Frauenordination – ein Überblick

Frauenordination – ein Überblick

Die Frage der Ordination von Frauen zum leitenden Dienst in Kirche und Gemeinde ist ein komplexes Thema. Befürworter argumentieren heute meist ähnlich wie z.B. Elke Werner beim dritten Kongress für Weltevangelisation in Kapstadt 2010. Sie kritisiert hier die evangelikale Bewegung: „Wir haben Frauen aus Leitungspositionen ausgeschlossen – einzig weil sie Frauen sind“ (We have kept women out of position of leadership just because they are women). Der Heilige Geist, so gibt die Leiterin der Frauenarbeit von „Lausanne“ zu verstehen, verteilt alle Gaben auch an Frauen, und daher sollten wir in den Kirchen diese Gaben in vollem Umfang nutzen. Wenn also, konkret gesprochen, Gott auch den Frauen die Gabe des pastoralen Lehr- und Leitdienstes gegeben hat, warum sagen viele dann, dass diese Gabe nicht benutzt werden soll?

Dies ist ein einfaches Argument, das den heutigen gesunden Menschenverstand auf seiner Seite hat. Schon vor vielen Jahrzehnten schrieb C.S. Lewis im Essay „Pastorinnen in der Kirche“ (im Buch Gott auf der Anklagebank): „Auf den ersten Blick liegt alle Vernunft auf Seiten der Reformgesinnten“. Schließlich haben wir auch „in einem Beruf nach dem anderen erfahren, dass Frauen eine Menge Dinge sehr gut tun können, die man früher nur den Männern zutraute.“ Daher fragt Lewis: „Was also, außer unseren traditionsbedingten Vorurteilen, hindert uns daran, die unermesslichen Reserven anzuzapfen, die dem Hirtendienst zufließen könnten, wenn die Frauen auch hier auf gleiche Ebene mit dem Männern gestellt werden?“

Lewis sieht also durchaus das Argument der Effizienz, ist aber überzeugt, dass die Geschlechter „symbolhaft die verborgenen Dinge Gottes vor Augen führen“ sollen. „Vorläufig, bis zur Wiederkunft des Herrn, können nur Träger der männlichen Uniform Repräsentanten Gottes gegenüber der Kirche sein.“ Nun muss man dieser Sichtweise nicht zustimmen, doch es sollte nicht so getan werden, als ob die Dinge so klar auf der Hand liegen wie dies z.B. Werner tut. Wenn denn alles so einfach sein soll, warum hat dann die Kirche bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts das Frauenpfarramt unisono abgelehnt? Rein aus Frauenverachtung? Und warum ist auch heute noch das Bild quer durch die großen (protestantischen) Traditionen  sehr komplex?

Vor einigen Jahren verfasste Holger einen Beitrag für die „Visuotinė lietuvių enciklopedija“ (Die Allgmeine litauische Enzyklopädie, der litauische „Brockhaus“) – ein Überblick, wie die sich Praxis in den verschiedenen Kirchen entwickelt hat und heute ist (in der gedruckten Ausgabe kürzer als hier). Diese Fakten müssen von beiden Seiten – Befürwortern wie Gegnern der Frauenordination – zur Kenntnis genommen werden.

In Litauen ordinieren nur die methodistische und die Wort-des-Glaubens-Kirche Frauen, rechtlich ist sie auch in der reformierten Kirche möglich. Bilder von Frauenordinationen sind daher Mangelware. Im Bild o. die Einsegnung eines lutherischen Pfarrers (die lutherische Kirche ordiniert z.Z. keine Frauen, hat aber auch anders als die lettische lutherische Kirche keinen off. Beschluss gefasst, in dem die Frauenordination abgelehnt wird).

 

Frauenpfarramt, die Ordination von Frauen zum Amt der Pastorin oder Priesterin. Da sich das Amtsverständnis in den Kirchen teilweise erheblich unterscheidet und verschiedene Amtsbezeichnungen gebraucht werden, ist allgemeiner von einer Berufung zum gleichberechtigten Dienst in Wortverkündigung/Lehre, Sakrament und Leitung in den jeweiligen Kirchen zu sprechen.

Das Christentum verbesserte allgemein die Situation der Frau in Religion und Gesellschaft (im Vergleich zur griechischen und römischen Kultur), stellte sie in geistlicher Hinsicht den Männern gleich und gab ihnen zahlreiche Dienstbereiche. Allgemeiner kirchlicher Konsens war jedoch bis ins 19. Jhdt., dass die höheren geistlichen Weihen (Priester, Presbyter/Älteste, Pastor, Bischof) mit Hinweis u.a. auf die Aussagen des Paulus (1 Kor, 1 Tim) ausschließlich Männern vorbehalten sind (die frühe Kirche kannte weibliche Diakone als ersten Weihegrad; die evangelischen Kirchen anerkennen praktisch alle Diakoninnen, in der katholischen und orthodoxen Kirchen gibt es sie nicht).

