„Eure Frauen sind euch ein Saatfeld...“

„Eure Frauen sind euch ein Saatfeld…“

„Hasspredigt“ – mit diesem Vorwurf muss sich seit mehreren Wochen nicht nur Pastor Olaf Latzel aus Bremen herumschlagen. Eine Welle der Empörung löste auch die Predigt des Ägypters Abdel Moez al-Eila in der Al-Nur-Moschee im Berliner Stadtteil Neukölln am 23. Januar aus. Der Gastprediger behauptete dort (natürlich auf Arabisch): „Eine Frau darf nicht den Sex mit ihrem Mann verweigern. Sie darf keine Ausreden oder Vorwände benutzen. Wie schon der Prophet und viele andere Gelehrte gesagt haben: Wenn ein Mann seine Frau ins Bett ruft und sie sich verweigert und einschläft – dann verfluchen die Engel sie!“ Außerdem dürfe eine Frau das Haus ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht verlassen. „Und unter keinen Umständen darf sie außerhalb des Hauses übernachten. Eine Frau darf keinen Job ohne die Erlaubnis ihres Mannes annehmen.“

Die Presse verurteilte Anfang Februar diese und weitere Aussagen natürlich einhellig als frauenverachtend. Der Berliner Innensenator sprach von einer „Zumutung für jeden klardenkenden Menschen“. Auch Muslime in Deutschland äußerten sich kritisch. Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) erstattete sogar Strafanzeige gegen den Prediger wegen des Verdachts der Beleidigung, der Volksverhetzung und der öffentlichen Aufforderung zur Gewalt: „Bei diesen Aussagen handelt es sich um eine alle Frauen herabwürdigende finstere Ideologie, die geächtet, gestoppt und betraft werden sollte“.

Gewiss ist zu begrüßen, wenn muslimische Verbände und viele Einzelpersonen mit dem konservativen Scheich aus Ägypten nicht übereinstimmen wollen. Es stellt sich aber auch die Frage, inwieweit seine Aussagen tatsächlich der Lehre des Islam und den Suren des Korans entsprechen. Auf dem Hintergrund der doch sehr abstrakten Debatte um die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland sollte konkret untersucht werden, welches das islamische Frauenbild ist. Gehört dieses Frauenbild zu Deutschland?

Christine Schirrmacher ist eine der wichtigsten Islamexperten im deutschsprachigen Raum. Jüngst erklärte sie im Rahmen der Berliner Sicherheitsgespräche zum Thema Islamismus, dass eine innerislamische Debatte über Gewalt im Namen der Religion notwendig ist. Und sicher ist auch eine solche Diskussion um die Rechte und Rolle der Frau von Nöten. Sehr sachlich hat Schirrmacher dazu in ihrem Nachschlagewerk Kleines Lexikon zur Islamischen Familie (Hänssler-Verlag, 2002) Stellung genommen. Auch auf den Seiten des „Instituts für Islamfragen der Evangelischen Allianz in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ können unter „Artikel“ zu „Frauen und Familie im Islam“ die meisten Informationen nachgelesen werden.

Hier nun Auszüge aus den Texten von Schirrmacher zum Stichwort „Frau“, „Mann“ und „Sexualität“. Man kann sich selbst ein Bild davon machen, ob der ägyptische Prediger sich mit seinen Hauptaussagen im Rahmen des traditionellen Islams bewegt hat oder nicht.

Aus dem Stichwort „Frau“:

Der familiäre Bereich

Eines der charakteristischsten Merkmale der Höherordnung des Mannes ist zweifellos sein Züchtigungs­recht gegenüber der Frau, das der Korantext in Zusammenhang mit der Höherordnung des Mannes formuliert: “Und wenn ihr befürchtet, dass (die) Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (wieder) gehorchen, dann unter­nehmt nichts gegen sie” (4,34).

