Unsere Weihnachtslegende

Unsere Weihnachtslegende

Wurde Jesus im Stall geboren?

 „Wo wurde Jesus geboren?“ Auf diese Frage antwortet Volker Ufertinger in Warum feiern wir Weihnachten?: „Heute gilt es als endgültig entschieden, dass Jesus nicht in Betlehem, sondern in Nazareth auf die Welt kam.“ Den Berichten in Lukas und Matthäus über die Geburt Jesu widerspricht der Germanist und Journalist also (und gibt damit nur die Sicht der kritischen Theologie wider). Die beiden Autoren der Evangelien hätten überhaupt nicht die Absicht gehabt, historisch genaue Angaben zu machen: „Man muss anerkennen, dass die Weihnachtsgeschichten… wenig mit echter Geschichte zu tun haben… Sie [Lukas und Matthäus] wollten etwas ganz anderes, als eine trockene Geschichte von Jesus widergeben. Sie wollten sie erhellen und die Menschen ermutigen, ihm zu vertrauen.“

Wollten sie zum Glauben führen? Sicherlich. Aber haben sie die Geschichte aufgepeppt, erweitert, verschönert? Nein. Wie schon der Prolog von Lukas (1,1–4) deutlich macht, ging es besonders diesem um eine genaue, nachprüfbare Erzählung. Er berichtete nüchtern und präzise. Von bewusster Legendenbildung kann überhaupt keine Rede sein. C.S. Lewis: „Als Literaturhistoriker bin ich restlos davon überzeugt, dass die Evangelien keine Legenden sind… Ich habe sehr viele Legenden gelesen, und es ist für mich eindeutig, dass die Jesusgeschichten nicht in diese Gattung passen. Sie sind nicht kunstvoll genug, um Legenden zu sein“ (Gott auf der Anklagebank).

Der Vorwurf der Legendenbildung trifft nicht Lukas, aber uns. Die christliche Kultur hat die Weihnachtsgeschichte teilweise so weit ausgeschmückt und verändert, dass die lukanische Geschichte nicht nur ergänzt, sondern auch in manchen ihren Hauptaussagen entstellt wurde. Das traditionelle Bild, das sich viele von Jesu Geburt gemacht haben, ist einfach umrissen: Maria und Joseph kommen wegen der Volkszählung nach Betlehem, wo bei Maria plötzlich, noch in der ersten Nacht, die Geburtswehen einsetzen. In dem Ort treffen sie auf keine Gastfreundschaft und erhalten keine ‚normale‘ Unterkunft in einer „Herberge“, denn der Gastwirt weist sie ab; daher muss Jesus in einem Stall unter erniedrigenden Umständen zur Welt kommen.

Kenneth BaileyIst es wirklich so geschehen? Schon vor etwa 30 Jahren widersprach Kenneth Bailey dieser Version. Der Theologe, Kenner des Arabischen und der Kultur des Mittleren Osten, wo er 40 Jahre lebte und unterrichtete, hält diese Sicht von Jesus Geburt für falsch. Falsch, weil wir die Geschichte einseitig aus der Perspektive unserer Kultur sehen. Die Kultur des östlichen Mittelmeerraumes, also auch der Bibel, ist uns dagegen fremd geworden. Bailey ruft dazu auf, Jesus mit den Augen der Menschen des Mittleren Osten neu zu sehen (so auch sein Buchtitel Jesus Through Middle Eastern Eyes); ein Auszug, „The Story of Jesus Birth“, hier; s. auch „The Manger and the Inn“). Was ist dann sein Ergebnis?

Die gesamte ‘traditionelle’ Sicht macht nur dann überhaupt Sinn, wenn gleich nach oder bei der Ankunft in Bethlehem bei Maria die Wehen einsetzten, es also plötzlich zur Geburt kam. Deshalb war Joseph gezwungen, schnell nach einer Unterkunft zu suchen und musste mit dem Stall vorlieb zu nehmen. Doch von einer plötzlichen Geburt sagt der Text selbst nichts. „Und als sie dort waren“ (Lk 2, 6) wurde das Kind geboren; wir müssen nicht davon ausgehen, dass es gleich in der ersten Nacht geschah; Tage, Wochen, ja Monate konnten vergangen sein. Wir können vermuten, dass Marias Schwangerschaft bei der Reise weit fortgeschritten war. Aber wer wäre damals so töricht gewesen, im neunten Monat von Galiläa etwa 120km nach Judäa zu ziehen?

