Lost in communication

Lost in communication

Im Frühjahr des vergangenen Jahres lief der Dokumentarfilm „Pfarrer“ an, der vor einigen Tagen auf „Arte“ unter dem Titel „Pfarrer werden“ gezeigt wurde. „Theoblog“ weist hier auf den sehr gut gemachten Film hin. Hier zum Inhalt:

„Die beiden atheistischen Dokumentarfilmer Stefan Kolbe und Chris Wright beobachten durch die Kamera, was normalerweise nicht besonders viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommt: Sie begleiten eine Gruppe von jungen Männern und Frauen in der finalen Phase ihrer Pfarrer-Ausbildung; Ort des Lehrgangs ist die Lutherstadt Wittenberg – einst Hochburg der Reformation, heute in einer der ungläubigsten Regionen Deutschlands gelegen. Ein Jahr lang folgen Kolbe und Wright der Gruppe und dokumentieren distanziert deren Ausbildung sowie die alltäglichen Abläufe des Seminars, gehen aber auch mit den Pfarrer-Anwärtern ins Gespräch. Dabei werden die großen Themen Glaube, Liebe, Geborgenheit und Lebenssinn diskutiert – sowie eine weitere große Frage, die bereits Generationen beschäftigt hat: Gibt es ein Leben in Anschluss an den Tod?“ S. auch hier eine kurze Kritik von „epd-Film“.

„Wo war das Evangelium?“

Da der Film in der „Arte“-Mediathek nicht mehr lange zugänglich sein wird, sei hier ein vielsagendes Gespräch ab 54:45 wiedergegeben. Die Vikare und Vikarinnen treffen sich, um in der Gruppe wieder die Frage nach dem Evangelium aufzugreifen: „Was heißt denn das konkret – Evangelium zu kommunizieren?“ Dies soll aber „nicht im luftleeren Raum“ bestimmt werden, sei vielmehr immer eine „Antwort auf eine konkrete Frage“.