Wenn der Mann also befürchtet (der Fall des Ungehorsams also noch gar nicht einge­treten ist?), seine Frau könne sich gegen ihn auflehnen, kann er – ja soll er, denn der Vers formuliert im Imparativ – zum Mittel der Züchtigung greifen, um seine Frau zum Gehorsam zu zwingen, nachdem die Ermahnung und die eheliche Verwei­gerung sie nicht zum Nachge­ben bewogen haben. Natürlich wird nicht jede muslimische Frau von ihrem Ehemann geschlagen, genauso we­nig wie behauptet werden kann, dass dieses Problem in nichtislami­schen Ehen nicht aufträte. Es gibt immer wieder muslimische Autoren, die das Schlagen der Ehefrau für nicht mehr zeitgemäß erklären (wie z. B. Smail Balic) oder den betreffenden Koranvers so deuten, dass damit eigentlich keine harten Schläge oder Verletzungen, sondern nur eine symbolische Handlung, eine ‘nachdrückliche Ermahnung’ gemeint sei, um der Frau den Ernst der Lage vor Augen zu führen. Allerdings sind dies im Gesamtzusammenhang doch Außenseiterpositionen, die aufgrund des relativ eindeutigen Wortlautes des Korantextes und zahlreicher ähnlich lautender Überlieferungen schwer zu begründen sind.

Es bleibt eine Tatsache, dass der Ko­ran das Recht auf Gehorsamseinforderung der Ehefrau durch den Ehemann ausdrücklich formuliert – notfalls mittels Gewalt. In einigen islamischen Ländern ist das Züchtigungsrecht gesetzlich verankert. Kommt es zu einem Prozess vor einem Familienge­richt, wird es der Ehefrau in der Regel unmöglich sein, we­gen ‘maßvoller’ Züchtigung des Ehemannes zu klagen. Verhält sich ein Ehemann zu rücksichtslos gegen seine Ehefrau oder flieht sie aufgrund schwerer Misshandlung sogar vor ihrem Ehemann zu ihren Eltern, wird in aller Regel der Vater oder Bru­der der Ehefrau versuchen, den Ehemann – eventuell über dessen Vater – zu einem Versprechen einer Verhaltensänderung zu bewegen.

Außer dem Koran unterstreicht auch die Überlieferung in etlichen Traditionen das Recht des Man­nes zur Züchtigung seiner Frau: “Der Mann wird nicht zur Verantwortung gezogen dafür, dass er seine Frau ge­schlagen hat”. Auch Muhammad hat laut mehrerer Texte der Überlieferung ausdrücklich das Schlagen der Frau im Fall ihres Un­gehorsams gestattet.

Im Allgemeinen wird dieses Züchtigungsrecht als Recht des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau aufgefasst werden, ist in der Praxis jedoch nicht auf diesen Bereich be­schränkt. Es kann sich durchaus vom Vater auf die Tochter, ggf. auch eine Nichte erstrec­ken und wird nicht selten auch von Brüdern gegenüber ihren (teilweise älteren) Schwestern praktiziert, insbesondere, wenn es um das Thema *Ehre und Schande geht.

Zwar rühmen einige Überlieferungen die gute Behandlung der Frauen durch ihre Männer und empfehlen deren liebevolle, geduldige Behandlung. Der Mann solle sich seiner Frau widmen, sich ihrer Probleme annehmen und sie unterstützen, aber diesen wenigen Äußerungen stehen zahlreiche Überlieferungen gegenüber, die Frauen in einem negativen Zusammenhang erwäh­nen: “Ein schlechtes Omen findet sich in einer Frau, in einem Haus und in einem Pferd”) und der Frau Verführung, Untreue, Betrug und List zuschreiben. al-Ghazali, ein berühmter islami­scher Theologe des Mittelalters formuliert: “Wäre es erlaubt vor irgend jemand außer Gott niederzufallen, dann sollten die Frauen vor ihren Ehemännern niederfallen”. Und einige Überlieferungen verbinden die Frage der Zufriedenheit des Mannes mit seiner Frau mit ihrem Eintritt ins Paradies: “Wenn eine Frau stirbt, während ihr Mann zufrieden mit ihr war, wird sie ins Paradies eingehen”. Auch die Gebete der Frau werden nicht erhört, wenn ihr Mann nicht mit ihr zufrieden ist. Eine ebenfalls häufig zitierte Überlieferung lautet: “Ich blickte ins Feuer (der Hölle) und sah, dass die meisten seiner Insassen Frauen waren.”

Auch in einer Ehe, in der der Ehemann seine Frau nicht schlägt, hat er auf jeden Fall das Recht, von ihr Gehorsam zu erwarten. Sie ist ihm gehorsamspflichtig, so lange das Verlangte nicht unmittelbar gegen die Gebote des Islam verstößt. So heißt es in Sure 4,34: “Die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben”, oder, wie auch übersetzt wird: “Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen”.

