Krieg. Wozu er gut ist von Ian Morris wider. Der britische Historiker hat darin eine breite Untersuchung zur Geschichte des Krieges vorgelegt. Im Interview mit dem „Spiegel“ (2/2014) betont er auf der einen Seite nüchtern, dass wir „auf Gewalt gepolt“ sind und eben nur ungern und kaum freiwillig auf die Freiheit, andere auszurauben und zu überfallen, verzichten. Uns hält „Strafandrohung, Niederlage im Krieg oder die unmittelbare Angst davor“ im Zaum. Auf der anderen Seite hat „die Menschheit gelernt, ihre Gewalttätigkeit zu zähmen. Sie ist weniger kriegerisch geworden. Und dieser Prozess hat sich in den letzten 200 Jahren beschleunigt.“
Morris belegt dies historisch: „In Steinzeitgesellschaften kamen vermutlich zwischen 10 und 20 Prozent aller Menschen durch die Hand ihrer Mitmenschen um.“ Um 1250 musste einer von hundert Westeuropäern davon ausgehen, gewaltsam zu sterben; um 1600 noch einer von dreihundert und 1950 einer von dreitausend. Sein Fazit: „10.000 Jahre Krieg, seit der Jungsteinzeit,… haben die Gewalt insgesamt gesenkt, und zwar dramatisch… So unbequem diese Tatsache ist, der Krieg ist sehr wohl zu etwas nutze.“ Auf kurze Sicht – in einer Generation – macht Krieg natürlich schneller tot. Auf lange Sicht ergibt sich jedoch ein anderes Bild: „Kriege haben im Lauf der Geschichte größere, komplexere Gesellschaften höherer Ordnung geschaffen, die sich in Staatsgebilden organisierten. Und diese vermindern das Risiko, dass ihre Angehörigen eines gewaltsamen Todes sterben.“
Natürlich wächst auch eine Art von Risiko durch den technologischen Fortschritt und große staatliche Macht. In der Steinzeit drohte nicht die Totalvernichtung der Menschheit, die heute durch Atomwaffen möglich ist. Das Gesamtergebnis von Jahrtausenden kriegerischer Auseinandersetzungen ist heute aber „eine friedlichere Welt, in der wir alle länger leben. Aus Verlust entsteht Gewinn.“
Manche Sätze von Morris mögen zynisch klingen. Und die Zusammenhänge sind natürlich komplex. Die „komplexeren Gesellschaften höherer Ordnung“ haben sich vor einhundert Jahren in ein dummes, weil überflüssiges Kriegsabenteuer gestürzt, dass 15 Millionen Tote hinterließ. Zwanzig Jahre später ging der Krieg gleichsam in die zweite Runde mit einem Vielfachen an Opfern. War all das zu etwas gut? Ja, das war es. Wir leben nun in einer beispiellos langen Friedensepoche in einem freien Europa, auch deshalb, weil man aus den blutigen Schlachten gelernt hat. Wenn der Mensch auch töricht bleibt (s. z.B. Barbara Tuchmans hevorragendes Die Torheit der Regierenden) – Gott sei Dank können wir das Maß der Torheit begrenzen. Und eine der weisen Erkenntnisse lautet eben: der absolute Pazifismus ist nicht der beste Weg zu dauerhaftem Frieden in Wahrheit und Gerechtigkeit und Freiheit.
Fassen wir zusammen: Die Kirche arbeitet an der Wurzel, und auch ihr Tun bleibt hier in gewisser Weise unvollkommen (man führe sich in Erinnerung, dass der Völkermord in Ruanda vor genau zwanzig Jahren in einem Land geschah, in dem über 90% der Einwohner zumindest nominell Christen sind). Sie wirkt vor allem auch auf die Familien ein, denn zu Friedensliebe wird man erzogen oder eben nicht. Die Wirtschaft steht kaum weniger im Zentrum der Friedensbemühungen, in dem sie enge Bande zwischen Menschen weltweit knüpft. Und die Staaten haben eine große Verantwortung: die Kriege auf das äußerst Not-wendige zu reduzieren und aus den Kriegen der Vergangenheit zu lernen, so dass das Leid begrenzt, die Freiheit und das Recht aber geschützt werden.