Und selbst wenn die Geburt unmittelbar bevorstand, hätte sie das nicht direkt in den Stall geführt. Denn man bedenke: Joseph war aus dem königlichen Geschlecht Davids, kommt in die Stadt seiner Vorfahren, in die „Stadt Davids“ (Lk 2,4). Aus solch berühmter Familie stammend konnte er mit freundlicher Aufnahme überall in dem Ort rechnen. Er hätte nur beginnen müssen seinen Stammbaum zu zitieren, und jede Tür hätte sich geöffnet. Maria hatte außerdem Verwandtschaft in einem Ort nahe bei Bethlehem (ihre Cousine Elisabeth, s. Lk 1,39). Wenn in Bethlehem keine ordentliche Bleibe zu finden gewesen wäre, hätten sie dort in jedem Fall freundliche Aufnahme gefunden.

Es ist völlig unglaublich, dass man eine Familie mit so einem Stammbaum und noch dazu eine Hochschwangere abgewiesen hätte. Schon im AT sehen wir an zahlreichen Stellen, wie wichtig Gastfreundschaft damals war – und bis heute hat sich diese Kultur auf dem Land im Mittleren Osten erhalten. „Gab es denn wirklich kein Gefühl für Ehre in Bethlehem?“ fragt Bailey. Natürlich gab es dies, und niemand wäre es eingefallen, solch eine Schande über den Ort zu bringen. Einer Hochschwangeren wird die Tür vor der Nase zugeschmissen – aus Platzmangel? Hätte uns Lukas so etwas Unerhörtes nicht eindeutig berichtet?

Wir haben aber noch weitere Hinweise, dass die traditionelle westliche Sicht nicht haltbar ist. Wo stand die in 2,7 erwähnte Krippe? Wir denken sofort an einen Stall. Wo sonst könnte denn Vieh stehen?

Bailey weist darauf hin, dass die Krippen sich damals im Wohnhaus befanden. Denn die allermeisten Juden waren keine reichen Landwirte, die Güter mit mehreren Gebäuden, Stallungen besaßen. E. Lohse schreibt in Umwelt des Neuen Testaments, dass die Juden in der Diaspora nicht selten zu Wohlstand kamen. Doch „die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Juden im Mutterland lebten, waren durchweg recht bescheiden.“ Gerade in der Zeit des Herodes kam es durch dessen Bautätigkeit zu hoher Abgabenlast; die Landbevölkerung, abgesehen von einer dünnen Mittelschicht (wie z.B. die Fischer), war relativ arm. Die normale jüdische Familie in Bethlehem wie anderswo „lebte in einem kleinen Haus, das meist aus einem fensterlosen Raum bestand (vgl. Lk 15,8)… Verwandte und Freunde gastfreundlich aufzunehmen, galt als selbstverständliche und gern gewährte Pflicht. Nachts lag die ganze Familie auf einem gemeinsamen Lager (vgl. Lk 11,7).“

Einfache Menschen (die große Masse damals) bewohnten meist Häuser mit einem, höchsten zwei Räumen. Die wenigen Tiere wurden zur Nacht ins Haus getrieben. Der Wohnbereich war entweder etwas höher als der Tiere oder mit Balken abgetrennt. Die Krippen waren in jedem Fall in dem einen Wohnraum der Familie.

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Auch in F. Rieneckers Bibellexikon heißt es: „Das Haus besteht ursprünglich nur aus einem Raum… Der einzige Raum war in einer tiefer gelegenen Teil für das Vieh und einen höher gelegenen Teil für die Menschen abgeteilt; auf der Grenze neben den Stufen befanden sich oft die steinernen Krippen…“ Genauso in einem anderen Nachschlagewerk: „Das Haus… war in zwei Hälften unterteilt. In den niedrigeren Teil an der Tür wurde das Vieh getrieben… Die Familie lebte im oberen Teil, der weiter von der Tür weg lag.“ Tiere mit Menschen unter demselben Dach – dies war die Regel.