Eine weitere Höherordnung des Mannes kann in der einseitigen Erlaubnis zur Polygamie für den Mann erkannt werden, d. h. in der Möglichkeit, mit bis zu vier Frauen und einer nicht näher benannten Zahl von Nebenfrauen gleichzeitig die Ehe einzugehen: “Und wenn ihr fürchtet, gegenüber den Waisen nicht gerecht zu sein, dann heiratet, was euch an Frauen beliebt, zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber fürchtet, (sie) nicht gleich zu behandeln, dann nur eine oder was eure rechte Hand (an Sklavinnen) besitzt. Das bewirkt es eher, dass ihr euch vor Ungerechtigkeit bewahrt” (4,3). Darüber hinaus räumt der Koran dem Mann einseitig das Recht zur Verstoßung seiner Ehefrau ein, die auf traditionelle Weise ohne Angabe von Gründen, ja ohne eine unbedingte Inkenntnissetzung der Ehefrau durch das dreimalige Aussprechen der Scheidungsformel “Ich verstoße dich” ge­schieht. Auch die Ehefrau kann sich scheiden lassen, jedoch muss sie immer einen Gerichtspro­zess anstrengen (*Ehe und Familie).

Der rechtliche Bereich

Im rechtlichen Bereich muss die Frau im Vergleich zum Mann etliche Einschränkungen hinnehmen, vor allem im Zeugen- und Erbrecht. Im Zeugenrecht insofern, als vor Gericht die Aussage ei­nes Mannes nur aufgewogen werden kann durch eine gleichlautende Aussage zweier Frauen (2,282). Als Grund für diese Regelung führt der Koran an, dass die “eine sich erinnern kann, wenn die andere sich irrt” (2,282). Muslimische Theolo­gen führen aus, dass Frauen aufgrund ihrer stärkeren emotionalen Schwankungen, Beeinflussbarkeit und ihrer größeren Vergesslichkeit größere Schwierigkeiten hätten, sachlich zutreffende Aussa­gen vor Gericht zu machen. Einige Juristen vertreten die Auffassung, Frauen sollten in Strafrechtsprozessen grundsätzlich überhaupt nicht aussagen, sondern nur bei Zivilprozessen zugelassen werden.

Aus christlicher Sicht: Wenn der Koran von der Erschaffung von Mann und Frau be­richtet, so haben muslimische Apologeten häufig darauf hingewiesen, dass im Koran die “herabsetzende” Bemerkung aus 1. Mose 21-22 fehlt, dass Gott die Frau aus einer Rippe des Mannes geschaffen habe. Ungleich entscheidender erscheinen jedoch aus nichtmuslimischem Blickwinkel andere Aussagen wie z. B., dass die Männer “über den Frauen stehen”, weil Gott “die einen vor den anderen bevorzugt hat” (4,34), dem Mann das Züchtigungsrecht über die Frau verliehen ist, sowie die Möglichkeit zur Polygamie und einseitigen Verstoßung der Ehefrau eingeräumt wird und nicht zuletzt seine Entscheidungs- und Handlungsvollmachten im öffentlichen wie privaten Bereich erheblich größer sind wie auch seine Möglichkeiten zur rituellen Gottesverehrung. Dem gegenüber steht die deutliche rechtliche Benachteiligung der Frau im Zeugen- und Erbrecht, ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Ehemann und ihr gesellschaftlich stark eingeschränkter Handlungs- und Bewegungsspielraum.

Zwar empfehlen einige Überlieferungen und auch muslimische Theologen durchaus die liebevolle Behandlung der Ehefrau, aber diese ist kein Teil seines Eheversprechens wie analog im christlichen Bereich. Die Ehefrau bleibt durch ihre eingeschränkten Rechte, ihre Gehorsamspflicht und seine übergeordnete Stellung ihrem “Herrn” ausgeliefert und von seinem Wohlwollen letztlich abhängig. An keiner Stelle gibt der Koran einen Hinweis darauf, dass Ehe und Familie ein geistlicher, gegenseitiger Dienst vor Gott wären, dass Mann und Frau von Gott die gemeinsame Aufgabe der verantwortungsvollen Herrschaft über die Erde erhalten haben (1. Mose 1,28).