Die (mit Rom unierten) katholischen Kirchen (östlichen und westlichen Ritus) lehnen bis heute einen Priesterdienst durch Frauen ab. Gleiches für die orthodoxen Kirchen. In einer großen Mehrheit der weltweiten Christenheit gibt es damit keine Frauen in pastoralen/priesterlichen Ämtern. Allerdings weihen manche der seit dem Vatikanum I von Rom getrennten Altkatholischen (christkatholischen) Kirchen, verbunden in der „Utrechter Union“, zur Diakonin (seit 1987 in der Schweiz, 1988 in Deutschland) und zur Priesterin (erstmals 1996 in Deutschland, 1999 in den Niederlanden, 2000 in der Schweiz).

In den Kirchen, die aus der Reformation hervorgingen, ist das Bild uneinheitlich. In den Anglikanischen Kirchen werden in den USA seit 1976 Frauen zu Priesterinnen geweiht (ECUSA), 1989 erstmals eine Bischöfin (2006 erstmals auch leitende Bischöfin in den USA). In England selbst sind seit 1992 Priesterinnen zugelassen (1994 erste Ordinationen), seit 2008 auch Bischöfinnen. Die Scottish Episcopal Church weiht seit 1994 Priesterinnen. In zahlreichen vor allem afrikanischen und asiatischen Ländern werden jedoch keine Frauen zum Priesterdienst zugelassen. Die Frage der Frauenordination (vor allem zum Bischofsamt) hat so zu einer tiefen Spaltung der anglikanischen Kirchengemeinschaft geführt.

Die meisten lutherischen Kirchen weihen Frauen zu Pastorinnen, so ab 1926 in den Niederlanden, 1948 in Dänemark und 1958 in Deutschland; in den 60er Jahren führten  die meisten deutschen lutherischen Kirchen die Frauenordination ein, erste Ordinationen gab es 1960 in Schweden. In den USA weiht die ELCA seit 1970 zu Pfarrerinnen; 2013 wurde erstmals eine Bischöfin zur Leiterin gewählt. Lutherische  Bischöfinnen gibt es seit 1992 in Deutschland und den USA, 1993 in Norwegen, 1995 in Dänemark, 1997 in Schweden und Kanada. Die größte afrikanische lutherische Kirche, die Mekane Yesus-Kirche in Äthiopien, ordinierte die erste Frau 2000. Etwa ein Viertel der Kirchen im Lutherischen Weltbund ordiniert jedoch keine Frauen, darunter die Kirchen in Lettland und Litauen; auch die deutsche SELK oder die Lutheran Church-Missouri Synod (USA) weihen nicht zur Pfarrerin.

Auch die Mehrheit der reformierten/presbyterianischen Kirchen weiht Frauen zum pastoralen Dienst. 1956–69 wurde in den Schweizer Kirchen das Frauenpfarramt eingeführt (vereinzelte Ordinationen ab 1918). In den Niederlanden weihen die Remonstranten schon seit 1915/21 Frauen (andere niederl. Kirchen 1958/68). Die United Church of Canada anerkennt weibliche Pastorinnen seit 1936 (die Presbyterian Church of Canada seit 1966), die Reformierten Frankreichs seit 1966 (in Elsass-Lothringen 1930), die Church of Scotland seit 1968. In den USA gab es eine erste Ordination 1889 in der Cumberland Presbyterian Church. In den Vorgängerkirchen der heutigen Presbyterian Church (USA) wurden seit 1956 Frauen ordiniert. Die Reformed Church in America befürwortet seit 1958 den pastoralen Dienst von Frauen (erste Ordination 1979). Die Christian Reformed Church ist seit 1995 offen für Pastorinnen. Andere nordamerikanische Kirchen lehnen das Frauenpfarramt jedoch ab wie die Presbyterian Church in America oder die Orthodox Presbyterian Church. Auch zahlreiche ref. Kirchen in Afrika, Asien und Südamerika kennen keine weiblichen Pastorinnen. So ordiniert die Presbyterian Church of Korea (Tonghap) seit 1994 Frauen, die Presbyterian Church in the Repulic of Korea (Hap Dong Chung Tong) jedoch nicht. Die litauische Kirche (Unitas Lithuaniae) hat bisher bisher zwei Frauen ordiniert, diese Praxis nun aber faktisch ausgesetzt.