Leider werden uns in vielen Büchern Illustrationen der Anwesen der Reichen gezeigt – große Höfe mit vielen Zimmern um einen Innenhof o.ä. So sehen wir in einem Buch über das Leben zur Zeit Jesu „Das Haus eines Reichen in Jerusalem“ und einen „Gutshof“. Das „Haus in einem Dorf“ wird auch gezeigt, aber selbst dies ist zu prächtig geraten.

Vieh und Mensch nachts unter einem Dach, die Krippe im Haus – Bailey macht nun vor allem deutlich, dass damit auch andere Stellen im NT gut zu erklären sind. Neben Mt 5,15 (auch Ri 11,29–40 und 1 Sam 28,24 im AT) nennt er vor allem Lk 13,10–17. Dort beschwert sich der Vorsteher der Synagoge, dass Jesus am Sabbat heilt. Jesus entgegnet in V. 15: „Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder seinen Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke?“ So gut wie jeder hatte damals nachts das Vieh im Haus, und jeder führte es am Morgen heraus, da es tagsüber im Haus nicht bleiben konnte. Auch die Allerfrömmsten taten dies am Sabbat. Stände das Vieh im Stall, hätte der Vorsteher antworten können: Ich berühre es doch gar nicht!

Nun zu der wohl wichtigsten Frage: Haben Joseph und Maria tatsächlich nach einer Bleibe in einer „Herberge“ (Luther) gesucht? Lk 2,7 sagt, dass kein Platz (gr. topos) in dem kataluma war. Eine kommerzielle Herberge, ein Rasthaus, Hotel oder Motel? Tatsächlich kann kataluma vielerlei bedeuten. Die Grundbedeutung ist einfach „Ort zum Bleiben“, eine „Unterkunft“ (so auch NGÜ). Die Lexik kann aber nie allein entscheiden, wie ein Wort zu verstehen ist. Eine Bedeutung hat ein Wort immer in einem konkreten Kontext. Das Wort kann ein Gasthaus oder auch ein ganzes Haus bezeichnen. Wenn die Krippen im Haus standen, macht Haus keinen Sinn. Und selbst wenn ein reicher Bauer einen Stall besäßen hätte: niemand hätte, wie gesagt, damals zu einer Gebärenden gesagt: das Haus ist voll, geh in den Stall.

Bailey nennt nun eine ganze Reihe von Gründen, warum auch “Gasthaus” nicht passt. Es ist zweifelhaft, ob ein Kaff wie Betlehem ein solches Motel besaß, denn meistens standen sie an den Hauptstraßen. Außerdem war es überhaupt kein passender Ort für eine Geburt, weshalb Joseph dort erst gar nicht gefragt hätte. Keine der arabischen und syrischen Übersetzungen der letzten 1900 Jahre gibt das Wort mit „Herberge“ wieder. Und vor allem: Lukas schrieb ein sehr gutes Griechisch, benutzte seine Worte exakt. Das gr. Wort für ein Gasthaus ist jedoch pandocheion. In der Geschichte vom barmherzigen Samariter Lk 10,25f wird es auch richtig „Herberge“ (V. 34) übersetzt. kataluma taucht bei ihm noch in der Episode der letzten Abendmahles 22,11–12 auf, meist einfach „Raum“ übersetzt. Seinen nichtjüdischen Lesern erklärt Lukas genauer: dies ist das „grosse Oberzimmer“ („Saal“ etwas unglücklich bei Luther). Manche der einfachen Häuser hatten solche Räume, die sich hinter dem Wohnraum der Familie oder eben im zweiten Stock befanden. Wenn Lukas in 2,7 ein pandocheion gemeint hätte, warum gebrauchte er den Begriff dann nicht?

Lukas gibt uns also einfach die Information, dass dieses Zimmer belegt war (womöglich wegen anderer Besucher aufgrund der Zählung). Der damalige Leser im Mittleren Osten dachte also: Oh, er wurde in eine Krippe gelegt, also im Wohnraum der Familie. Warum nicht im kataluma? Daraufhin fügt Lukas daher gleich hinzu: dies war schon voll. Worauf der Leser meinte: Alles klar. Und umso besser: für eine Geburt ist der Raum eh angemessener. So übersetzt die „Today‘s NIV“ nun auch sehr gut, dass das „Gästezimmer“ voll war (no guest room)