Aus dem Stichwort „Mann“:

Der familiäre Bereich

Im familiären Bereich ist der Ehemann und Vater das unbestrittene Oberhaupt der Familie. Ihm sind alle Familienmitglieder, einschließlich seiner Ehefrau, Respekt und Gehorsam schuldig, ja selbst seine Mutter wird sich, wenn der erwachsene Sohn in ihrem Haushalt lebt, im Konfliktfall seinen Wünschen fügen müssen, wenn sie nicht auf Umwegen ihren Willen durchsetzen kann.

Die prinzipielle Gehorsamspflicht der Ehefrau endet, wie muslimische Theologen ausführen, erst dort, wo ihr Ehemann etwas von ihr verlangt, was gegen die Bestimmungen des Islam verstößt. Unter Theologen wohl unbestritten ist das Recht des Ehemannes, zu bestimmen, wie oft und mit welchem Ziel seine Frau das Haus verlassen darf (bis dahin, dass er ihr das völlig verbieten kann) und anzuordnen, welche Besucher sie empfangen darf. Diese speziellen Fragen des Rechts auf Verbot unerwünschten Besuchs werden in der Überlieferung erörtert. Das heißt, der Ehemann hat prinzipiell das Recht, seiner Frau jeglichen Außenkontakt außerhalb der Familie – selbst für Besucher in seinem Haus – zu untersagen und ihren Bewegungsspielraum absolut auf das Haus zu beschränken.

Hat der Mann sich noch nicht zu einer Sache geäußert oder bleiben ihm Ereignisse verborgen, mag die Familie Dinge tun, die er nicht billigen würde. Ja, manchmal ahnt er diese, so lange er jedoch nicht offen damit konfrontiert wird, muss er nicht dagegen vorgehen. Sind ihm jedoch Vorgänge – dass z. B. seine Tochter durch Unterhaltungen mit nichtverwandten Männern außerhalb des Hauses ihren Ruf gefährdet – zugetragen worden, muss er unbedingt handeln, wenn er sein Gesicht nicht verlieren möchte. Hat er dann Anordnungen zu einer Sache geäußert, müssen diese befolgt und ihm Gehorsam geleistet werden. Offener Widerspruch oder Rebellion, Frechheiten und Respektlosigkeiten gegen den Vater seitens der Kinder werden nicht nur innerhalb der Familie geächtet und u. U. streng bestraft, sondern auch von der Gesellschaft deutlich missbilligt.

Zur Anerkennung der väterlichen Position gehören auch eine Reihe von respektzollenden Verhaltensweisen wie z. B., den Vater zu bedienen, wenn er abends zum Essen nach Hause kommt, seine Gespräche nicht zu stören oder auch nicht in seiner Gegenwart zu rauchen. Diese Respektshaltung behalten Kinder bei, auch wenn sie bereits erwachsen sind.

Die Gehorsamspflicht der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann bedeutet ganz allgemein, dass sie es ist, die dafür verantwortlich ist, ihren Ehemann zufriedenzustellen und sich seinen Anordnungen zu fügen. Das schließt auch den sexuellen Bereich mit ein. Der Koran schreibt dieses Recht des Ehemanns fest: “Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu diesem Saatfeld, wo immer ihr wollt” (2,223). Die Weigerung der Ehefrau in diesem Bereich, die in der Überlieferung mit dem Fluch der Engel bedroht ist, ist ein Scheidungsgrund (*Sexualität).

Sein Recht auf Gehorsam kann der Ehemann einklagen: Zum einen ist die Gehorsamsleistung innerhalb der Ehe und Familie sein unbestrittenes Recht, aber auch die Gesellschaft wird sie nicht in Zweifel ziehen, solange der Ehemann sich seinerseits keiner groben Vergehen schuldig macht und z. B. seine Familie materiell nicht mehr versorgt. Selbst vor Gericht kann er seine Frau wegen Ungehorsam verklagen. Vom islamischen Eherecht ist ein Ehemann nicht mehr an seine Unterhaltspflicht gebunden, wenn seine Frau dauerhaft ungehorsam ist. Wenn er ihr Unterhalt leistet, muss sie ihm gehorchen, sofern sie ihm seinerseits keine grobe Vernachlässigung nachweisen kann.

