Absolvierung am EBI

Absolvierung am EBI

„Müssen Pastoren für ihren Dienst ein Theologiestudium absolviert haben?“ Auf einer mehrtägigen Konferenz für Gemeindemitarbeiter im Baltikum im Juni 1997 in Jurmala bei Riga war dies die Frage, die einer litauischen Gruppe zur Diskussion vorgelegt wurde. Damals, Mitte der 90er Jahre, war dies ein besonders brennendes Thema. Denn aufgrund der massiven Beschränkung bzw. des weitgehenden Verbots der theologischen Ausbildung in der Sowjetunion hatten die meisten Pastoren kein Studium absolviert, viele nur Kurse hier und dort besucht. Dies begann sich schon zu ändern; gerade in Russland waren viele christliche Seminare und sogar Hochschulen eröffnet worden. Auch ein Studium im westlichen Ausland war schon in Mode gekommen. Müssen also die Altgedienten noch akademische Titel erwerben?

Zu der Gruppe gesellte sich dann John Stott, Hauptredner während der Konferenz, die die Bibellesebünde der baltischen Länder veranstaltete. Und zur Überraschung aller Anwesenden beantwortete Stott die gestellte Frage doch tatsächlich mit Nein. Die Litauer kamen ins Stutzen: Wie kann das sein? Der große Theologe und Doktor der Theologie spricht sich gegen ein Studium aus? Nein, das auch wieder nicht. Stott, vor drei Jahren verstorben, erläuterte dann: Pastoren müssen nicht unbedingt akademische Grade erwerben; aber sie müssen bereit sein zum Lernen. Schließlich kann eine allgemeine Verpflichtung zur speziellen Ausbildung von Pastoren an Seminaren und Hochschulen nicht aus der Bibel abgeleitet werden. Wozu Mitarbeiter in der Lehre und Verkündigung aber verpflichtet sind, ist der Wille, im Glauben und auch in der theologischen Erkenntnis zu wachsen und Neues zu lernen. Und das ist nicht unbedingt direkt an ein akademisches Studium gebunden, und vor allem: es hört mit diesem Studium auch nicht auf.

Von der Konferenz vor siebzehn Jahren berichtete Valdas Vaitekvičius, der seit 1995 Pastor der Freien christlichen Gemeinde in Šiauliai ist und damals selbst teilnahm. Seit Februar ist er nun auch nebenamtlich Rektor am Evangelischen Bibelinstitut (EBI). Valdas hielt eine kurze Ansprache, als vor drei Wochen im Studienzentrum in Šiauliai fünf Studenten Abschlusszeugnisse überreicht wurden (o. Gesamtbild mit Mitarbeitern; Valdas ganz rechts, ganz links die EBI-Mitgründerin Raimonda Balčiūnienė, nun in den USA lebend). Eine Woche später erhielten auch in Vilnius ein gutes halbes Dutzend Absolventen ihre Urkunden. Die meisten von ihnen haben das zweijährige Studienprogramm beendet – eine Art theologische Grundausbildung für Gemeindemitarbeiter. Im Winter folgen noch zwei Studenten (darunter eine Pastorin), die das volle sechsjährige Programm belegt haben und dann ihre Abschlussarbeiten verteidigen werden.

Eine formelle theologische Ausbildung ist kein Muss. Aber sie bietet ein Umfeld, in dem das Lernen gelernt werden kann; in dem man Horizonte erweitert und vom Erfahrungsschatz anderer Kirchen, der Mitstudierenden und der Lehrer, die am EBI  aus unterschiedlichen Gemeinden stammen, lernt. Ermutigend ist das sehr positive Echo und der große Dank, den die Absolventen an alle Mitarbeitenden im EBI weitergaben. Tatsächlich hat es seit 1997 auch in Litauen große Fortschritte gegeben, denn nun stehen für Lernwillige Ausbildungsprogramme zur Verfügung, die kurz vor der Akkreditierung durch die EAAA stehen.

Nun hat übrigens Nerija (im Bild u. zweite von rechts), die den Kirchenvorstand der lutherischen Gemeinde in Klaipeda leitet, formell ein bessere Ausbildung als ihr Pastor. Reincholdas Moras trat vor über 30 Jahren einfach in die Fußstapfen seines Vaters, auch schon Pastor im Dienst der Kirche. Eine komplette theologische Ausbildung konnter er in der UdSSR nicht machen. Eine Weile war er dann später am Lehrstuhl für evangelische Theologie der Uni  Klaipeda eingeschrieben, doch einen Abschluss hat der vielbeschäftigte Seelsorger dort nie gemacht (er ist eben für die größte lutherische Gemeinde im Land verantwortlich; hinzu kommen kleinere Kirchspiele, die – wie üblich in Litauen – noch mitbetreut werden). Aber in einem Klima des demütigen Lernens voneinander ist auch das kein Problem.

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Absolventen in Šiauliai (v.l.n.r: Deividas, Dovilė, Liana, Nerija, Renata)

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Lehrer im Gespräch: Christoph Hägele (l.), Artur Schmidt (m.) und Artūras Rulinskas