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(Bild oben: ein damaliges Haus, mit Lego nachgebaut; Quelle s. hier)

Nehmen wir die Geburt im Haus an, passt alles zusammen. Man muss nicht mehr über einen späteren Umzug spekulieren, da Matthäus ja berichtet, die Weisen kamen zur Familie in ein Haus (Mt 2,11). G. Maier dreht dies in seinem Kommentar um: Er hat durchaus richtig gesehen, dass die Familie wohl schon eine Weile am Ort wohnte. Sie hätten Unterkunft in einem Gästezimmer in einem Haus gehabt, mussten dann aber aus Platzmangel für die Geburt in eine Notunterkunft ausweichen – in den berühmten Stall. Aber warum ausgerechnet sie? Dies macht überhaupt keinen Sinn, ist geradezu völlig undenkbar in der damaligen Kultur.

Diese Deutung wird auch durch das Verhalten der Hirten bestätigt (Lk 2,8–20). Sie standen damals ganz niedrig im sozialen Rang. Der Engel verkündet ausgerechnet ihnen die Geburt des ersehnten Messias. Warum uns? mussten sie denken. Sollen wir stinkende Männer nun in ein Haus der Reichen gehen? Denn wo sonst wird der König der Juden geboren werden?! Deshalb fügt der Engel gleich hinzu, dass dieser Messias genauso geboren wird wie ihre Kinder – in Windeln und im Wohnraum einer einfachen Familie. Daher gingen sie dann auch zu der Familie und lobten Gott schließlich „für alles, was sie gehört und gesehen hatten“ (V. 20). Sie lobten Gott für alles, auch für die Umstände der Geburt. Wir haben keine Grund zur Annahme, dass sie erschrocken waren über die unwürdigen Bedingungen der Geburt. Hätten sie die Familie in einem echten Stall gefunden, einen verzweifelten Joseph, eine enttäuschte Maria, sie wären nicht einfach so wieder gegangen; sie hätten die drei zu sich mitgenommen. Doch sie sahen eben vorbildliche Gastfreundschaft.

Jesus wurde also unter sicher ärmlichen, aber damals normalen Umständen geboren. Er wurde unter normalen Menschen geboren. In dieser Lesart ist man nicht gezwungen aus den Einwohnern von Bethlehem moralische Monster zu machen. Was kann man hier nicht alles lesen! Da wird ihre Geldgier kritisiert (wäre die Familie wohlhabend gewesen, hätte man ihnen einen Raum in der Herberge gegeben; sie wurden wegen ihrer Armut abgewiesen); oder die allgemeine Verdorbenheit der Sitten in Bethlehem wird beklagt. Auch Calvin spricht von „grausamster Tyrannei“, die unentschuldbar sei; sie seien bewusst abgelehnt worden, weil sie aus königlicher Familie stammten. Alles pure Spekulation. Der Text sagt nichts dergleichen. Folgt man Baileys Sichtweise, löst sich all das in Luft auf – genauso wie der legendarische Oberbösewicht, der Gastwirt.

Wohl eher unbewusst unterstellen wir den Menschen von Bethlehem unsere modernen moralischen Mängel; wir tragen unsere Kultur in den Text hinein. Kein Ehrgefühl, verdorbene Sitten, wenig Achtung vor Schwangeren, mangelnde Hilfsbereitschaft – das sind ernste Probleme in westlichen Großstädten im 21. Jahrhundert, jedoch weitaus weniger in einem judäischen Städtchen in der Zeit des Herodes.

Vor allem überfrachten wir die Geschichte mit unserer Vorstellung von Privatheit. Hier ist der Kontrast zur damaligen Kultur wohl am größten. Wir hätten in Bethlehem ein ruhiges Hotelzimmer gesucht, um ja allein zu sein (wenn man denn schon kein Krankenhaus findet). Eine Geburt in einem Wohnzimmer, mitten in einer anderen Familie?? Sicher verließen die Männer und Kinder bei der Geburt selbst den Raum. Aber Maria war zweifellos umgeben von anderen Frauen, die ihr halfen. Niemand dachte damals an den Schutz seiner Privatsphäre.

Jesus wurde inmitten einer Familie geboren. Wie jedes Kind aus normalen, einfachen Verhältnissen damals. Doch dies behagt uns nicht. Die Geburt muß zu etwas besonderem werden. Schon früh fand man Gefallen an der Vorstellung, dass die Geburt in Stille und Einsamkeit stattfand.