Weigert sich die Frau, ihrem Ehemann Gehorsam zu leisten, kann er sein im Koran verbrieftes Züchtigungsrecht in Anspruch nehmen: “Und wenn ihr befürchtet, dass [die] Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie!” (4,34). Zwar betonen manche Theologen, dass diese Züchtigung – sofern Ermahnung und sexuelle Vernachlässigung keine Wirkung gezeigt haben – stets ‘maßvoll’ oder auch nur ganz leicht zu sein habe, aber in der Überlieferung finden sich etliche Berichte, die ein wirkliches “Schlagen” vermuten lassen. So ist z. B. davon die Rede, dass der Ehemann eine “Peitsche” oder einen “Stock” stets sichtbar in der Nähe der Tür aufhängen solle, damit die Frau allezeit vor Augen habe, was sie im Falle ihrer Auflehnung erwarte. Auch wenn der Ehemann selbst keine Absicht hat, seine Frau zu züchtigen – selbstverständlich wird nicht in allen muslimischen Ehen geschlagen – wird seine erweiterte Familie bzw. die Gesellschaft in bestimmten Situationen (wenn z. B. seine Frau ihren guten Ruf in Gefahr bringt) von ihm erwarten, sich nachdrücklich als ihr Herr und Oberhaupt der Familie auch nach außen zu beweisen. Tut er das nicht, muss er seinerseits einen erheblichen Respektsverlust in seinem Umfeld hinnehmen, der es ihm u. U. unmöglich machen kann, dort weiter in Frieden zu existieren.

Der rechtliche Bereich

Im Ehe- und Erbrecht ist der Mann der Frau übergeordnet. Im Eherecht insofern, als dass nur ihm in Sure 4,3 die Erlaubnis zur gleichzeitigen Ehe mit vier Frauen gestattet wird (auch wenn nur ein Teil aller islamischen Ehen polygame Ehen sind). Die Scheidung ist für ihn zumindest mit dem traditionellen Verfahren – der Verstoßung – wesentlich einfacher als für die Ehefrau, die immer ein formelles Gerichtsverfahren anstrengen muss und dies nur in wenigen, klar umgrenzten Fällen überhaupt kann. Die Kinder aus einer geschiedenen Ehe gehören immer dem Vater bzw. seiner Familie. Im Erbrecht ist die Frau gegenüber dem Mann insofern benachteiligt, als dass ein männlicher Erbe immer das doppelte des Erbteils einer weiblichen Erbin erhält.

Aus christlicher Sicht: Es ist unbestritten, dass der Ehemann im Islam außerhalb und innerhalb der Familie, in der Gesellschaft und der Religionsausübung über umfangreichere Rechte verfügt als die Ehefrau. Dem größeren Respekt, der Entscheidungsvollmacht und der Gehorsamsforderung gegen Frau und Kinder steht zwar auf der anderen Seite die Verpflichtung des Mannes zum Familienunterhalt und zur Fürsorge der ihm Untergebenen gegenüber, aber keine Selbstverpflichtung zur liebevollen Selbstaufopferung, zum Dienst am und zum Höherachten des Geringergestellten, wie es das Neue Testament für jede Autoritätsstellung fordert und in Jesus Christus, z. B. in der Fußwaschung, als absolutes Vorbild hinstellt (vgl. Epheser 5,21; Philipper 2,3-5). Eine erhöhte Position und umfangreichere Rechte ohne Verpflichtung zur Demut und Dienstbereitschaft neigen dazu, aufgrund der Natur des Menschen zu Tyrannei und Unterdrückung Untergebener auszuarten. So kann die Ehe ein Feld werden, auf dem der eine den anderen unterdrückt und willkürlich, manchmal gewalttätig behandelt, während der andere dies mit Gegenmaßnahmen abzuwehren sucht. Selbstverständlich betrifft dies nicht nur muslimische Ehen – christliche Ehen jedoch, die sich am biblischen Vorbild orientieren, sollten ihre Pflicht zum gegenseitigen Dienst und der Hingabe an den anderen leben (Epheser 4,32).