Die kongregationalistischen Kirchen ordinieren Frauen, in den USA erstmals 1853: Antoinette Brown (die Kirche ging dort auf United Church of Christ), in England/Wales seit 1917.

Die methodistischen Kirchen haben schon früh die Gleichstellung der Frau betont und z.B. schon bei der Gründung des Oberlin College (USA) 1833 Frauen aufgenommen. Erste Ordinationen wurden in den USA in der Methodist Protestant Church 1880, in der Methodist Episcopal Church und United Brethren Church 1889 vorgenommen. In der Methodist Church erhielten Frauen 1956 in vollem Umfang gleiche Rechte wie Männer. Die weltweite United Methodist Church (so auch in Litauen) weiht Frauen (erste Bischöfin 1980). Die Methodist Church in England ordiniert Frauen seit 1974. Die Church of the Nazarene kennt seit Ende des 19. Jhdt. Ordinationen. In der in methodistischer Tradition stehenden Heilsarmee sind Frauen von Anfang an völlig gleichgestellt.

In den Kirchen anabaptistischer Tradition ist das Bild nicht einheitlich. Traditionell für eine weitgehende Gleichberechtigung der Frauen sind die Quäker (Gesellschaft der Freunde),  die aber meist keinerlei Ordinierung kennen (Verkündigung durch Frauen ab etwa Beginn des 19. Jhdt.). Die ebenfalls pazifistische Church of the Brethren führt seit 1894 Ordinationen durch (ab 1922/58 gleiche Rechte). Zahlreiche mennonitische Kirchen kennen heute ein Frauenpfarrdienst wie die in der KMS zusammengeschlossenen schweizer und in der AMG vereinten deutschen Mennonitengemeinden; niederländische Mennoniten ordinieren Frauen schon seit 1911. Andere wie die Mennoniten-Brüder, Hutterer oder Amish lehnen dies streng ab. In den Baptistenkirchen spielt der Dienst von Frauen traditionell eine große Rolle. Erste Ordinationen gab es in den USA Ende 19. Jhdt.; die Northern Baptist Convention weiht Frauen seit 1918; in der Southern Baptist Convention gibt es Ordinationen seit 1964, die Gesamtkirche befürwortet sie jedoch nicht. Im brasilianischen Baptistenbund gibt es erst in einigen Regionen Pastorinnen. In Schweden werden Frauen seit 1956 ordiniert, in Deutschland seit 1992 (beide Bünde werden nun durch Frauen geleitet). Eine Entscheidung ist in vielen Baptistenbünden der Einzelgemeinde überlassen. Die meisten osteuropäischen, zentralasiatischen wie auch die litauischen baptistischen Gemeinden lehnen eine Frauenordination ab.

Gemeinden der Brüder-Bewegung, sei es nun Exclusive („Plymouth“) Brethren/ Darbysten oder Open Brethren, lehnen Frauen im Verkündigungsdienst ab (ein Pfarramt kennen sie meist eh nicht).

Die Prophetin Ellen G. White (1837–1915) spielt zwar in der Geschichte der Siebenten-Tags-Adventisten eine herausragende Rolle, dennoch kennt die Kirche kein Frauenpfarramt.

In der Pfingstbewegung spielten Frauen von Anbeginn eine wichtige Rolle. Die Church of God (Cleveland) ordiniert weibliche Pastoren seit 1909. Die weltweit größte Pfingstkirche, die Assemblies of God, kennen ein Frauenpfarramt seit der Gründung 1914. Die in den USA zweitgrößte Pfingstkirche, die Church of God in Christ (der Schwarzen), lehnt ein Frauenpfarramt aber ab. Die Evangelistin Aimee Semple McPherson gründete 1927 die International Church of the Foursquare Gospel. Der deutsche Pfingstbund führte die Frauenordination 2004 ein. Der litauische und andere osteuropäische Pfingstbünde lehnen sie ab. Die meisten Gemeinden charismatischer Prägung kennen ein Frauenpfarramt wie in Litauen die Kirche „Tikėjimo žodis“ (Wort des Glaubens). Die internationale Vineyard-Bewegung steht Frauen in Leitungsämter positiv gegenüber, überlässt Entscheidungen aber der Einzelgemeinde. Auch bei den großen afrikanischen Kirchen ist das Bild uneinheitlich: die Zion Christian Church aus Südafrika kennt auch Frauen in leitenden Funktionen, die nigerianische Christ Apostolic Church (Aladura Pentecostal) nicht. Die größte Einzelgmeinden der Welt, die Yoido Full Gospel Church in Seoul, Korea, hat sowohl Pastoren als auch Pastorinnen.