Diese konkreten Fragen sollen nun „werkstattmäßig“, so der der Leiter des Predigerseminars, gestellt und beantwortet werden. Einer der Filmemacher, bei den Aufnahmen für den Ton verantwortlich, meldet sich. „Willst du ‘ne echte Frage stellen?“, so einer der Nachwuchspfarrer (die Vikare folgend „V“). Chris Wright [CW]: „Ja“. Der Toningenieur und ein erster Vikar stehen sich gegenüber. CW: „Also die Situation ist, es kommt ein Filmemacher in einer Predigerseminar [Gelächter]. Und da sind lauter Leute, die Pfarrer werden sollen und wollen. Und der Filmemacher ist ein Atheist.“ [Im Raum stehender V.] „Was fragt denn der Atheist?“ CW: „Lieber Herr Pfarrer, ich weiß nicht, manchmal frage ich mich, ob mein Leben irgendwie einen Sinn hat. Was glauben Sie?“ V. 1: „Ob ihr Leben einen Sinn hat? [Seufzer] Also Sie denken, dass es keinen Sinn hat. Habe ich Sie richtig verstanden? Oder… Also fühlen Sie, dass es keinen Sinn hat?“ CW: „Ja natürlich. Sonst würde ich die Frage ja nicht stellen.“ V. 1: „OK, also das Leben ist sinnlos. Hm.“ [Gelächter; wendet sich an die Nebenstehende, die vor CW tritt] V. 2: „Was meinen Sie denn mit Sinn? Was verstehen Sie denn darunter?“ CW: „Äh…, ich verstehe darunter, dass ich weiß, das etwas… bleibt. [Pause] Aber vielleicht, wenn es einen Gott gäbe, müsste ich ja nicht diese Frage stellen überhaupt. Weil wenn es einen Gott gibt, gibt es auch automatisch ‘n Sinn, oder?“ V. 1 fragend: „Dann hat das Leben automatisch Sinn, wenn Gott da ist.“ CW: „Aber ich dachte ein Gott, der… das ist doch die perfekte Welt, oder? Weil Gott ist ja perfekt. Dann hat alles einen Sinn, oder nicht?“ V. 3: „Was würde das ändern, wenn es einen Gott gibt? Was würde das für die Frage nach dem Sinn austragen?“ CW: „Weil dann müsste ich mir keinen Kopf machen, ob’s einen Sinn hat. Ich wüsste, dass es einen Sinn hat, auch wenn ich den Sinn nicht begreife. Ich wüsste es. Weil es ‘nen Gott gibt. Weil Gott…“ V. 3: „Würde Gott den vorschreiben, den Sinn? Würdest Du das so denken?“ CW: „Ob er’s vorschreibt, weiß ich nicht, aber der weiß es. Und da muss ich’s selber nicht wissen.“ [V. 3 zu V. 2: „Willst Du weitermachen?“] V. 2: „Könnte es sein, dass Gott den Sinn weiß, aber dass Sie den trotzdem nicht immer wissen?“ [Pause] CW: „Genau. Da müsste ich aber auch das Gefühl haben, dass es Gott gibt. Und dann wüsste ich auch, dass es den Sinn gibt.“ V. 2: „Ne, was ich gerade meinte war genau, vielleicht… vielleicht ändert es nichts daran. Der Glaube an Gott… vielleicht ändert der nichts daran, ob ich den Sinn immer sehe.“ V. 4: „Was hindert Dich eigentlich daran, an Gott zu glauben?“ CW: „Mein Verstand. Das ist so etwas von schwachsinnig. Das geht dar nicht.“ V. 4: „Der Verstand hindert Dich daran, an Gott zu glauben. Aber Gott und Verstand haben ja auch nichts miteinander zu tun, sonst würden wir ja nicht Gott dazu sagen… Hast Du Angst davor, dass Du Dich einer Sache hingibst, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt?“ CW: „So könnte man das formulieren. Ja. [Pause] Ich kann den Sprung nicht machen.“ V. 2: „Vielleicht ist Gott auch nur das Eingeständnis dessen, dass es eben Sachen gibt, die Du nicht begreifen kannst. Nur des, und mehr nicht.“ [Applaus] Frage aus dem Raum: „Und die Frage, die wir stellen, ist: Wo war das Evangelium?“ Einer: „Irgendwo dazwischen.“ Ein anderer: „Was war das Evangelium?“ Der Seminarleiter Wolf-Jürgen Grabner: „Für mich war das Evangelium die Begegnung. Dass Leute einander zugehört haben und nach Antworten gesucht haben. Das war für mich Evangelium“. Ein Vikar ergänzt: dass beide um Antworten gerungen haben. V. 1: „Dass es Menschen gibt, die sich diese Frage stellen. Und dass der Mensch dazu fähig ist, diese Frage überhaupt zu stellen. Das finde ich immer wieder ‘ne bewegende Sache, die mich auch selber total mitnimmt.“

Eine ehrliche Frage, ein offener und nun wirklich bewegender Dialog, auch ehrliche… ja was? Ehrliche Antworten? Ehrlich vielleicht schon, aber Antworten? Gott ist das „Eingeständnis“, dass wir Dinge nicht begreifen können – „und mehr nicht“? Evangelium ist die „Begegnung“ der um Antwort Ringenden? Und die Antwort auf die Frage nach dem Sinn ist das Bewegtsein von dieser Frage? – Alle haben sich nach dieser Übung sicher irgendwie gut gefühlt. Gelacht wurde genug. Ist der Atheist dem Glauben auch nur einen Millimeter näher gekommen? Das Evangelium ist in dem gutgemeinten, offenen Gespräch, in der Begegnung, „irgendwo dazwischen“ verlorengegangen. Lost in communication.

„Gott und Verstand haben auch nichts miteinander zu tun“ prangt übrigens oben auf dem Kinoplakat des Films. Die den Satz fast schon wie beiläufig und selbstverständlich dahin gesagt hat, ist Pfarrerstochter und heute im Gemeindedienst.