Mission – „not good!“

Mission – „not good!“

Seine Bücher stapeln sich in den litauischen Buchhandlungen, und nun können die Fans „Seine Heiligkeit“ auch noch live erleben: Mitte des Monats wird Tenzin Gyatso, der XIV Dalai Lama, zum dritten Mal Litauen besuchen. Schon eine Weile kann man Tickets für den Auftritt des geistlichen Oberhaupts der Tibeter in der Siemens Arena erwerben – immerhin die größte Mehrzweckhalle im Baltikum. 

Beim letzten Besuch vor 12 Jahren kam auch Holger ganz dicht an den buddhistischen Mönch heran. Ende Juni war er damals bei Freunden im Justizministerium, die meinten: „Wir fahren gleich zu einem Treffen mit dem Dalai Lama ins Villon-Hotel. Kommst du mit?“ In dem schicken Hotel, 10km außerhalb von Vilnius, fand eine Art Pressekonferenz mit Kirchenvertretern und Journalisten der christlichen Medien statt. Anschließend konnte man sich Bücher signieren oder mit dem Tibeter fotografieren lassen. Holger verzichtete darauf, knipste aber selbst etwas.

Im Sommer 2001 schrieb Holger dann diesen Kommentar (der aber nie veröffentlicht wurde):

Ende Januar [2001] nahm der [damals noch] politische und geistliche Führer des freien Tibets, der Dalai Lama, an einem Treffen des Welt-Hindu-Rates teil. Dabei sagte der hochangesehene Tibeter, der seit Jahrzehnten im indischen Exil lebt: „Ob Hindu, Moslem oder Christ – wer immer jemanden zu bekehren versucht, handelt falsch und nicht gut.“ Der Friedensnobelpreisträger weiter: „Ich glaube es ist sicherer und besser und vernünftiger, seinem eigenen Glauben und der eigenen Tradition treu zu bleiben.“

Natürlich traf er mit solchen Sätzen auf breite Zustimmung bei den Hindus, die sich vor allem gegen die Mission von Moslems und Christen zu Wehr setzen und aus Indien am liebsten einen reinen Hindu-Staat machen wollen. In einer vom Dalai Lama mitunterzeichneten Erklärung heißt es, vor allem gegen den Islam – „eine aggressive Religion“ – gerichtet: „Wir richten uns gegen jede Bekehrungsversuche von religiösen Traditionen durch Mittel der Lockung und Abwerbung.“

Ganz ähnliche Sätze waren auch in Litauen zu hören, als der Vertreter des Dalai Lamas in Europa, Chhime R. Chhoekyapa, letzten November u.a. Klaipėda besuchte. In einem Interview sagte dieser: „Am wichtigsten ist das gute Herz! Auch die Liebe und das Mitleid mit den Menschen. Der Dalai Lama sagte: Es gibt in der Welt besser viele Religionen, nicht nur eine einzige… Er sagte auch, dass es für den Menschen besser ist, seine Religion nicht zu wechseln… Schliesslich hat jeder seinen Geschmack! So ist das auch mit den Religionen… Für den einen ist der Buddhismus gut, für einen anderen das Christentum.“ („Klaipėda“, 27.11.2000)

Ende Juni beehrte schliesslich “Seine Heiligkeit” selbst (wie es auch groß auf Plakaten in den Städten prangte) Litauen mit seinem Besuch. Ein in erster Linie politisches Ereignis, weswegen auch die Begegnungen mit litauischen Politikern im Mittelpunkt standen. Bei einem Treffen mit Christen (fast ausschließlich Katholiken sowie einige LCC[International University]-Mitarbeiter) im LeMeridien-Villon Hotel nahm Tenzing Gyatso, der XIV Dalai Lama, dann aber auch wieder Stellung zu dem Thema Religionen und Mission. Leider war absolut nichts Neues zu hören: Alle Religionen hätten praktisch dieselbe Botschaft: Liebe, Mitleid, Vergebung, Toleranz, Selbstdisziplin; auch eine gemeinsame Praxis, und gemeinsame Ziele. Daher sei auch das gemeinsame Gebet sinnvoll.

Dalai Lama

Der Dalai Lama signiert Bücher in Vilnius, Juni 2001

Bei der Frage einer Journalistin nach der Bewertung der christlichen Missionspraxis in Asien wurde der Exil-Tibeter dann sehr deutlich: “That´s not good!” kam es wie aus der Pistole geschossen aus ihm heraus. Das ist nicht gut! Es sei besser, seine Religion zu behalten. Mission ist nur da ‘erlaubt’, wo es keine traditionellen Groß-Religionen gibt (also nur in Gebieten mit ‘primitiven’ oder animistischen Religionen).

Alles auch religionswissenschaftlich gesehen recht fragwürdige Sätze, die aber fast zu keinerlei kritischen Nachfragen führten – trotz aller Herzlichkeit im Umgang umweht den Dalai Lama eben eine Aura der Unantastbarkeit. Einzig ein Franziskanermönch (ein „geistlicher Bruder“, so der D.L.) wollte genauer wissen, welcher Sinn denn in dem gemeinsamen Gebet läge. Besseres gegenseitiges Verständnis, mehr Respekt füreinander, lernen voneinander – so die Antwort des Buddhisten. Hier zeigt sich schon, dass von einer mehr oder weniger identischen Botschaft der Religionen keine Rede sein kann. Denn für Christen erschöpft sich Gebet ja gerade nicht in der innermenschlichen und der zwischenmenschlichen Dimension. Wesentlich ist es ja vielmehr ein Gespräch mit einer transzendenten, aber realen Person nämlich Gott – eine den Buddhisten völlig fremde Sicht.

Hört man all solche ‘schönen’ Sätze, wundert man sich kaum noch über die wachsende Popularität des Dalai Lama und des Buddhismus allgemein in Westeuropa. Denn Toleranz heißt der wichtigste Wert im postmodernistischen Denken – lebe und denke so wie du willst. Wer möchte heute schon als intolerant gelten? Und wer wollte schon gegen Gutherzigkeit, Liebe und Mitleid sein. Dass der Dalai Lama selbst jedoch widerum wenig tolerant gegenüber jeglicher Mission ist, weist auf die grundlegende Schwäche im buddhistischen wie postmodernen Denken hin: Toleranz letztlich nur für die eigene Weltanschauung, die besagt: Es gibt viele Wege zu Gott. Wehe dem, der als Christ immer noch behauptet, es gäbe nur einen einzigen Weg zu ihm.