Hier paßt natürlich der Gedanke, Jesus sei in einer Höhle oder Grotte geboren. Die Höhle ist tatsächlich nicht auszuschließen, da damals Häuser nicht selten in den Fels geschlagen wurden; das Haus der Geburt könnte sich zum Teil im Fels befunden haben (die Geburtshöhle in Bethlehem, über der schon im dritten Jhdt. eine Kirche gebaut wurde, kann also einen historischen Grund haben). Schon bei Justin im 2. Jhdt. ist diese Höhle jedoch nur „nahe dem Dorf“ (dial. 78); im apokryphen Jakobus-Evangelium aus derselben Zeit fand die Geburt in einer Höhle „in der Gegend von Bethlehem“ (18,1) statt. In Pseudomatthäus (8/9 Jhdt.) heißt es dann: „Am dritten Tag nach der Geburt des Herrn verließ Maria die Höhle und ging in einen Stall. Sie legte den Knaben in eine Krippe; Ochs und Esel huldigten ihm.“

Seit 200 Jahren singen wir J. Mohrs „Stille Nacht“. Aber herrschte in diesem einen Raum wirklich Stille? Waren sie allein? Wohl kaum oder nur kurz. Und woher wissen wir eigentlich genau, dass die Geburt selbst in der Nacht war? Quelle dieser Vorstellung sind die apokryphen Texte wie das Jakobus-Evangelium. Dort heißt es, dass das Himmelsgewölbe still stand, die Luft erstarrte, auch Tiere und Menschen (18,2–3). Das Lateinische Kindheitsevangelium berichtet: „Keine Stimme von Menschen erklang, und es herrschte ein tiefes Schweigen. Denn das Himmelsgewölbe hörte von jener Stunde an auf, sich im Lauf zu bewegen.“ Seither lieben wir diese Stille. J. Ratzinger schreibt im Büchlein Der Segen der Weihnacht (über die Hl. Elisabeth von Thüringen): „Schweigen ist der Raum dieses Kindes. Schweigen ist der Raum der Geburt Gottes. Nur wenn wir selbst in den Raum des Schweigens treten, gelangen wir dorthin, wo Gott geboren wird.“

Doch was soll man von all dem halten, wenn die Bibel selbst nichts davon sagt? Es geht hier ja immerhin um Gottes Wort. Was sagt die Bibel wirklich? Wir bauschen die Story nur zu gerne geistlich auf, dichten Erbauliches hinzu, ziehen Parallelen, finden symbolische Bedeutung selbst im nichtvorhandenen Gastwirt usw. Wir wollen frömmer sein als es die Bibel selbst ist. Dies ist Bibelkritik von der Seite der Religion.

Die Geburt Jesu als historische Ereignis ist nur gut zu verteidigen, wenn gezeigt werden kann, dass sie eben nicht Legende ist. Dafür müssen unsere Versionen von legendarischen Elementen gereinigt werden. Die Bibel sagt uns nichts von einem alten Joseph (dies tut Pseudomatthäus), und auch nichts von der Anbetung eines nackten Kindes (das war die Vision der Mystikerin Birgitta von Schweden im 14. Jhdt.). Die wahren Wunder der Geschichte wie die Engelbesuche können wir nur bewahren (vor der skeptischen Kritik und dem inflatorischen Wundergeschwätz der Weihnachtszeit), wenn wir wie Theologe Ben Witherington klarstellen: „Lukas gibt uns nirgendwo zu verstehen, dass die Geburt selbst in irgendeiner Weise ein Wunder oder auch nur ungewöhnlich war. Das Wunder geschah bei der Empfängnis.“ (s. hier)

Die Inkarnation, die Menschwerdung Christi, ist „das große Wunder“ (Lewis), das größte überhaupt. Wir stehen vor der Herausforderung, ihm den entsprechenden Respekt zu erweisen, es wirklich ernst zu nehmen, es nicht zu überzeichnen. Die zweite Person der Trinität wurde ein normaler Mensch, wuchs normal auf, erlernte einen normalen Beruf und wurde ganz normal in einem Haus geboren. Ist das nicht eine Gute Nachricht für normale Menschen?