Stichwort „Sexualität“:

Sexualität hat im Islam, wenn sie innerhalb ihres legalen Rahmens praktiziert wird, grundsätzlich keine negative Konnotation. Im Islam wird die Ausübung von Sexualität als ein natürliches Bedürfnis des Menschen bejaht, dessen Erfüllung allerdings nur innerhalb der Ehe legitim ist. Eine Ehe einzugehen ist das Recht eines jeden, wer aber nicht heiraten kann, “soll Enthaltsamkeit üben” (24,33). Prostitution (24,33) und *Homosexualität (4,16) werden im Koran verurteilt.

Grundsätzlich gibt es kein Mönchtum im Islam. Der Koran verurteilt das Mönchtum als eine ‘menschliche Erfindung’, die erdacht wurde, um Gott zu gefallen, aber von seinen Verfechtern nicht wirklich eingehalten werden kann (57,27). Der Islam kennt also kein Plädoyer für einen freiwilligen Verzicht auf Ehe und Familie mit dem Ziel des vollzeitlichen Dienstes für Gott. Es gibt kein Zölibat für geistliche Würdenträger. Die *Ehe ist in der islamischen Welt die Norm, die *Ehelosigkeit die absolute, in der Regel unter dem Zwang der Umstände zustande gekommene Ausnahme oder aber ein Zustand von vorübergehender Dauer. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch in der Ehe den legitimen Rahmen zur Ausübung von Sexualität finden soll.

In gewissem Sinn ist die eheliche Sexualität im islamischen Kontext selbstverständlich. Selbstverständlich in dem Sinn, dass das Thema Frauen und Männer unter sich meist offen und häufig thematisieren, selbstverständlich aber auch in dem Sinn, dass man davon ausgeht, dass Sexualität immer dort praktiziert wird, wo die Gelegenheit dazu besteht. D. h. dort, wo sich ein Mann und eine Frau alleine gemeinsam aufhalten, geht man davon aus, dass dies mit dem Ziel und Wunsch der sexuellen Intimität arrangiert wurde und der sexuelle Kontakt dann in jedem Fall auch stattfindet. Einen “neutralen” Bereich – den Bereich von Kameradschaft etwa oder gemeinsamer Arbeit – zwischen einem Mann und einer nicht mit ihm verwandten Frau gibt es aus islamischer Sicht nicht.

Die Überliefe­rung formuliert dementsprechend: “Ein Mann befindet sich nie allein mit einer Frau, ohne dass nicht der Teufel sich als Dritter zu ihnen gesellt”. Man geht davon aus, dass es innerhalb weniger Minuten zu sexuellen Handlungen auch von miteinander völlig unbekannten Personen kommen kann oder wird, sobald die äußeren Umstände dies ermöglichen. Die Initiative, so glaubt man, geht dabei von der Frau aus, denn – wie manche Theologen formulieren – gilt  sie als Verführerin des Mannes, der er in gewissem Maß hilflos ausgeliefert ist. Frauen sind gewissermaßen die Verkörperung der Sexualität, sie hegen eine große, ungezügelte sexuelle Begierde, die die Frau nach Gelegenheiten Ausschau halten lässt. In der Überlieferung, aber auch in Schriften muslimischer Theologen zur Ehe wird die Frau häufig als listig, untreu, rebellisch und verführerisch dargestellt. Diese Begierde der Frau muss gezügelt werden, indem sie durch die Familie und Gesellschaft kontrolliert wird, das Haus nur in dringenden Fällen und dann nie allein, immer verschleiert oder bedeckt verlässt und jeden Kontakt zu Männern außerhalb der Familie vermeidet. Besonders offen getragene Haare gelten als Mittel der Verführung, wie auch Parfüm, das außer Haus benutzt wird. Deshalb, so die Meinung vieler Theologen, sollen Frauen außer Haus kein Parfüm auflegen, da sie damit die Bereitschaft zu Ehebruch und Unzucht signalisieren, also als ehrlose Frauen und Prostituierte wahrgenommen werden.

Sexualität vor und außerhalb der Ehe wird im Koran streng missbilligt (24,2ff; 70,31). Sie unterliegt in der Theorie für Mann und Frau gleichermaßen sehr harten Sanktionen, in der Praxis jedoch für die Frau in viel größerem Maß als für den Mann: Der Koran fordert für unverheiratete Männer und Frauen, die Unzucht begehen, 100 Peitschenhiebe (24,2-3), Verheiratete sollen nach dem islamischen Gesetz (der Sharia) mit der Todesstrafe belegt werden. Bedingung sind allerdings vier männliche Zeugen (24,4) oder ein Geständnis.

Für die Frau ist vor der Eheschließung die Wahrung ihres guten Rufes und ihrer Jungfräulichkeit oberstes Gebot. Eine Einbuße ihrer Jungfräulichkeit kann für sie tödliche Konsequenzen haben. Daher unterliegt sie in ihren Außenkontakten in starkem Maß der familiären und gesellschaftlichen Kontrolle, um ihr keine Gelegenheit zu moralischem Fehlverhalten zu geben. Ist die Frau verheiratet, muss sie weiterhin auf die Wahrung ihres Rufes und darauf bedacht sein, nicht in den leisesten Verdacht des Ehebruchs zu geraten. Für den Mann gilt dies in viel eingeschränkterem Maße vor und auch in der Ehe. Kurzzeitige Affären gelten nicht als Scheidungsgrund oder Ehehindernis.

Auch für die Sexualität innerhalb der Ehe gilt für den Mann – wie auch auf den übrigen Gebieten – die Maßgabe, weisungsberechtigtes Oberhaupt zu sein und für die Frau, ihm Gehorsam leisten zu müssen. Dem Mann wird in der Ehe grundsätzlich das Recht auf Praktizierung der Sexualität nach seinem Willen zugestanden und ein befristeter Verzicht nur zu bestimmten Zeiten erwartet (*Unreinheit der Ehefrau, tagsüber im Ramadan, während der zentralen Riten der Pilgerfahrt).

Ein Recht auf Erfüllung ihrer sexuellen Bedürfnisse haben Mann und Frau, der Ehemann jedoch in jedem Einzelfall, die Frau nur im allgemeinen Sinne, indem sie eine auf Dauer angelegte länger währende sexuelle Vernachlässigung anmahnen kann. Dem Mann wird das Recht auf Sexualität zugestanden, wann immer er sie wünscht: “Eure Frauen sind für euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt” (2,223).

Die Frau hat dagegen die unbedingte Pflicht zur Sexualität nach dem Wunsch des Mannes, ihre Verweigerung ist ein Scheidungsgrund. Eine oft zitierte Überlieferung lautet: “Wenn der Mann seine Frau zu seinem Bett ruft, sie aber nicht kommt, so dass er zornig die Nacht verbringt, dann werden die Engel sie verfluchen, bis es Morgen wird.”

Aus religiösen Gründen untersagt ist die Praktizierung der Sexualität während der Menstruation der Frau (2,222), in den ersten 40 Tagen nach einer Geburt, tagsüber während des Fastenmonats Ramadan (2,187), im Zustand der Reinheit und Weihe vor einer religiösen Handlung (z. B. vor dem rituellen Gebet) oder während der Durchführung der Wallfahrtsriten in Mekka (2,197). Hinzu kommt noch die Stillzeit, wenn der Ehemann befürchtet, dem bereits geborenen Kind durch eine erneute Schwangerschaft Schaden zuzufügen.

Aus christlicher Sicht: Im Gegensatz zu dem im Islam einseitig formulierten Recht auf Sexualität betont die Bibel die gegensei­tige ‘Verpflichtung’, gleichzeitig aber auch die Rücksicht­nahme des ‘stärkeren Gefäßes’ (des Mannes) gegenüber dem ‘schwächeren Gefäß’, dem er die ‘Ehre geben soll’ (vgl. 1. Ko­rinther 7,3-5 und 1. Petrus 3,7). Ein ‘Recht’ auf Sexualität existiert nur, solange der andere “höher geachtet wird” als die eigene Person und die “Ehre” der Frau nicht verletzt wird. Die Pflicht, den Ehepartner zu lieben und zu ehren steht im Vordergrund des biblischen Ehebündnisses, deren Ausdruck auch die Sexualität sein kann. Sexualität hat in der Bibel jedoch nichts mit Gehorsamsleistung noch mit der Einforderung von Gehorsam zu tun. Die Forderungen nach Enthaltsamkeit vor der Ehe und Treue in der Ehe gelten nach biblischen Maßstäben gleichermaßen für Mann und Frau.